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»Ich liebte ihn«, erwiderte sie.

»Liebte er sie?«

»Vielleicht. Ich weiß nicht.«

»Lieben Sie ihn noch immer?«

»Ja.«

»Sagte er je, dass er zurückkommen würde?« fragte der jüngere Mann.

»Nein.«

»Aber er sagte Ihnen Lebewohl?« fragte der kleine Mann schnell. Er wiederholte seine Frage langsam und freundlich: »Sagte er Ihnen Lebewohl? Es kann ihm nichts mehr geschehen, das verspreche ich ihnen. Aber wir wollen ihm helfen, und wenn Sie irgendeine Idee haben, warum er Ford schlug, wenn Sie sich durch irgend etwas, das er gesagt oder getan hat, die leiseste Vorstellung davon machen können, dann sagen Sie es uns. Um Alecs willen.«

Liz schüttelte den Kopf. »Gehen Sie, bitte«, sagte sie. »Bitte, stellen Sie keine Fragen mehr. Bitte, gehen Sie jetzt.«

Als er zur Tür kam, zögerte der ältere Mann, nahm eine Karte aus seiner Brieftasche und legte sie vorsichtig auf den Tisch, als ob er Lärm machen könnte. Liz dachte, dass er ein sehr vorsichtiger Mann sei.

»Wenn Sie jemals Hilfe brauchen - wenn irgendwas mit Leamas sein sollte - oder … Rufen Sie mich einfach an«, sagte er. »Verstehen Sie?«

»Wer sind Sie?«

»Ich bin ein Freund von Alec.« Er zögerte. »Noch etwas anderes«, fügte er hinzu, »eine letzte Frage. Wußte Alec, dass Sie … wußte Alec von der Partei?«

»Ja«, antwortete sie bekümmert, »ich erzählte es ihm.«

»Weiß die Partei von Ihnen und Alec?«

»Ich sagte ja schon: Niemand hat etwas gewußt.« Dann schrie sie ihn mit plötzlich weiß gewordenem Gesicht an: »Wo ist er? Sagen Sie mir, wo er ist. Warum wollen Sie es mir nicht sagen? Ich könnte ihm helfen, sehen Sie das nicht? Ich könnte mich doch um ihn kümmern … Wenn er verrückt geworden ist - mir macht das doch nichts. Ich schwöre, ich … Ich habe ihm ins Gefängnis geschrieben. Ich weiß, dass ich das nicht hätte tun sollen. Aber ich schrieb ihm nur, er könne jederzeit zurückkommen. Ich würde immer auf ihn warten …« Sie konnte nicht mehr sprechen, sondern stand schluchzend mitten im Zimmer und verbarg ihr Gesicht in den Händen. Der kleine Mann betrachtete sie.

»Er ist ins Ausland gegangen«, sagte er gütig. »Wir wissen nicht genau, wo er ist. Er ist nicht wahnsinnig, aber er hätte Ihnen das alles nicht erzählen sollen. Es ist schade.«

Der jüngere Mann sagte: »Wir werden dafür sorgen, dass man sich um Sie kümmert, wegen Geld und so weiter.«

»Wer sind Sie?« fragte Liz noch einmal.

»Freunde von Alec«, wiederholte der jüngere Mann. »Gute Freunde.«

Sie hörte sie ruhig die Treppe hinunter und auf die Straße hinaus gehen. Von ihrem Fenster aus sah sie, wie sie in einen kleinen schwarzen Wagen stiegen und in Richtung des Parks davonfuhren.

Dann erinnerte sie sich der Karte. Sie ging zum Tisch, nahm sie auf und hielt sie ans Licht. Es war eine Karte von der teuren Sorte. Solche Karten kosteten mehr, als ein Polizist sich leisten konnte, dachte sie. Prägedruck. Kein Dienstrang vor dem Namen, keine Polizeistation oder sonst etwas. Nur der Name. Wer hatte schon von einem Polizisten gehört, der in Chelsea wohnte? »Mister George Smiley. 9 Bywater Street, Chelsea.« Darunter die Telefonnummer.

Das alles war sehr merkwürdig.

