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Bei der Erwähnung seines Namens schien Fiedler aus den Träumen zu erwachen, in die er versunken gewesen war. Liz sah ihn zum erstenmal mit Bewußtsein an. Seine tiefen braunen Augen ruhten kurz auf ihr, und er lächelte schwach, als habe er ihre Rasse bemerkt. Er war eine kleine, einsame Gestalt, und sie wunderte sich, wie entspannt er wirkte.

»Sie weiß nichts«, sagte Fiedler. »Leamas hat recht. Lassen Sie sie gehen.« Seine Stimme klang müde.

»Sind Sie sich klar darüber, was Sie sagen?« fragte die Vorsitzende. »Sie wissen, was das heißt? Haben Sie Ihr keine Fragen zu stellen?«

»Sie hat alles gesagt, was von ihr aus zu sagen war.«

Fiedlers Hände waren über den Knien gefaltet, und er studierte sie, als gäbe, es im Saal nichts Interessanteres.

»Es war alles sehr geschickt aufgezogen.« Er nickte. »Lassen Sie sie gehen. Sie kann uns nicht sagen, was sie nicht weiß.« Mit gespielter Förmlichkeit fügte er hinzu: »Ich habe keine Fragen an die Zeugin.«

Ein Posten schloß die Tür auf und rief etwas in den Gang hinaus. In der völligen Stille des Saales hörte man die antwortende Stimme einer Frau und ihre sich nähernden schweren Schritte. Fiedler stand unvermittelt auf, nahm Liz beim Arm und führte sie zur Tür. Als sie die Tür erreichte, drehte sie sich um und blickte zu Leamas zurück, aber Leamas starrte in eine andere Richtung, wie ein Mann, der den Anblick von Blut nicht ertragen kann.

»Kehren Sie nach England zurück«, sagte Fiedler zu ihr. »Fahren Sie heim nach England.« Plötzlich begann Liz unbeherrscht zu weinen. Die Wärterin legte den Arm um ihre Schultern - mehr als Stütze, denn als Geste des Trostes - und führte sie aus dem Saal. Der Posten schloß die Tür. Ihr Weinen entfernte sich, bis nichts mehr zu hören war.

»Es gibt nicht viel zu sagen«, begann Leamas. »Karden hat recht. Es war eine geplante Sache. Mit Karl Riemeck verloren wir den einzigen annehmbaren Agenten, den wir noch in der Zone hatten. Alle anderen waren schon vorher beseitigt. Wir konnten es nicht verstehen - es sah fast so aus, als würden sie von Mundt schon gefaßt, noch ehe wir sie angeworben hatten. Ich kam nach London zurück und ging zum Chef. Peter Guillam war da und George Smiley. George war eigentlich schon im Ruhestand. Er machte irgend etwas sehr Intelligentes - Philologie oder etwas Ähnliches.

Jedenfalls hatten sie diese Idee ausgeheckt. Wenn's nicht anders geht, muß man die Leute in ihren eigenen Fallen fangen, war die Ausdrucksweise des Chefs. Man muß die Beweggründe kennen, auf die sie ansprechen. Nach diesem Rezept haben wir es sozusagen vom Ende her ausgearbeitet. ›Induktiv‹ nannte Smiley diese Methode. Wenn Mundt unser Agent wäre, wie würden wir ihn bezahlt haben, wie sähe das in den Akten aus, und so weiter. Peter erinnerte sich, dass ein Araber versucht hatte, uns vor ein oder zwei Jahren einen Plan der ›Abteilung‹ zu verkaufen, dass wir ihn aber abgewiesen hatten. Später war uns klargeworden, dass dies ein Fehler gewesen war. Es war Peters Idee, diese Geschichte einzubauen - so, als hätten wir abgelehnt, weil wir schon alles kannten. Das war geschickt.

Sie können sich den Rest denken. dass ich scheinbar zu Bruch ging, meine Geldschwierigkeiten, die Gerüchte, Leamas habe die Kasse geklaut - all das hing zusammen. Wir brachten Elsie aus der Buchhaltung und ein oder zwei andere dazu, dass sie den Klatsch verbreiten.« Mit einem Anflug von Stolz setzte er hinzu: »Sie machten ihre Sache sehr gut. Dann suchte ich mir zum Losschlagen eben Samstagmorgen aus, denn da sind viele Leute unterwegs. Es ging durch die lokale Presse, es kam sogar in den Worker, soviel ich weiß. Inzwischen hatten Sie es hier schon aufgegriffen.« Und Leamas fügte verächtlich hinzu: »Von dem Augenblick an schaufelten Sie an Ihrem eigenen Grab.«

»An Ihrem Grab«, sagte Mundt ruhig. Er sah Leamas nachdenklich mit seinen blassen Augen an. »Und vielleicht an dem des Genossen Fiedler.«

»Sie können Fiedler kaum die Schuld daran geben«, sagte Leamas gelassen. »Er war nur wachsam. Außerdem wäre er nicht der einzige Mann in der ›Abteilung‹, der Sie gerne hängen würde, Mundt.«

»Sie werden auf jeden Fall hängen«, sagte Mundt beruhigend. »Einen Posten haben Sie ermordet, und mich wollten Sie auch ermorden.«

Leamas lächelte trocken.

