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Fiedler hatte den Krieg in Kanada verlebt. Leamas erinnerte sich jetzt daran, als er den Akzent erkannte. Fiedlers Eltern waren als deutschjüdische Marxisten geflohen und 1946 zurückgekommen, da sie es kaum erwarten konnten, ohne Rücksicht auf persönliche Opfer am Aufbau des stalinistischen Deutschland mitzuarbeiten.

»Hallo«, setzte er, zu Leamas gewandt, fast beiläufig hinzu, »erfreut, Sie zu sehen.«

»Hallo, Fiedler.«

»Sie haben das Ende des Weges erreicht.«

»Was, zum Teufel, meinen Sie?« fragte Leamas schnell.

»Ich meine, dass Sie im Gegensatz zu allen Versicherungen von Peters nicht weiter nach Osten fahren werden. Bedaure.« Es klang amüsiert.

Leamas wandte sich zu Peters. »Ist das wahr?« Seine Stimme zitterte vor Zorn. »Ist das wahr? Sprechen Sie!«

Peters nickte. »Ja. Ich bin nur der Mittelsmann. Wir mußten es so aufziehen. Es tut mir leid«, fügte er hinzu.

»Warum?«

»Force majeure«, warf Fiedler ein. »Ihr erstes Verhör fand im Westen statt, und dort konnte nur eine Botschaft jene Art von Verbindung herstellen, wie wir sie brauchten. Die Deutsche Demokratische Republik hat keine diplomatischen Vertretungen im Westen. Noch nicht. Unsere Verbindungsleute richteten es deshalb so ein, dass wir in den Genuß von Einrichtungen, Nachrichtenmitteln und diplomatischer Immunität kamen, die man uns gegenwärtig noch versagt.«

»Sie Saukerl«, zischte Leamas, »Sie lausiger Saukerl! Sie haben genau gewußt, dass ich mich Ihrem kläglichen Verein niemals anvertraut hätte. Das ist der wahre Grund, oder? Deshalb haben Sie einen Russen vorgeschickt.«

»Wir nahmen die Hilfe der Sowjetbotschaft in Den Haag in Anspruch. Was hätten wir sonst machen können? Bis dahin war es unsere Operation. Das war völlig richtig gehandelt. Weder wir noch irgend jemand sonst konnte voraussehen, dass Ihre Leute in England so schnell auf Ihre Spur kommen würden.«

»Nein? Auch dann nicht, als ihr selbst sie auf mich gehetzt habt? In Wirklichkeit ist doch genau das geschehen, Fiedler!« - »Vergessen Sie nie«, hatte der Chef gesagt, »ihnen Ihre Abneigung zu zeigen. Dann werden sie schätzen, was sie aus Ihnen herausbekommen.«

»Das ist Unfug«, erwiderte Fiedler kurz. Dann sagte er irgend etwas auf russisch zu Peters, der daraufhin nickte und aufstand.

»Auf Wiedersehen«, sagte er zu Leamas. »Viel Glück.«

Er lächelte müde, nickte Fiedler zu und ging zur Tür. Als er schon seine Hand auf der Türklinke hatte, drehte er sich noch einmal um und sagte zu Leamas: »Viel Glück.« Er schien auf irgendeine Antwort von Leamas zu warten, aber Leamas tat so, als habe er nichts gehört. Er war sehr blaß geworden und hielt seine Hände mit den Daumen nach oben locker über seinen Leib, als erwarte er jederzeit den Beginn einer Schlägerei. Peters blieb an der Tür stehen.

»Ich hätte es wissen müssen«, sagte Leamas, und seine Stimme verriet durch ihren Klang, wie empört er war. »Ich hätte erraten müssen, dass Sie nie den Mut dazu aufbringen würden, Ihre schmutzige Arbeit selbst zu tun, Fiedler. Es ist typisch für Ihre verkommene kleine Staatshälfte und Ihren armseligen Geheimdienst, dass der große Bruder für Sie die Kupplerdienste verrichten muß. Ihr seid hier ja gar kein Staat, das ist überhaupt keine echte Regierung: ihr habt eine fünftklassige Diktatur von politischen Irren.«

Er stieß den Finger in Fiedlers Richtung und brüllte: »Ich kenne Sie, Sie sadistischer Saukerclass="underline" all das ist typisch für Sie. Während des Krieges waren Sie ja auch in Kanada, nicht wahr? Es war damals ein sehr viel angenehmerer Platz als hier, was? Ich wette, dass Sie bei jedem Flugzeug Ihren dicken Kopf in Mammis Schürze gesteckt haben. Und jetzt? Sie sind ein kriechender kleiner Diener von Mundt, während zweiundzwanzig russische Divisionen auf Mutters Türschwelle sitzen. An dem Tag, an dem Sie aufwachen und herausfinden werden, dass sie fort sind, möchte ich nicht in Ihrer Haut stecken, Fiedler. Da wird es Mord und Totschlag geben, und weder Mammi noch großer Bruder werden verhindern können, dass Sie bekommen, was Sie verdienen.«

