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An die Königlich-Skandinavische Bank GmbH Kopenhagen

 Sehr geehrte Herren, ich bin seit einigen Wochen auf Reisen und habe keine Post aus England erhalten. Infolgedessen habe ich Ihre Antwort auf meinen Brief vom 3. März nicht bekommen, in dem ich um die laufende Abrechnung für das Depositenkonto bat, das ich gemeinsam mit Herrn Karlsdorf habe. Um weitere Verzögerungen zu vermeiden, möchte ich Sie bitten, mir eine doppelt ausgestellte Abrechnung an die folgende Adresse zu schicken. Dort werde ich mich ab 21. April zwei Wochen aufhalten:

Per Adresse Madame Y. de Sanglot 13, Avenue des Colombes Paris 12e France Entschuldigen Sie bitte die Mühe, die ich Ihnen damit verursache.

Ihr sehr ergebener Robert Lang

»Was soll diese Bemerkung von einem Brief vom 3. März?« fragte er. »Ich habe doch keinen Brief geschrieben.«

»Nein, das haben Sie nicht. Und soviel wir wissen, hat das niemand. Das wird die Bank stutzig machen. Wenn zwischen unserem Brief hier und Briefen, die sie vielleicht vom Chef bekommen haben, innere Widersprüche vorhanden sind, werden sie aber annehmen, dass die Lösung dafür in dem fehlenden Brief vom 3. März zu finden ist. Die Reaktion darauf wird sein, dass man Ihnen, wie gewünscht, die Abrechnung zusammen mit einem Begleitschreiben schicken wird, in dem man bedauernd mitteilt, dass Ihr Brief vom 3. März nicht angekommen sei.«

Der zweite Brief lautete wie der erste, nur die Namen waren geändert. Die Adresse in Paris war die gleiche. Leamas nahm ein leeres Blatt Papier und seinen Füllfederhalter und schrieb ein halbes dutzendmal mit flüssiger Schrift »Robert Lang«. Dann unterschrieb er den ersten Brief. Dann übte er mit schräggehaltener Feder die zweite Unterschrift, bis er damit zufrieden war, und schrieb »Stephen Bennett« unter den zweiten Brief.

»Ausgezeichnet«, bemerkte Fiedler, »ganz ausgezeichnet.«

»Was machen wir jetzt?«

»Die Briefe werden morgen in der Schweiz aufgegeben, in Interlaken und Gstaad. Unsere Leute in Paris werden mir den Text der Antwortschreiben sofort nach ihrem Eintreffen telegrafieren. In einer Woche haben wir sie.«

»Und bis dahin?«

»Wir werden uns gegenseitig Gesellschaft leisten. Ich weiß, dass Ihnen das zuwider ist, und ich entschuldige mich dafür. Ich dachte, wir könnten vielleicht Spaziergänge machen, etwas in der Gegend herumfahren, eben irgendwie die Zeit totschlagen. Ich möchte, dass Sie sich entspannen und erzählen, über London, über das Rondell, die Arbeit in Ihrer Abteilung. Erzählen Sie mir den Klatsch, sprechen Sie über die Bezahlung, den Urlaub, die Büroräume und die Menschen. Über die Nadeln und Klammern, sozusagen, Ich möchte all die kleinen Dinge erfahren, die keine Rolle spielen. Übrigens …« - Fiedler hatte den Tonfall geändert.

»Ja?«

»Wir haben hier Möglichkeiten für Leute, die … für Leute, die einige Zeit bei uns zubringen. Möglichkeiten der Zerstreuung und so weiter.«

»Bieten Sie mir eine Frau an?« fragte er.

»Ja.«

»Nein, danke. Im Gegensatz zu Ihnen habe ich nicht das Stadium erreicht, wo ich einen Kuppler brauchte.«

Die Antwort schien Fiedler nicht zu berühren. Er fuhr schnell fort: »Aber Sie hatten eine Freundin in England, nicht wahr? Das Mädchen aus der Bibliothek?«

Leamas fuhr herum. Er hielt die Hände geöffnet in Höhe der Hüften, so als wolle er sich auf Fiedler stürzen.

»Eines sage ich Ihnen!« brüllte er. »Nur dies eine: über diese Sache will ich nichts mehr hören, nicht im Scherz, nicht als Drohung. Nicht einmal als Druckmittel, Fiedler, weil das keinen Erfolg hätte. Niemals. Ich würde kein Wort mehr sagen, verstehen Sie? Sie würden von mir nie mehr auch nur ein Wort bekommen, solange ich lebe. Sagen Sie das den Leuten, Fiedler, sagen Sie es Mundt und Stammberger, oder welche Ratte sonst Ihnen befohlen hat, davon zu reden - bestellen Sie ihnen, was ich gesagt habe.«

»Ich werde es ausrichten«, antwortete Fiedler. »Ich werde es ausrichten. Es ist vielleicht schon zu spät.«

Nachmittags gingen sie noch einmal spazieren. Der Himmel war dunkel und schwer, es war warm.

