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»Sie werden eine Menge zahlen müssen«, murmelte Leamas schließlich. Kiever schenkte ihm noch einen Whisky ein.

»Man bietet Ihnen eine Sofortzahlung von fünfzehntausend Pfund. Das Geld liegt schon bei der Kantonalbank in Bern. Sie können es gegen Vorlage eines entsprechenden Ausweises abheben, den Sie von meinem Klienten bekommen werden. Meine Klienten behalten sich das Recht vor, während des Zeitraumes von einem Jahr Zahlungen von weiteren fünftausend Pfund Fragen an Sie zu richten. Sie werden Ihnen bei irgendwelchen … na, sagen wir: Problemen der Neuordnung Ihres künftigen Lebens behilflich sein.«

»Bis wann wollen Sie eine Antwort haben?«

»Jetzt. Man erwartet nicht, dass Sie alle Ihre Erinnerungen zu Papier bringen. Sie werden meinen Klienten treffen, und er wird es arrangieren, dass Ihr Material von irgend jemandem niedergeschrieben wird.«

»Wo soll ich ihn treffen?«

»Wir waren der Ansicht, dass es für alle Beteiligten das Einfachste wäre, sich außerhalb Englands zu treffen. Mein Klient schlug Holland vor.«

»Ich habe keinen Paß«, sagte Leamas gleichgültig.

»Ich bin so frei gewesen, Ihnen einen zu besorgen«, entgegnete Kiever verbindlich. Nichts in seiner Stimme oder in seinem Benehmen ließ erkennen, dass er etwas anderes als ein angemessenes Geschäft getätigt hatte.

»Wir fliegen morgen früh um neun Uhr fünfundvierzig nach Den Haag. Wollen wir in meine Wohnung gehen und noch weitere Einzelheiten besprechen?«

Kiever zahlte, und sie fuhren per Taxi zu einer recht guten Adresse unweit des St.-James-Parks.

Kievers Wohnung war teuer und luxuriös, aber ihre Einrichtung schien in Eile zusammengestellt worden zu sein. In London soll es Geschäfte geben, die Bücher nach dem laufenden Meter verkaufen, und Innenarchitekten, die die Farbzusammenstellung der Tapeten mit der eines Gemäldes in Harmonie bringen können. Da er nicht sonderlich empfänglich für solche Feinheiten war, hätte Leamas beinahe vergessen, dass er sich in einer Privatwohnung und nicht in einem Hotel befand.

Als ihm Kiever sein Zimmer zeigte, das einen düsteren Innenhof zu lag, fragte ihn Leamas: »Wie lange wohnen Sie schon hier?«

»Nicht lange«, entgegnete Kiever leichthin. »Einige Monate, nicht mehr.«

»Muß eine Menge kosten. Trotzdem, ich glaube, Sie sind es wert.«

»Danke.«

Es war eine Flasche Scotch in seinem Zimmer und ein Siphon mit Soda auf einem Silbertablett. Hinter einem Vorhang am hinteren Ende des Raumes führte ein Durchgang zu Badezimmer und Toilette.

»Ein ganz nettes Liebesnest. Wird vom großen Arbeiterstaat bezahlt?«

»Seien Sie still«, sagte Kiever ärgerlich. Dann fügte er hinzu: »Falls Sie mich brauchen - es gibt ein Haustelefon zu meinem Zimmer. Ich werde wach sein.«

»Ich denke, ich werde mit meinen Knöpfen jetzt allein fertig«, gab Leamas zurück.

»Dann gute Nacht«, sagte Kiever kurz angebunden und verließ das Zimmer. Er ist auch gereizt, dachte Leamas.

Leamas wurde durch das Telefon neben seinem Ben geweckt. Es war Kiever.

»Es ist sechs Uhr«, sagte er, »Frühstück um halb sieben.«

»Gut«, erwiderte Leamas und legte auf. Er hatte Kopfweh.

Kiever mußte nach einem Taxi telefoniert haben, denn um sieben Uhr ging die Türglocke, und Kiever fragte: »Haben Sie alles?«

»Ich habe kein Handgepäck«, antwortete Leamas, »außer einer Zahnbürste und einem Rasierapparat.«

»Dafür wird gesorgt. Sind Sie sonst fertig?«

Leamas zuckte mit den Schultern. »Ich glaube ja. Haben Sie Zigaretten?«

»Nein«, gab Kiever zurück, »aber Sie können welche im Flugzeug bekommen. Ich würde Ihnen raten, sich dies hier sorgfältig anzusehen.« Er gab Leamas einen britischen Paß, der auf seinen Namen ausgestellt und mit einem Foto versehen war. Quer über die Ecke lief das Tiefdrucksiegel des Außenministeriums. Er war weder alt noch neu, beschrieb Leamas als Büroangestellten und gab seinen Personalstand als ledig an. Leamas war ein wenig nervös, als er ihn zum erstenmal in der Hand hielt.

