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»Und wenn Ihr Geheimdienst ihn gefaßt hätte?« erkundigte sich Fiedler.

»Oh, das ist etwas anderes. Wahrscheinlich hätte man ihn verhört und dann gegen einen unserer hochgegangenen Leute auszutauschen versucht. Oder man hätte ihm gleich eine Fahrkarte gegeben.«

»Was heißt das?«

»Man hätte ihn abgestoßen.«

»Ihn liquidiert?« Fiedler stellte jetzt alle Fragen, und die Mitglieder des Gerichtes schrieben eifrig in ihren Akten.

»Ich weiß nicht, was man da macht. Ich habe mit solchen Dingen nie etwas zu tun gehabt.«

»Ist es nicht möglich, dass man versucht hat, ihn umzudrehen?«

»Möglich schon. Aber sie hatten keinen Erfolg.«

»Woher wissen Sie das?«

»Ach, du meine Güte, ich habe Ihnen das immer wieder erklärt. Ich bin schließlich nicht nur ein untergeordneter Mann gewesen. Ich war viele Jahre lang Leiter der Berliner Organisation. Wenn Mundt einer von unseren Leuten gewesen wäre, hätte ich das gewußt. Ich hätte gar nicht anders gekonnt, als es zu wissen.«

»Ganz recht.«

Fiedler schien mit dieser Antwort zufrieden zu sein, vielleicht weil er davon überzeugt war, dass der Rest des Gerichtes nicht damit zufrieden sein konnte. Er wandte sich nun der Operation »Rollstein« zu, ließ Leamas eine Schilderung der besonderen Sicherheitsmaßnahmen geben, die für die Bearbeitung des Aktes erlassen worden waren, fragte ihn nach den Briefen an die Banken in Stockholm und Helsinki, und berichtete von der Antwort, die darauf eingetroffen war.

Indem er sich an das Gericht wandte, erklärte er dann: »Aus Helsinki haben wir keine Antwort bekommen. Ich weiß nicht, warum. Aber erlauben Sie mir, dass ich den ganzen Vorgang noch einmal zusammenfassend wiederhole: Leamas deponierte am 15. Juni Geld. Unter den Papieren, die Sie vor sich haben, befindet sich das Faksimile eines Briefes der Königlich-Skandinavischen Bank, adressiert an Robert Lang. Robert Lang war der Name, unter dem Leamas das Kopenhagener Depositenkonto eröffnete. Aus diesem Brief (er trägt die Nummer zwölf in Ihren Akten) geht hervor, dass die ganze Summe von zehntausend Dollar eine Woche nach Eröffnung des Kontos vom zweiten Verfügungsberechtigten wieder abgehoben worden ist. Ich denke«, fuhr Fiedler fort, wobei er mit dem Kopf auf die bewegungslose Gestalt Mundts in der vorderen Reihe deutete, »es wird vom Angeklagten nicht bestritten werden, dass er am 21. Juni in Kopenhagen war, angeblich zur Ausführung eines Geheimauftrages der ›Abteilung‹.«

Nach einer kleinen Pause fuhr er fort:

»Leamas' Reise nach Helsinki - die zweite, die er machte, um Geld zu deponieren - fand um den 24. September herum statt.« Er erhob seine Stimme und blickte direkt auf Mundt. »Am 3. Oktober unternahm Genosse Mundt eine geheime Reise nach Finnland - angeblich wieder im Interesse der ›Abteilung‹.« Es war still. Fiedler drehte sich langsam um und sprach nun wieder direkt zu den Richtern. In gedämpftem und zugleich drohendem Ton fragte er: »Haben Sie den Eindruck, dass dies nur Indizienbeweise seien? Erlauben Sie mir, dass ich Ihnen noch etwas ins Gedächtnis rufe.«

Er wandte sich wieder an Leamas: »Zeuge, während Ihrer Tätigkeit in Berlin kamen Sie mit Karl Riemeck, dem früheren Sekretär beim Präsidium der Sozialistischen Einheitspartei, in Verbindung. Welchen Charakter hatte diese Verbindung?«

»Er war mein Agent, bis er von Mundts Leuten erschossen wurde.«

»Ganz richtig. Er wurde von Mundts Leuten erschossen. Einer von mehreren Spionen, die kurz und bündig von dem Genossen Mundt liquidiert wurden, noch ehe sie verhört werden konnten. Aber bevor er von Mundts Leuten erschossen wurde, war er Agent des britischen Geheimdienstes?«

Leamas nickte.