»Ich bin nur einmal in England gewesen«, bemerkte Fiedler beiläufig. »Das war mit meinen Eltern, auf dem Weg nach Kanada, vor dem Krieg. Ich war noch ein Kind. Wir waren zwei Tage dort.«

Leamas nickte.

»Ich kann Ihnen jetzt verraten«, fuhr Fiedler fort, »dass ich vor einigen Jahren beinahe wieder hingekommen wäre. Ich sollte Mundt in der Stahlmission ablösen - wußten Sie, dass er einmal in London war?«

»Ich wußte es«, erwiderte Leamas vielsagend.

»Ich habe mich immer gefragt, wie diese Tätigkeit gewesen wäre.«

»Das übliche, meistens Umgang mit den anderen Ostblockmissionen, nehme ich an. Dazu gewisse Kontakte zur britischen Geschäftswelt, allerdings nicht sehr viel davon.« Leamas schien gelangweilt zu sein.

»Aber Mundt kam ganz schön herum: er fand es nicht schwer.«

»Das habe ich gehört«, sagte Leamas. »Er schaffte es sogar, ein paar Leute umzulegen.«

»Auch davon haben Sie also gehört?«

»Durch Peter Guillam. Er arbeitete mit George Smiley an dem Fall. Mundt hätte George fast auch noch umgebracht.«

»Der Fennan-Fall«, sagte Fiedler nachdenklich. »Eigentlich erstaunlich, dass Mundt überhaupt davonkam, nicht wahr?«

»Das finde ich auch.«

»Man sollte nicht glauben, dass ein Mann, der als Mitglied einer ausländischen Mission mit Fotografie und Personenbeschreibung in den Akten des Auswärtigen Amtes geführt wird, gegen den ganzen britischen Sicherheitsdienst eine Chance haben würde.«

»Soviel ich gehört habe«, sagte Leamas, »war man gar nicht scharf darauf, ihn zu fassen.«

Fiedler blieb plötzlich stehen.

»Was sagen Sie da?«

»Ich sage nichts weiter, als dass Peter Guillam mir gegenüber bezweifelt hat, dass man Mundt wirklich fassen wollte. Wir waren damals anders organisiert: anstelle des Chefs der Operationen saß dort eine Art Berater - der Mann hieß Maston. Guillam erzählte mir, Maston habe aus dem Fall Fennan von Anfang an ein fürchterliches Durcheinander gemacht. Peter meinte, wenn Mundt gefaßt worden wäre, hätte das eine unglaubliche Schweinerei gegeben. Er wäre wohl verurteilt und wahrscheinlich gehenkt worden. Der ganze Schmutz, den dieser Prozeß ans Licht gebracht hätte, wäre das sichere Ende von Mastons Karriere gewesen. Peter konnte nicht genau sagen, was geschehen war, aber er war ganz sicher, dass es keine ernstgemeinte Fahndung nach Mundt gegeben hatte.«

»Sind Sie sich dessen sicher? Sind Sie sicher, dass Guillam Ihnen das mit diesen Worten gesagt hat? Keine ernstgemeinte Fahndung?«

»Da bin ich absolut sicher.«

»Guillam hat nie auf eine andere Möglichkeit angespielt, weshalb man Mundt wohl hätte laufenlassen?«

»Was meinen Sie?«

Fiedler schüttelte den Kopf, und sie gingen weiter.

»Die Stahlmission wurde nach dem Fennan-Fall aufgelöst«, bemerkte Fiedler nach einiger Zeit. »Deshalb kam ich dann doch nicht nach London.«

»Mundt muß verrückt gewesen sein. Man kann vielleicht auf dem Balkan - oder hier - trotz Mord ungeschoren davonkommen, aber nicht in London!«

»Er ist aber davongekommen, oder?« warf Fiedler schnell ein. »Und er hat gute Arbeit geleistet.«

»Wie zum Beispiel die Anwerbung von Kiever und Ashe? dass ich nicht lache.«

»Die beiden haben Mrs. Fennan lange genug für sich arbeiten lassen.«

Leamas zuckte die Achseln.

»Sagen Sie mir noch etwas anderes, über Karl Riemeck«, begann Fiedler von neuem. »Ist er nicht einmal mit dem Chef direkt zusammengekommen?«

»Ja, in Berlin. Ungefähr vor einem Jahr, vielleicht auch etwas früher.«

»Wo kamen sie zusammen?«

»Wir trafen uns alle in meiner Wohnung.«

»Warum?«

»Der Chef hat es gern, bei Erfolgen in Erscheinung zu treten. Wir hatten von Karl eine große Menge gutes Material bekommen. Ich nehme an, dass man in London davon beeindruckt war. Der Chef kam zu einem kurzen Besuch nach Berlin und bat mich, ein Treffen mit Karl zu arrangieren.«