Fiedler zuckte mit den Achseln. »Fassen Sie's als Besuch beim Zahnarzt auf, Leamas. Je eher wir fertig sind, desto eher können Sie nach Hause gehen. Essen Sie etwas und gehen Sie dann zu Bett.«

»Sie wissen ganz genau, dass ich nicht mehr nach Hause kann«, gab Leamas zurück. »Dafür haben Sie schon gesorgt. Sie haben mich in England gründlich auffliegen lassen. Es blieb euch beiden ja gar nichts anderes übrig, denn ihr habt verdammt genau gewußt, dass ich niemals gekommen wäre, hätte man mir eine andere Wahl gelassen.«

Fiedler sah seine schlanken, kräftigen Finger an. »Es dürfte kaum der rechte Moment zum Philosophieren sein«, sagte er. »Aber ich muß Ihnen schon sagen, dass Sie eigentlich keinen Grund zu Beschwerden haben. Unsere Arbeit - Ihre und meine - geht schließlich von der Annahme aus, dass das Ganze wichtiger als der Einzelne ist. Deshalb betrachtet ein Kommunist seinen Geheimdienst als die ganz natürliche und gerechtfertigte Verlängerung seines Armes, während die Arbeit des Nachrichtendienstes in Ihrem Land in eine Art pudeur anglaise gehüllt ist. Die Ausbeutung von Individuen ist nur durch die kollektive Notwendigkeit zu rechtfertigen, nicht wahr? Ich finde es etwas lächerlich, dass Sie sich so empört geben. Wir sind hier nicht zusammengekommen, um die ethischen Gesetze des englischen Landlebens einzuhalten.« Dann fügte er sanft hinzu: »Schließlich ist auch Ihr eigenes Verhalten von einem puristischen Standpunkt aus nicht untadelig gewesen.«

Leamas beobachtete Fiedler mit dem Ausdruck der Verachtung.

»Ich kenne Ihr Problem genau. Sie sind doch Mundts Pudel? Man sagt, Sie wollen seinen Posten haben? Ich nehme an, Sie werden ihn jetzt bekommen. Es ist an der Zeit, dass die Ära Mundts zu Ende geht. Vielleicht tut sie es gerade.«

»Ich verstehe nicht«, antwortete Fiedler.

»Ich bin Ihr großer Erfolg, nicht wahr?« höhnte Leamas. Fiedler schien einen Moment nachzudenken, dann zuckte er mit den Achseln und sagte: »Die Operation war erfolgreich. Ob sie es wert war, ist noch fraglich. Wir werden sehen. Aber es war eine gute Operation. Sie erfüllte die einzige Forderung, die unser Beruf kennt: sie funktionierte.«

»Ich vermute, Sie betrachten das als Ihren persönlichen Erfolg?« fragte Leamas mit einem Blick zu Peters.

»Es geht hier nicht um die Frage eines persönlichen Verdienstes«, entgegnete Fiedler. Er setzte sich auf die Sofalehne, blickte Leamas einen Augenblick gedankenvoll an und sagte dann: »Trotz allem haben Sie das Recht, über einen Umstand entrüstet zu sein: Wer sagte Ihren Leuten, dass wir Sie aufgegabelt haben? Wir waren es nicht. Sie werden mir vielleicht nicht glauben, aber es ist tatsächlich wahr. Wir haben Ihren Leuten nichts gesagt. Wir wollten es ja gerade vermeiden, dass sie davon erfuhren. Wir hatten sogar Überlegungen angestellt, ob Sie nicht später für uns arbeiten könnten - ein Gedanke, dessen Lächerlichkeit ich jetzt erkenne. Wer sonst aber könnte es Ihren Leuten gesagt haben? Sie waren doch völlig allein, trieben sich herum, hatten keine Adresse, keine Bindung, keine Freunde. Wie, zum Teufel, hat man erfahren, dass Sie verschwunden sind? Irgend jemand muß es ihnen gesteckt haben. Aber es kann weder Ashe noch Kiever gewesen sein, denn beide sind jetzt in Haft.«

»Verhaftet?«

»So scheint es. Nicht gerade wegen der Beteiligung an Ihrem Fall. Es gab da noch andere Sachen …«

»So, so.«

»Es ist wahr, was ich Ihnen jetzt gerade gesagt habe. Wir hätten uns mit Peters' Bericht aus Holland zufriedengegeben, und Sie hätten Ihr Geld nehmen und verschwinden können. Aber Sie haben noch nicht alles erzählt, und ich will alles wissen. Schließlich stellt uns Ihre Gegenwart hier auch vor Probleme, wissen Sie!«

»Nun, ihr habt keine Dummheit gemacht, ich kenne die ganze verdammte Geschichte und wünsche euch viel Glück dazu.«

Es entstand eine Pause, während welcher Peters mit einem abrupten und keineswegs freundlichen Nicken in Fiedlers Richtung ruhig den Raum verließ.