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»Wer sagt, dass sie hineingezogen werden sollte?«

»Niemand«, erwiderte Leamas. »Ich weise nur darauf hin. Ich weiß, wie solche Dinge laufen - alle Operationen mit Angriffscharakter. Sie erzeugen unvorhergesehene Nebenwirkungen, machen plötzliche Wendungen in unerwarteter Richtung, man glaubt, dass man den einen Fisch gefangen hat, und entdeckt, dass es ein anderer ist. Ich wünsche, dass sie aus der Sache herausgehalten wird.«

»Oh, gewiß, gewiß.«

»Wer ist dieser Mann auf dem Arbeitsamt - Pitt? War er nicht während des Krieges im Rondell?«

»Ich kenne niemanden dieses Namens. - Pitt, sagten Sie?«

»Ja.«

»Nein. Mir unbekannt. Im Arbeitsamt?«

»Ja doch! Himmel noch mal!« sagte Leamas gereizt.

»Ich bitte um Entschuldigung«, sagte der Chef und stand auf. »Ich vernachlässige meine Pflichten als stellvertretender Gastgeber. Wollen Sie etwas trinken?«

»Nein. Ich will noch heute hier weg, Chef. Ich möchte aufs Land und mir etwas Bewegung machen. Ist das Haus offen?«

»Ich habe einen Wagen bestellt«, sagte er. »Um welche Zeit treffen Sie morgen Ashe - ein Uhr?«

»Ja.«

»Ich werde nun Haldane anrufen und ihm sagen, dass Sie etwas Fruchtsaft wünschen. Sie würden auch besser einen Arzt aufsuchen. Wegen des Fiebers.«

»Ich brauche keinen Arzt.«

»Wie Sie wollen.«

Der Chef schenkte sich einen Whisky ein und begann uninteressiert die Bücher in Smileys Bücherschrank anzusehen.

»Warum ist Smiley nicht hier?« fragte Leamas.

»Er mag die Sache nicht«, antwortete der Chef gleichgültig. »Er findet sie widerwärtig. Er sieht zwar die Notwendigkeit ein, will aber nichts damit zu tun haben.« Mit einem sonderbaren kleinen Lächeln fügte der Chef hinzu: »Sein Fieber läßt merklich nach.«

»Man kann nicht sagen, dass er mich mit offenen Armen empfing.«

»Ganz recht. Er will nicht teilnehmen. Aber er hat Ihnen von Mundt erzählt und Ihnen den Hintergrund geschildert?«

»Ja.«

»Mundt ist ein sehr harter Mann«, sagte der Chef nachdenklich. »Wir sollten das nie vergessen. Und ein hervorragender Abwehrspezialist.«

»Weiß Smiley den Grund für die Operation? Kennt er die besondere Bedeutung?«

Der Chef nickte und nahm einen Schluck Whisky.

»Und er mag es trotzdem nicht?«

»Es ist keine Frage moralischer Überlegungen. Er ist wie ein Chirurg, der kein Blut mehr sehen möchte. Es genügt ihm, wenn andere operieren.«

Leamas gab sich nicht zufrieden: »Sagen Sie mir, woher Sie so sicher wissen, dass wir mit dieser Operation unser Ziel erreichen werden. Woher wissen Sie, dass die Ostdeutschen dahinterstecken und nicht die Tschechen oder die Russen?«

»Seien Sie versichert«, sagte der Chef etwas schwulstig, »dass man sich darum gekümmert hat.«

Als sie zur Tür kamen, legte der Chef seine Hand leicht auf Leamas' Schulter. »Dies ist Ihr letzter Auftrag«, sagte er. »Nachher können Sie aus der Kälte hereinkommen. Wegen des Mädchens: Wollen Sie, das irgend etwas ihretwegen unternommen wird - Geld oder so etwas?«

»Wenn es vorüber ist. Ich werde dann selbst für sie sorgen.«

»Richtig. Es wäre sehr gefährlich, jetzt etwas zu tun.«

»Ich will, dass sie in Frieden gelassen wird«, wiederholte Leamas mit Nachdruck. »Ich will nur nicht haben, dass man mit ihr Geschichten macht. Ich wünsche nicht, dass ein Akt angelegt wird oder etwas Ahnliches. Ich will, dass sie vergessen wird.«

Er nickte dem Chef zu und schlüpfte in die Nachtluft hinaus. In die Kälte.

7 KIEVER

Leamas kam am folgenden Tag mit zwanzig Minuten Verspätung zu seiner Verabredung mit Ashe. Er roch nach Whisky. Ashes Freude, Leamas zu sehen, war jedoch unvermindert. Er behauptete, er selbst sei erst in diesem Augenblick gekommen, er sei erst spät zur Bank gegangen. Er händigte Leamas einen Umschlag aus.

