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»Er war in der Lage«, beharrte Leamas. Er war plötzlich verärgert. »Riemeck hat es nur allzugut fertiggebracht. Mehr ist darüber nicht zu sagen.«

»Und das Rondell hat Sie nie angewiesen, ihn einmal zu fragen, wie und wann er dies ganze Material eingesehen hat?«

»Nein«, fuhr ihn Leamas an. »Riemeck war in dieser Hinsicht empfindlich, und London war damit zufrieden, so wie es war.«

»Nun gut«, murmelte Peters. Dann sagte er: »Übrigens, Sie haben wohl von dieser Frau gehört?«

»Von welcher Frau?« fragte Leamas scharf.

»Karl Riemecks Freundin, die in der Nacht, als Riemeck erschossen wurde, herüberkam.«

»Und?«

»Sie wurde vor einer Woche tot aufgefunden. Ermordet. Man hat sie aus einem Wagen heraus erschossen, als sie ihre Wohnung verließ.«

»Einmal war es meine Wohnung«, sagte Leamas mechanisch.

»Vielleicht wußte sie mehr über Riemecks Netz als Sie«, meinte Peters.

»Was, zum Teufel, soll das heißen?« fragte Leamas.

Peters zuckte mit den Schultern. »Es ist alles sehr merkwürdig«, bemerkte er. »Ich möchte wissen, wer sie umgebracht hat.«

Nachdem sie den Fall Riemeck erschöpfend besprochen hatten, berichtete Leamas über andere, weniger wichtige Agenten, dann über die Arbeitsweise seines Berliner Büros, seine Verbindungen, sein Personal, seine geheimen Verästelungen - die Wohnungen, Transportmittel, sein Archiv und das Fotolabor. Sie arbeiteten bis tief in die Nacht hinein und den ganzen nächsten Tag, und als Leamas schließlich in der folgenden Nacht zu Bett ging, wußte er, dass er alles, was er von der alliierten Spionage in Berlin kannte, verraten und zwei Flaschen Whisky getrunken hatte.

Etwas gab ihm zu denken: Peters' Bestehen darauf, dass Karl Riemeck Hilfe, dass er einen hochgestellten Mitarbeiter gehabt haben müsse. Der Chef hatte ihn das gleiche gefragt. Ja, jetzt erinnerte er sich plötzlich daran: der Chef hatte ihn nach Riemecks Informationsmöglichkeiten gefragt. Wie konnten beide so sicher sein, dass Karl nicht allein gearbeitet hatte? Gewiß, er hatte Helfer gehabt, zum Beispiel die beiden Leibwächter, als er sich beim Kanal mit Leamas traf. Aber das waren kleine Fische, von denen Karl ihm später erzählt hatte. Peters weigerte sich nun also, zu glauben, dass Karl allein gearbeitet hatte - und Peters mußte schließlich genau beurteilen können, welche Art Informationen Karl in die Hände bekommen konnte und welche nicht. In diesem Punkt waren sich Peters und der Chef völlig einig.

Vielleicht war es wahr. Vielleicht war da noch jemand. Vielleicht war dies die besondere Quelle, die der Chef so ängstlich gegen Mundt zu schützen versuchte. Das würde heißen, dass Karl Riemeck mit dieser Quelle zusammengearbeitet hatte, und dass seine Lieferungen auch Material enthielten, das der andere beschafft hatte. Vielleicht war dies der Grund, weshalb der Chef an jenem Abend in Leamas' Berliner Wohnung allein mit Karl zu sprechen wünschte. Wie dem auch sei, der morgige Tag würde ihn klüger machen. Morgen wollte er seine Karten ausspielen.

Er fragte sich, wer wohl Elvira umgebracht hatte, vor allem aber: aus welchem Grund war sie getötet worden?

Allerdings gab es dafür eine mögliche Erklärung: gesetzt den Fall, Elvira habe etwas über Riemecks heimlichen Mitarbeiter gewußt, vielleicht sogar seinen Namen, dann war es denkbar, dass sie von diesem Mitarbeiter ermordet worden war. Nein, das war eine zu gewagte Spekulation. Sie übersah die Schwierigkeiten, die das Überwechseln von Ost nach West bereitete - und Elvira war ja in Westberlin ermordet worden.

Leamas fragte sich, warum ihm der Chef nichts von Elviras Tod gesagt hatte. Er hätte seine Reaktion auf diese Mitteilung aus dem Mund von Peters besser vorbereiten können. Aber das waren nutzlose Erwägungen. Der Chef hatte seine Gründe, und die waren im allgemeinen so elend verzwickt, dass es einer Woche angestrengten Grübeins bedurfte, sie herauszufinden.

