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»Ich habe das hier in der letzten Nacht aufgeschrieben«, sagte er. »Ich dachte, es würde Zeit sparen.«

Peters nahm die Blätter und sah sie langsam und sorgfältig durch. Er schien beeindruckt zu sein.

»Gut«, sagte er. »Sehr gut.«

»Am besten kann ich mich an eine Sache erinnern, die sich ›Rollstein‹ nannte. Ich habe im Zusammenhang mit ihr ein paar Reisen gemacht. Eine nach Kopenhagen und eine nach Helsinki. Hatte nichts anderes zu tun, als bei Banken Geld einzuzahlen.«

»Wieviel?«

»Zehntausend Dollar in Kopenhagen, vierzigtausend Deutsche Mark in Helsinki.«

Peters legte seinen Bleistift nieder.

»Für wen?« fragte er.

»Weiß der Himmel. Wir arbeiteten im Fall ›Rollstein‹ nach dem Depotsystem. Der Geheimdienst gab mir einen falschen britischen Paß. Damit ging ich zur Königlich-Skandinavischen Bank in Kopenhagen und der Nationalbank von Finnland in Helsinki. Ich deponierte das Geld und ließ das Kontobuch auf ein Gemeinschaftskonto ausstellen, für das nicht nur ich - mit meinem Decknamen -, sondern auch jemand anderer zeichnungsberechtigt war. Dieser andere war nach meiner Schätzung der Agent, natürlich auch nur unter irgendeinem Decknamen. Die Unterschrift meines unbekannten Kompagnons, die ich bei der Bank hinterlegen mußte, hatte mir die Direktion mitgegeben. Wie es dann weiterging, kann ich nur vermuten, aber wahrscheinlich wurde dem Agenten das Kontobuch gegeben und ein falscher Paß, den er auf der Bank vorzeigte, wenn er das Geld abholte. Alles, was ich wußte, war der Deckname.« Er hörte sich selbst reden, und alles klang auf eine lächerliche Art unglaubwürdig.

»War dies das übliche Verfahren?«

»Nein. Es war eine spezielle Zahlung. Diese Aktion umfaßte eine ganze Liste von Zahlungen.«

»Wieso?«

»Die Aktion hatte einen Codenamen, der nur sehr wenigen Menschen bekannt war.«

»Wie war der Codename?«

»Ich sagte es Ihnen schon - ›Rollstein‹. Die Operation umfaßte unregelmäßige Zahlungen in verschiedenen Währungen in verschiedenen Hauptstädten im Gesamtwert von zehntausend Dollar.«

»Immer in Hauptstädten?«

»Soviel ich weiß. Ich kann mich erinnern, in den Akten gelesen zu haben, dass es andere ›Rollstein‹-Zahlungen gegeben hatte, bevor ich zu der Abteilung kam, aber in diesen Fällen veranlaßte die Bankabteilung unseren ständigen Mann dort, die Sache abzuwickeln.«

»Diese anderen Zahlungen, die stattfanden, bevor Sie kamen: Wo wurden die gemacht?«

»Eine in Oslo. Ich kann mich nicht erinnern, wo die andere gemacht wurde.«

»Benützte der Agent immer denselben Decknamen?«

»Nein. Das war eine weitere Sicherheitsmaßnahme. Ich hörte später, dass wir die ganze Technik den Russen abgeschaut hätten. Es war das durchdachteste Zahlungssystem, das mir je untergekommen ist. Auch ich verwendete auf jeder Reise einen anderen Decknamen und selbstverständlich einen anderen Paß.« Diese Mitteilung würde Peters freuen und ihm helfen, die Lücken zu schließen.

»Diese falschen Pässe, die der Agent bekam, damit er das Geld abheben konnte: Wußten Sie irgend etwas darüber? Wie sie ausgestellt und verschickt wurden?«

»Nein. Nur, dass sie für das Land, in dem das Geld deponiert war, Visa haben mußten. Und Einreisestempel.«

»Einreisestempel?«

»Ja. Ich nehme an, dass die Pässe nie an der Grenze gebraucht wurden - dass sie nur bei der Bank als Ausweis vorgezeigt wurden. Der Agent muß mit seinem Paß ganz legal in das Land, in dem die Bank war, eingereist sein. Den falschen Paß wies er nur bei der Bank vor. Das ist jedenfalls meine Vermutung.«

»Ist Ihnen der Grund bekannt, warum frühere Zahlungen von Ihren örtlichen Beauftragten gemacht wurden und spätere Zahlungen durch jemanden, der aus London kam?«

»Ich weiß den Grund. Ich fragte die Frauen der Bankabteilung, Thursday und Friday. Der Chef fürchtete, dass …«

»Der Chef? Wollen Sie damit sagen, dass der Chef selbst den Fall bearbeitete?«

»Ja, das hat er. Er fürchtete, dass unser ständiger Mann dort auf der Bank erkannt werden könnte. Deshalb gebrauchte er einen Briefträger: mich.«

»Wann machten Sie Ihre Reisen?«

»Kopenhagen am 15. Juni. Ich flog noch in derselben Nacht zurück. Helsinki Ende September. Ich blieb zwei Nächte dort und: flog um den 28. herum zurück. Ich habe mich in Helsinki ganz gut amüsiert.« Er grinste, aber Peters nahm keine Notiz davon.