Es war wie beim Heiraten: Was auch geschehen mochte, die Dinge würden nie wieder so sein wie zuvor.

»Wie steht's mit Geld?« fragte Leamas.

»Sie werden keines brauchen. Es geht alles auf Kosten der Firma.«

8 LE MIRAGE

Es war ein kalter Morgen. Der leichte Nebel war feucht und grau, er prickelte auf der Haut. Der Flughafen erinnerte Leamas an den Krieg: Maschinen warteten, halb im Nebel verborgen, geduldig auf ihre Herren, laut tönende Stimmen und ihr Echo, ein plötzlicher Ruf, das unpassende Klick-Klack, das die Absätze eines Mädchens auf dem Steinboden machten, das Aufheulen einer Maschine, die unmittelbar neben einem zu stehen schien. Überall jene Verschwörerstimmung, die zwischen Menschen entsteht, die seit dem Morgengrauen auf sind - fast ein Gefühl gemeinsamer Überlegenheit, da man zusammen erlebt hat, dass die Nacht entschwand, und man den Tag hatte kommen sehen. Das Personal trug jene Mienen zur Schau, die vom Mysterium des Tagesanbruches geformt und von der Kälte belebt werden, und sie behandelten die Passagiere und ihr Gepäck mit dem inneren Abstand, den Männer haben, die von der Front zurückgekehrt sind: Gewöhnliche Sterbliche gab es an diesem Morgen nicht für sie.

Kiever hatte Leamas mit Handgepäck versehen. Das war ein nettes Detail und erregte Leamas' Bewunderung: Passagiere ohne Gepäck erregten Aufmerksamkeit, und das gehörte sicher nicht zu Kievers Plan. Sie ließen sich am Schalter ihrer Fluggesellschaft abfertigen und folgten den Wegweisern zur Paßkontrolle. Es gab einen seltsamen Augenblick, als sie sich verliefen und Kiever zu einem Träger grob wurde. Leamas nahm an, dass Kiever wegen des Passes nervös war. Er braucht das nicht zu sein, dachte Leamas, es ist alles in Ordnung.

Der Paßbeamte war ein jugendlicher kleiner Mann mit einem geheimnisvollen Abzeichen an seinem Rockaufschlag. Er hatte einen rötlichen Schnurrbart und einen nordenglischen Akzent, den er vergeblich zu unterdrücken versuchte.

»Werden Sie lange weg sein, Sir?« fragte er Leamas. »Sie müssen achtgeben, Sir. Der Paß läuft diesen Monat ab.«

»Ich weiß«, sagte Leamas.

Sie gingen Seite an Seite in den Wartesaal für Passagiere. Auf dem Weg dorthin sagte Leamas: »Sie sind ein argwöhnischer Gauner, was, Kiever?«, und der andere lachte erleichtert.

»Müssen Sie ein bißchen an der Leine halten, nicht wahr? Gehört zum Vertrag«, antwortete Kiever.

Sie hatten noch zwanzig Minuten zu warten. Sie setzten sich an einen Tisch und bestellten Kaffee. »Und nehmen Sie das hier mit«, sagte Kiever zum Kellner, indem er auf gebrauchte Tassen, Untertassen und Aschenbecher auf dem Tisch zeigte.

»Es kommt ein Abservierwagen vorbei«, erwiderte der Kellner.

»Nehmen Sie es weg«, wiederholte Kiever, der schon wieder gereizt war. »Es ist widerlich, schmutziges Geschirr herumstehen zu lassen.«

Der Kellner drehte sich um und ging weg. Er ging weder zur Theke noch bestellte er ihren Kaffee. Kiever war weiß im Gesicht, krank vor Ärger.

»Hören Sie um Gottes willen auf«, murmelte Leamas. »Das Leben ist zu kurz.«

»Ein frecher Lümmel ist das«, sagte Kiever.

»Gut, gut. Machen Sie ruhig eine Szene. Es wäre der richtige Moment dafür. Man wird uns hier nie vergessen.«

Die Formalitäten auf dem Flughafen in Den Haag verursachten keine Probleme. Kiever schien sich von seinen Ängsten erholt zu haben. Er wurde munter und gesprächig, als sie die kurze Entfernung vom Flugzeug zur Zollabfertigung zurücklegten. Der junge holländische Beamte widmete ihrem Gepäck und den Pässen nur einen oberflächlichen Blick und verkündete in ungeschicktem, gutturalem Englisch: »Ich wünsche einen angenehmen Aufenthalt in den Niederlanden.«

»Danke«, sagte Kiever fast zu leutselig, »danke vielmals.«