Als Leamas einschlief, murmelte er: »Karl war ein großer Idiot. Dieses Weib hat ihn hereingelegt. Da bin ich ganz sicher.«

Elvira war tot, und das geschah ihr recht. Er dachte an Liz.

9 DER ZWEITE TAG

Am nächsten Morgen erschien Peters bereits um acht Uhr im Bungalow, und sie setzten sich sofort, ohne weitere Umstände zu machen, an den Tisch und fingen an.

»Dann kamen Sie also nach London zurück. Was taten Sie dort?«

»Man legte mich auf Eis. dass ich erledigt war, wußte ich schon, als mich dieser Esel von der Personalabteilung vom Flughafen abholte. Ich mußte direkt zum Chef, um über Karl zu berichten. Der war tot - was war darüber noch zu sagen?«

»Was machte man mit Ihnen?«

»Zuerst sagte man, ich könnte meine Zeit in London so lange absitzen, bis ich die Berechtigung zu einer vollen Pension erreicht hätte. Man war so verdammt gütig, dass ich wütend wurde. Da sagte ich ihnen, wenn sie schon so scharf darauf wären, mir Geld nachzuwerfen, dann sollten sie doch das Nächstliegende tun und mir meine volle Dienstzeit anrechnen, anstatt dauernd von der Unterbrechung zu schwatzen. Daraufhin wurden sie sauer. Sie steckten mich zu den Frauen in die Bankabteilung. An diese Periode kann ich mich nicht recht erinnern - ich fing etwas zu trinken an. Verlor ziemlich an Kondition.« Er steckte sich eine Zigarette an.

Peters nickte.

»Das war der wirkliche Grund, warum sie mich entließen. Sie sahen es nicht gerne, dass ich trank.«

»Erzählen Sie wenigstens, woran Sie sich von der Bankabteilung noch erinnern können«, schlug Peters vor.

»Es war eine langweilige Angelegenheit. Ich bin nicht für Büroarbeit geschaffen. Deshalb hatte ich mich ja auch so an Berlin geklammert. Als sie mich dann zurückholten, wußte ich, dass ich auf Eis gelegt werden sollte. Aber, Himmel noch mal …«

»Was haben Sie dort gemacht?«

Leamas zuckte die Achseln.

»Ich habe in demselben Raum mit zwei Frauen gesessen, sie hießen Thursby und Larrett. Ich nannte sie ›Thursday and Friday‹.« Er grinste ziemlich blöde. Peters sah verständnislos drein.

»Wir taten nichts anderes, als Formulare weiterzuschicken. Wir bekamen beispielsweise einen Brief von der Finanzabteilung: ›Die Zahlung von siebenhundert Dollar an Soundso ist mit Wirkung vom Soundsovielten genehmigt, bitte veranlassen Sie das Nötige.‹ - Das war in der Hauptsache alles. Thursday und Friday schoben den Zettel dann ein bißchen herum, hefteten ihn ein, machten Stempel drauf, und ich unterschrieb einen Scheck oder einen Auftrag an die Bank, das Geld zu überweisen.«

»Welche Bank?«

»Blatt and Rodney, eine drollige kleine Bank in der City. Nach einer im Rondell kursierenden Theorie sind nämlich ehemalige Etonschüler verschwiegen.«

»Praktisch kannten Sie dann also Namen von Agenten in der ganzen Welt?«

»Nicht notwendigerweise. Das war das Raffinierte daran. Ich habe zwar die Schecks unterschrieben oder die Bankaufträge, aber der Name des Empfängers wurde erst später auf dem von uns freigelassenen Platz eingetragen. Der Begleitbrief - oder was es nun war - wurde von uns unterschrieben, und dann ging der Akt zurück zur Abteilung für Spezialabfertigung.«

»Wer ist das?«

»Das sind die Führer der Agentenhauptliste. Sie setzen die Namen ein und verschicken die Anweisungen. Sehr schlau, muß ich sagen.«

Peters sah enttäuscht aus.

»Wollen Sie damit sagen, dass Sie keine Möglichkeit hatten, die Namen der Empfänger zu kennen?«

»Im allgemeinen nicht, nein.«

»Aber gelegentlich?«

»Dann und wann durchschauten wir die Sache natürlich. Dieses ganze Hin und Her zwischen Bank-, Finanz- und Abfertigungsabteilung führte manchmal zwangsläufig zu bestimmten Schlüssen. Ein System kann auch allzu clever werden. Dann stießen wir auf Spezialmaterial, das uns das Leben etwas aufhellte.«

Leamas stand auf. »Ich habe eine Liste aller Zahlungen angelegt, an die ich mich erinnern kann. Sie ist in meinem Zimmer. Ich hole sie.«

Er verließ den Raum mit dem etwas schleppenden Gang, den er seit der Ankunft in Holland angenommen hatte. Er kam mit ein paar Blättern aus einem Notizbuch zurück.