»Und die anderen Zahlungen - wann wurden die gemacht?«

»Ich kann mich nicht erinnern, tut mir leid.«

»Aber eine war ganz bestimmt in Oslo?«

»Ja, eine war in Oslo.«

»Welcher Zeitraum lag zwischen den beiden ersten Zahlungen, den Zahlungen, die durch den jeweiligen ständigen Mann gemacht wurden?«

»Ich weiß nicht. Kein langer, glaube ich. Ein Monat vielleicht. Vielleicht auch etwas mehr.«

»Hatten Sie den Eindruck, dass der Agent schon einige Zeit gearbeitet hatte, bevor die erste Zahlung gemacht wurde? Ging das aus dem Akt hervor?«

»Keine Ahnung. Im Akt war nur die Tatsache der Zahlungen vermerkt. Erste Zahlung Anfang neunundfünfzig. Kein anderes Datum. Das ist das Prinzip, nach dem vorgegangen wird, wenn es sich um eine begrenzte Zahl von Empfängern handelt. Verschiedene Akten befassen sich mit den verschiedensten Einzelheiten eines einzigen Falles. Nur jemand, der den Hauptakt hat, wäre imstande, alles zusammenzufügen.«

Peters schrieb jetzt die ganze Zeit. Leamas nahm an, dass irgendwo im Räume versteckt ein Tonbandgerät lief, dessen Übertragung ins Manuskript aber Zeit erforderte. Was Peters jetzt aufschrieb, war sicherlich das Rohmaterial für das abendliche Telegramm nach Moskau. Darüber hinaus werden die Mädchen in der russischen Botschaft in Den Haag die ganze Nacht damit beschäftigt sein, den vollen Wortlaut des Gespräches nach einem festgelegten Stundenplan zu telegrafieren.

»Sagen Sie mir«, sagte Peters, »dies sind große Geldbeträge. Die Vorkehrungen bei der Auszahlung waren ausgeklügelt und sehr kostspielig. Wie war Ihre eigene Meinung darüber?«

Leamas zuckte die Schultern.

»Welche Meinung konnte ich schon haben? Ich dachte, dass der Chef eine verdammt gute Quelle haben mußte, aber da ich nie das Material sah, kann ich nichts sagen. Mir gefiel die Art nicht, wie der Fall gehandhabt wurde - alles war zu hochtourig, zu kompliziert, zu schlau. Warum konnte man sich nicht mit ihm treffen und ihm das Geld in bar geben? Hatte man ihn wirklich veranlaßt, die Grenzen mit seinem eigenen Paß zu überschreiten, während er den falschen in der Tasche trug? Ich bezweifle es«, sagte Leamas. Es war an der Zeit, die Sache zu verschleiern, ihm eine Spur zu legen.

»Was wollen Sie damit sagen?«

»Ich will damit sagen, dass nach allem, was ich weiß, das Geld bei der Bank nie abgehoben worden ist. Angenommen, er war ein hochgestellter Agent hinter dem Eisernen Vorhang - das Geld wäre für ihn deponiert gewesen, damit es ihm zur Verfügung stand, sobald er an es herankonnte. So vermutete ich jedenfalls. Ich dachte nicht weiter darüber nach. Warum sollte ich? Es gehört zu unserer Arbeit, nur Stücke vom Ganzen zu kennen. Sie wissen das. Wenn man neugierig ist, dann gnade einem Gott.«

»Wenn das Geld nicht abgehoben wurde, wie Sie meinen, warum dann die ganze Mühe mit den Pässen?«

»Als ich in Berlin war, trafen wir die Vorkehrungen für Karl Riemeck, für den Fall, dass er einmal flüchten müßte und uns nicht erreichen könnte. Wir hielten für ihn einen falschen westdeutschen Paß unter einer bestimmten Adresse in Düsseldorf hinterlegt, wo er ihn durch ein vorher vereinbartes Verfahren jederzeit abholen konnte. Der Paß wurde nie ungültig - die Reiseabteilung verlängerte stets seine Laufzeit und auch die Visa, wenn sie verfielen. Der Chef hat vielleicht die gleiche Technik bei diesem Mann angewandt. Ich weiß es nicht - es ist nur eine Vermutung.«

»Wie können Sie mit Sicherheit behaupten, dass Pässe ausgegeben wurden?«

»Es waren entsprechende interne Mitteilungen der Bank an die Reiseabteilung im Akt angeheftet. Die Reiseabteilung ist die Stelle, die falsche Ausweispapiere und Visa beschafft.«