»Einzelne Scheine«, sagte Ashe. »Ich hoffe, dass es recht ist.«

»Danke«, erwiderte Leamas, »wir wollen einen trinken.« Er hatte sich nicht rasiert, und sein Kragen war schmutzig. Er rief den Kellner und bestellte Drinks, einen großen Whisky für sich und einen Gin für Ashe. Als die Drinks kamen und Leamas sich Soda ins Glas gießen wollte, zitterte seine Hand so sehr, dass er es fast danebenschüttete.

Sie aßen gut und tranken viel Alkohol dazu, wobei Ashe die Führung des Rennens übernahm. Wie Leamas erwartete, sprach er zuerst von sich, ein alter Trick, aber kein schlechter.

»Um ganz offen zu sein, bin ich kürzlich auf eine ganz gute Sache gestoßen«, sagte Ashe. »Ich schreibe als freier Mitarbeiter für Zeitungen im Ausland Englandreportagen. Nach Berlin ging es mir anfangs ziemlich dreckig. Man hatte meinen Vertrag nicht verlängert, und ich mußte einen Job annehmen - ich machte eine langweilige Reklamezeitschrift mit Freizeittips für Leute über sechzig. Gibt's noch was Schlimmeres? Das Blatt ging beim ersten Druckerstreik ein - ich kann dir nicht sagen, wie erleichtert ich war. Dann lebte ich eine Zeitlang bei meiner Mutter in Cheltenham. Sie hat ein Antiquitätengeschäft und läßt dir übrigens vielmals danken. Dann bekam ich einen Brief von einem alten Freund, Sam Kiever, der eine Agentur für kleine, speziell auf ausländische Blätter zugeschnittene Reportagen aus dem englischen Leben aufgemacht hatte. Du kennst diese Sachen - sechshundert Worte über den englischen Volkstanz und derlei Kram. Aber Sam hatte einen neuen Dreh: er verkaufte das Zeug übersetzt, und das macht einen Unterschied, weißt du. Man glaubt immer, jeder könnte einen Übersetzer bezahlen oder es selbst übersetzen. Aber wenn man nur noch eine halbe Spalte auf seiner Auslandsseite füllen muß, verschwendet man weder Zeit noch Geld für Übersetzungen. Sams Trick war es, mit den Redakteuren in persönlichen Kontakt zu kommen. Er zog wie ein Zigeuner durch Europa, der arme Kerl, aber es hat sich wirklich ausgezahlt.«

Ashe machte eine Pause. Offenbar wartete er darauf, dass Leamas die Einladung annehmen würde, über sich selbst zu sprechen. Aber Leamas überhörte das. Er nickte nur gelangweilt und sagte: »Verdammt gut.«

Ashe hatte eigentlich Wein bestellen wollen, aber Leamas sagte, er werde beim Whisky bleiben, und bis der Kaffee kam, war er schon beim vierten Doppelten. Er schien in schlechter Verfassung zu sein. Wie viele Trinker, schnappte er im letzten Augenblick, ehe das Glas seinen Mund berührte, nach dem Rand des Glases, als ob seine Hand ihn im Stich lassen und der Drink ihm entgegenkommen könnte.

Ashe verfiel für einen Augenblick in Schweigen.

»Du kennst Sam nicht, wie?« fragte er.

»Sam?«

Ein Ton von Gereiztheit kam in Ashes Stimme. »Sam Kiever, mein Chef. Ich hab' dir doch gerade von ihm erzählt.«

»War der auch in Berlin?«

»Nein. Er kennt Deutschland gut, aber in Berlin hat er nie gelebt. Er hat als freier Mitarbeiter manchmal in Bonn ausgeholfen. Er ist ein lieber Kerl. Du könntest ihm begegnet sein.«

»Glaube ich nicht.« Pause.

»Und du? Was machst du jetzt so, alter Knabe?« fragte Ashe.

Leamas zuckte die Achseln. »Ich bin kaltgestellt«, entgegnete er mit einem etwas dümmlichen Grinsen. »Raus aus dem Sack und aufs Regal gestellt.«

»Ich vergaß, was hast du in Berlin gemacht? Warst du nicht einer von diesen geheimnisvollen kalten Kriegern?«

Mein Gott, dachte Leamas, endlich fängst du an, ein bißchen in die Pedale zu treten.

Leamas zögerte. Dann sagte er mit rotem Gesicht und voll Ärger: »Bürodiener für die verdammten Yankees, wie wir alle.«

»Weißt du«, sagte Ashe, als ob er den Gedanken einige Zeit in seinem Kopf gewälzt hätte, »du solltest mit Sam zusammenkommen. Du wirst ihn mögen.« Ganz beiläufig fragte er dann: »Sag, Alec - ich weiß nicht einmal, wo du zu erreichen bist?«

»Nirgends«, sagte Leamas teilnahmslos.

»Wieso, alter Junge? Wo wohnst du denn?«

»Einmal hier, einmal da, ich schlage mich so durch. Hab' keine Stellung. Die Hunde haben mir nicht einmal eine richtige Pension gegeben.«