15 AUFFORDERUNG ZUM TANZ

Während Liz den Brief der Parteizentrale betrachtete, fragte sie sich, wie man wohl gerade auf sie gekommen war. Sie fand das etwas rätselhaft. Sie mußte zugeben, dass sie geschmeichelt war, aber warum hatten sie nicht vorher mit ihr gesprochen? Wer hatte ihren Namen ausgewählt, das Distriktskomitee oder die Zentrale? Aber ihres Wissens war sie doch niemandem in der Zentrale bekannt. Sie war freilich schon mit einigen Rednern zusammengekommen, und auf der Distriktsversammlung hatte sie dem Organisationsleiter der Partei die Hand geschüttelt. Vielleicht hatte sich dieser Mann vom Kulturaustausch ihrer erinnert. Er war ein gefälliger, etwas weibischer Mann, sehr liebenswürdig. Ashe war sein Name. Er hatte etwas Interesse an ihr gezeigt, und sie nahm an, dass er ihren Namen weitergegeben oder sich vielleicht selbst an sie erinnert hatte, als das Stipendium vergeben wurde. Ein seltsamer Mensch: er hatte sie nach der Versammlung ins »Black and White« auf einen Kaffee eingeladen, sie nach ihren Freunden ausgefragt. Dabei hatte er gar nicht verliebt getan oder so - sie hatte sich gedacht, dass er vielleicht schwul war, um ehrlich zu sein -, aber er hatte ihr unzählige Fragen über sie selbst gestellt. Wie lange sie schon in der Partei sei, ob sie Heimweh habe, da sie doch getrennt von ihren Eltern lebe? Ob sie viele Freunde habe, oder ob sie einen bestimmten vorziehe? Sie hatte sich nicht allzuviel aus ihm gemacht, aber seine Reden waren bei ihr gut angekommen: der Arbeiterstaat in der Deutschen Demokratischen Republik, der Begriff des Arbeiterdichters und all das. Bestimmt wußte er alles über Osteuropa, er mußte viel gereist sein. Sie hatte wegen seiner etwas belehrenden, gewandten Art vermutet, dass er Lehrer war. Bei der Sammlung im Anschluß an die Versammlung hatte Ashe ein Pfund gegeben; sie war verblüfft gewesen. Er hatte ihren Namen beim Londoner Distrikt erwähnt, und der Londoner Distrikt hatte ihn an die Zentrale weitergegeben, oder so ähnlich. Natürlich blieb es eine seltsame Art, derartige Angelegenheiten zu regeln. Aber diese Geheimnistuerei gehörte wohl nun einmal zu einer revolutionären Partei. Zwar machte es keinen guten Eindruck auf sie, weil es so nach Unaufrichtigkeit aussah, aber sie dachte, es sei wohl notwendig, und es gab, weiß Gott, genug Leute, für die das etwas Erregendes war. Sie las den Brief nochmals. Er trug den fettgedruckten roten Briefkopf der Zentrale und begann mit »Liebe Genossin«. Liz empfand das als unangenehm militärisch. Sie hatte sich nie richtig an »Genossin« gewöhnen können.

Liebe Genossin, wir haben uns kürzlich mit Genossen von der Sozialistischen Einheitspartei der Deutschen Demokratischen Republik wegen der Möglichkeit eines Austausches von unseren Parteimitgliedern mit den Genossen im Demokratischen Deutschland besprochen. Es wurde geplant, die Voraussetzungen für einen Austausch der Mitglieder unserer beiden Parteien zu schaffen. Die SED weiß, dass ihren Delegierten durch die diskriminierenden Vorschriften des britischen Innenministeriums in unmittelbarer Zukunft keine Einreise ins Vereinigte Königreich möglich sein wird, aber sie glaubt, dass gerade deshalb ein Erfahrungsaustausch besonders wichtig wäre. Man hat uns großzügigerweise eingeladen, fünf erfahrene Bezirkssekretäre auszuwählen, die bereits den Nachweis erbracht haben, dass sie die Massen zu Aktionen auf den Straßen anfeuern können. Jeder ausgewählte Genosse wird drei Wochen damit verbringen, Parteiversammlungen beizuwohnen, Fortschritte in der Industrie und der sozialen Wohlfahrt kennenzulernen und aus erster Hand die Beweise der faschistischen Provokation durch den Westen zu studieren. Dies ist eine große Gelegenheit für unsere Genossen, aus den Erfahrungen eines jungen sozialistischen Systems zu lernen.

Wir haben deshalb den Distrikt ersucht, uns solche junge Arbeiter aus den Kadern seines Gebietes zu melden, die den größten Nutzen aus dieser Reise ziehen können. Ihr Name ist uns genannt worden. Wenn es sich irgendwie ermöglichen läßt, wünschen wir sehr, dass Sie an dem Austausch teilnehmen und dadurch zur Verwirklichung des zweiten Teiles in diesem Plan beitragen, nämlich zur Herstellung eines Kontaktes zwischen Ihrer eigenen Parteigruppe und einer solchen in der Deutschen Demokratischen Republik, deren Mitglieder aus einem vergleichbaren Industriemilieu stammen und ähnliche Probleme haben. Die Ortsgruppe Bayswater-Süd wird deshalb mit Neuenhagen, einem Vorort von Leipzig, in Verbindung gebracht. Frieda Lüman, Sekretärin des Neuenhagener Bezirkes, bereitet einen großen Empfang vor. Wir sind überzeugt, dass Sie die richtige Genossin für diese Aufgabe sind und dass Ihr Unternehmen ein sehr großer Erfolg wird. Alle Unkosten werden vom Kulturamt der Deutschen Demokratischen Republik getragen.

Wir sind überzeugt davon, dass Ihnen die Ehre dieses Auftrages klar ist, und wir vertrauen darauf, dass Sie sich nicht durch persönliche Überlegungen von der Ausführung des Auftrages abhalten lassen werden. Die Abreise ist für das Ende des nächsten Monats vorgesehen, also für etwa den 23. Die ausgewählten Genossen werden getrennt reisen, da ihre Einladungen nicht gleichzeitig sind. Wollen Sie uns bitte so bald wie möglich wissen lassen, ob Sie annehmen können. Wir werden Sie dann über weitere Einzelheiten unterrichten.