»In der Nacht sind alle Katzen grau, Mundt … Smiley hat immer davor gewarnt, dass es schiefgehen könnte. Er sagte, wir würden möglicherweise eine ganze Kette von unerwarteten Folgen auslösen, auf die wir dann keinen Einfluß mehr hätten. Seine Nerven sind kaputt. Aber das wissen Sie ja. Seit dem Fall Fennan ist er nicht mehr der alte. Die Londoner Mundt-Affäre hat ihn verändert. Man erzählt sich, damals sei irgend etwas mit ihm geschehen, und deshalb habe er das Rondell verlassen. Es ist mir jetzt völlig unverständlich, weshalb man die Rechnungen bezahlte, dem Mädchen Geld gab und so weiter. Es kann gar nicht anders sein, als dass Smiley diese Operation absichtlich zerschlagen hat, anders kann ich mir das nicht vorstellen. Es muß eine Gewissenskrise bei ihm gewesen sein. Vielleicht dachte er plötzlich, es sei unrecht, jemanden zu töten, oder etwas Ähnliches. Nach all den Vorbereitungen und all der Arbeit war es Wahnsinn, das Unternehmen derart zu verpfuschen.

Aber Smiley hat Sie gehaßt, Mundt. Obwohl wir nicht darüber sprachen, haben wir das wohl alle getan. Wir haben die ganze Sache ein bißchen wie ein großes Spiel entworfen. Das ist jetzt schwer zu erklären, aber wir standen damals sozusagen mit dem Rücken zur Wand: Wir hatten gegen Mundt dauernd verloren und wollten deshalb versuchen, ihn umzubringen. Aber es war trotzdem noch immer ein Spiel.«

Dann wandte sich Leamas wieder an die Richter: »Sie sehen die Rolle Fiedlers ganz falsch. Er ist nicht auf unserer Seite. Warum hätte London mit einem Mann in Fiedlers Position ein derartiges Risiko eingehen sollen? Ich gebe zu, dass er ein fester Bestandteil in unserer Rechnung war. Wir wußten, dass er Mundt haßte. Wie hätte er ihn auch nicht hassen sollen? Fiedler ist Jude, nicht wahr? Sie alle müssen den Ruf Mundts kennen, und was er über die Juden denkt.

Da niemand anderer Ihnen das sagen würde, werde ich es Ihnen jetzt erzählen: Mundt ließ Fiedler zusammenschlagen. Während der ganzen Prozedur höhnte und verspottete er ihn, weil er Jude ist. Sie alle wissen, zu welcher Sorte Mensch Mundt gehört, und Sie dulden ihn, weil er gute Arbeit leistet. Aber …« Leamas stockte eine Sekunde, fuhr dann jedoch fort: »Es sind doch schon, weiß Gott, genug Menschen in all das hineingezogen worden, auch ohne dass Fiedlers Kopf in den Korb fallen müßte. Fiedler ist in Ordnung, das kann ich Ihnen verraten. ideologisch zuverlässige das ist wohl der richtige Ausdruck dafür, nicht wahr?«

Er sah die Richter an. Sie beobachteten ihn teilnahmslos, beinahe neugierig, mit festen, kalten Augen. Fiedler, der wieder auf seinem Stuhl Platz genommen und mit etwas gekünstelt wirkendem Gleichmut zugehört hatte, sah Leamas verblüfft an.

»Und alles haben Sie verpfuscht, Leamas, das wollen Sie doch sagen? Ein alter Fuchs wie Leamas, der mit diesem Unternehmen gerade seine Laufbahn krönen möchte, fällt auf ein - wie haben Sie das genannt? - ›enttäuschtes kleines Mädchen in einer miesen Bibliothek‹ herein! Nein, Leamas. Das Rondell muß davon gewußt haben. So etwas kann Smiley nicht allein gemacht haben.«

Fiedler wandte sich an Mundt: »Das ist doch sehr seltsam, Mundt. Man muß sich doch darüber klar gewesen sein, dass Sie diese Geschichte von Anfang an nachprüfen würden. Gerade deshalb hat doch Leamas dieses Leben geführt. Und dann hat man dennoch dem Kaufmann nachträglich Geld geschickt, hat man die Mietschulden bezahlt und dem Mädchen eine Wohnung gekauft? Dies erscheint mir von den vielen Merkwürdigkeiten die seltsamste: dass so erfahrene Leute einem Mädchen - einem Parteimitglied sogar - tausend Pfund auszahlen, während sie doch glauben soll, dass er pleite sei. Erzählen Sie mir nicht, das Gewissen Smileys habe ihn so weit getrieben. Das Rondell muß es getan haben. - Welches Risiko!«