»Schildern Sie Riemecks Zusammenkunft mit dem Mann, den Sie ›Chef‹ nennen.«

»Der Chef kam von London nach Berlin herüber, um Karl zu sprechen. Karl war wohl einer der ergiebigsten unserer Agenten, und der Chef wollte ihn treffen.«

Fiedler schaltete ein: »Ihm wurde wohl auch am meisten vertraut?«

»Ja. In London wurde Karl direkt geliebt, es gab nichts, was er hätte falsch machen können. Als der Chef herüberkam, arrangierte ich ein Treffen in meiner Wohnung. Wir aßen dort zu dritt. Mir war es eigentlich nicht recht, dass Karl in meine Wohnung kam, aber das konnte ich dem Chef nicht sagen. Es ist schwer zu erklären, aber in London sitzt man so weit vom Schuß, und es bilden sich ganz bestimmte Vorstellungen heraus - ich hatte entsetzliche Angst, sie würden plötzlich irgendeine Ausrede finden, um die Führung Karls selbst zu übernehmen. Sie sind durchaus imstande, so etwas zu machen.«

»So haben Sie also eine Zusammenkunft zu dritt arrangiert«, unterbrach Fiedler kurz angebunden. »Was geschah?«

»Der Chef bat mich vorher, ihn unauffällig mit Karl eine Viertelstunde allein zu lassen. Deshalb tat ich dann irgendwann im Laufe des Abends so, als hätten wir keinen Scotch mehr. Ich verließ die Wohnung und ging zu de Jong. Ich nahm dort noch einige Drinks, borgte mir eine Flasche aus, und kehrte zurück.«

»Wie fanden Sie sie vor?«

»Was meinen Sie?«

»Sprachen der Chef und Riemeck noch miteinander? Wenn ja, worüber sprachen sie?«

»Sie sprachen überhaupt nicht, als ich zurückkam.«

»Danke. Sie können sich setzen.«

Leamas kehrte auf seinen Platz zurück.

Fiedler wandte sich den drei Mitgliedern des Gerichtes zu und begann: »Ich möchte zuerst über den Spion Riemeck sprechen, der erschossen wurde: Sie haben eine nach der Erinnerung von Leamas zusammengestellte Liste aller jener Informationen vor sich, die Riemeck in Berlin an Alec Leamas übergeben hat, soweit sich Leamas noch daran erinnern kann. Es ist ein beachtliches Dokument des Verrates. Lassen Sie mich das Material für Sie zusammenfassen. Riemeck gab seinen Herren einen detaillierten Überblick über die Arbeit und das Personal der gesamten »Abteilung«. Er war in der Lage, wenn man Leamas Glauben schenken darf, die Vorgänge in unseren geheimsten Sitzungen zu berichten. Als Sekretär beim Präsidium gab er Protokolle von den geheimsten Verhandlungen preis. Das war leicht für ihn; er stellte selbst den Bericht über jede Sitzung zusammen. Aber wie Riemeck Zugang zu den Geheimsachen der Abteilung gefunden hat, ist eine andere Frage. Wer brachte Ende 1959 Riemeck in den Ausschuß für Staatssicherheit, diesen wichtigen Unterausschuß des Präsidiums, der die Angelegenheiten unserer Sicherheitsorgane koordiniert und behandelt? Wer machte den Vorschlag, dass Riemeck das Recht auf Zugang zu den Akten der ›Abteilung‹ bekommen solle? Wer wählte ihn während jeder Etappe seiner Laufbahn seit 1959 (dem Jahr, da Mundt aus England zurückkehrte, Sie erinnern sich) für Stellungen von außerordentlicher Verantwortlichkeit aus? - Ich will es Ihnen sagen«, rief Fiedler: »Derselbe Mann, der durch seine Stellung einzigartige Möglichkeiten hatte, ihn in seiner Spionagearbeit decken zu können: Hans-Dieter Mundt! Wir wollen uns noch einmal ins Gedächtnis zurückrufen, wie Riemeck den Kontakt zum britischen Geheimdienst in Berlin aufnahm - wie er den Wagen de Jongs bei einem Picknick aufstöberte, um den Film hineinzulegen. Sind Sie nicht erstaunt über Riemecks hellseherische Fähigkeiten? Wie konnte er herausbekommen haben, wo dieser Wagen zu finden war und an welchem Tag? Riemeck hatte selbst keinen Wagen, er konnte de Jong nicht von dessen Haus in Westberlin aus gefolgt sein. Es gab nur eine Möglichkeit, woher er es wissen konnte - durch die Vermittlung unserer eigenen Sicherheitspolizei, die de Jongs Anwesenheit routinemäßig zu melden hatte, sobald der Wagen den Sektorenübergang passiert hatte. Dieses Wissen war Mundt zugänglich, und Mundt stellte es Riemeck zur Verfügung. Dies ist der Beweis gegen Hans-Dieter Mundt. Ich versichere Ihnen: Riemeck war seine Kreatur, das Bindeglied zwischen Mundt und seinen imperialistischen Auftraggebern.« Nach einer Pause setzte Fiedler ruhig hinzu: »Mundt-Riemeck-Leamas: das war die Kette, und es ist ein Grundsatz der Aufklärungsarbeit in der ganzen Welt, dass jedes Glied der Kette so wenig wie möglich von den anderen weiß. Es ist deshalb ganz in Ordnung, wenn Leamas behauptet, er wisse nichts über eine Mitarbeit von Mundt: Das ist nichts anderes als ein Beweis dafür, wie gut man in London die einzelnen Stationen gegeneinander abzuschirmen verstand.