Die Katze und die Maus
"Es war einmal ein Mann, dem taten die Mäuse in seiner Speisekammer vielen Schaden, da nahm er eine Katze an, damit sie die Mäuse vertreibe und vertilge. Nun war unter den Mäusen eine recht große, und war auch stärker wie die andern, und wie sie wahrnahm, was geschehen war, da suchte sie eine Gelegenheit, wo sie von einem sichern Ort aus mit der Katze sprechen konnte, und sagte zu dieser: "Ich weiß, daß Dein Herr Dich bestellt hat, mich und meine Freunde zu vertreiben und zu tödten. Nun freut es mich, Deine Bekanntschaft zu machen, und ich möchte mich Deiner Gunst empfehlen und guten Frieden mit Dir halten." Sprach die Katze: "Es freut mich ausnehmend, Dich kennen zu lernen, und es wird mir äußerst schätzbar sein, wenn Du mich mit Deiner Freundschaft beehren willst. Auch wäre Dein Umgang mir der erwünschteste, allein ich darf Dir nichts versprechen, was ich Dir nicht zu halten vermag. Siehe, verehrteste Maus, mein Herr hat mich zum Bewahrer seines Hauses gesetzt, daß Du und Deine Sippschaft ihm nicht länger Schaden zufügst, schonte ich nun Deiner, so würde es heißen: das ist eine schlechte Katze! Darum meide entweder, meinem Herrn ferner zu schaden, oder meide das Haus, und suche Dir einen andern Dir genehmen Aufenthalt, außerdem gieb mir keine Schuld, wenn Du Schaden hast." Die Maus sprach: "Ich habe Dich höflich gebeten, und so bitte ich nur noch, verzeihe mir meine Freiheit, und schenke mir Deine Freundschaft." - "Ja," sprach die Katze, "Du bist mir lieb und werth, wie soll ich aber die Freundschaft zu Dir vereinigen mit meiner Pflicht bei dem Schaden, den Deine Gesellen meinem Herrn zufügen? Lasse ich euch leben, so tödtet er mich, das ist billig. Darum so gewahre ich Dir drei Tage Frist, in welcher Zeit Du Dich nach einer andern Wohnung umthun magst." - Die Maus erwiederte: "Sehr schwer und ungern trenne ich mich von dieser Wohnung; ich werde mich hüten, Dir zu nahe zu kommen, und hier bleiben, so lange es mir gefällt." Die Katze schonte die Maus, ihrem Wort getreu, drei Tage lang, da wurde diese ganz sicher, und that nun gar nicht mehr, als sei eine Katze im Hause vorhanden; aber als die drei Tage herum waren, und die Maus wieder ganz unbesorgt aus ihrem Löchlein lief, da lag die Katze im Winkel der Speisekammer und lauerte, sprang zu, und fing und fraß die Maus mit Haut und Haaren." "Das ist ein Gleichniß," fuhr Vogel Mosam fort, "an dem Du sehen kannst, daß nicht ziemt dem Verständigen, zu verachten der treuen Freunde Rath. Und das Sprichwort sagt, daß der Freunde Rath oft gleiche bittrer Arzenei, die die doch heilsam ist und das Siechthum bannt." Das Vogelweib bedachte sich lange und schwankte, was sie thun solle, und wie es zu vollbringen sei, daß auch kein Schein böser That auf sie fiele. Da rieth der falsche Freund, sie solle einen Fisch nehmen, durch den die Fischer zur Lockung großer Fische eine spitze Angel gesteckt, und den dem Mann unter die andern Fische, die er speise, legen, so werde er daran erwürgen. Das that das Weib, und weil Vogel Holgott alt war, und nicht selbst mehr Fische fing, und sein Weib ihn bisweilen Hunger leiden ließ, so schluckte er gierig den Fisch mit dem Angelhaken in sich hinein und erwürgte daran, und wie das geschah, so verfluchte er die, die ihm so schmählich dem Tod geweiht. Als das geschehen war, lebte der Vogel Mosam noch eine kurze Zeit mit dem ungetreuen Weibe, aber weil die Nahrung immer seltener wurde, so begann er ihrer sehr überdrüssig zu werden, und stürzte sich auf sie, sie zu tödten. Da flogen gerade ihre Söhne daher, die kamen, um ihre lieben Aeltern zu besuchen, und fielen herab auf den Vogel Mosam, als schon ihre Mutter im Sterben lag, die ihnen alles bekannte und verschied. Da hackten sie mit ihren spitzigen Schnäbeln dem Vogel Mosam die Augen aus, und ließen ihn elendiglich verhungern, und rächten so den Doppelfrevel, der an ihren Aeltern begangen war.
Das goldene Ei
Es war einmal in einer Stadt ein sehr reicher Kaufmann, der hatte drei erwachsene Töchter, diese waren an Leibesgestalt eine wie die andere sehr schön, und waren auch gut und bescheiden; während andere in so glücklichen Verhältnissen manchmal gar hochmüthig und berückt sind. Daß sich frühzeitig schmucke Freier um die schönen reichen Mädchen bemühten, war natürlich; doch waren diese schüchtern zurückhaltend und so kam in der Kürze keine Heirath zum Stand. Aber einmal als die reiche Kaufmannsfrau mit ihren drei schönen Töchtern einem großen Festball beiwohnte, machte sich einer unter den anwesenden jungen Herren, der sich sehr fein und anmuthig zeigte, besonders um die älteste Kaufmannstochter, tanzte gar oft mit ihr, sagte ihr viel schöne Worte und war so glücklich, ihre Liebe zu gewinnen. Beim Abschied war er überaus gefällig und liebenswürdig gegen Mutter und Töchter und erhielt gerne die Erlaubniß, am andern Morgen einen Besuch bei ihnen machen zu dürfen. Als der Morgen kam, kleidete sich der junge Mann noch zierlicher als am vorigen Abend und kam ins Haus des Kaufmanns, wo er freundlich empfangen wurde. Und es währte nicht gar lange, so war er der Bräutigam der ältesten Tochter, und auch die Hochzeit ward nicht lange hinausgeschoben, denn der Bräutigam eilte sehr zurück nach seiner Heimath, die nach seiner Aussage gar sehr weit entfernt läge. Als nun das große freudige Hochzeitfest beendet war, sagte der neue Eidam zu seinem Schwiegervater: "Es thut mir von Herzen leid, daß ich meine liebe Frau von ihren theuren Eltern und von ihrer lieben Heimath so gar weit hinweg führen muß, doch läßt es sich nicht ändern, ich muß in mein Land zurückkehren, aber ich will gewiß so viel wie möglich Sorge tragen, daß es ihr dort Wohlgefallen möge, daß die neue Heimath ihr lieb und angenehm werde." Die Aeltern fügten sich in die Nothwendigkeit, und der Vater sprach zur Mutter: "Was dünket Dir, liebes Weib, wenn wir nun unsrer Tochter ihr ganzes Erbe mit gäben, denn die Entfernung ist zu groß, als daß wir Hoffnung haben könnten, sie so bald wieder zu sehen." Die Mutter sprach: "Du hast Recht, lieber Mann; ich merke, daß unser Schwiegersohn sehr reich ist und so wird unsere Tochter dann das Gleichgewicht mit ihm halten; denn immer paßt Gleiches zu Gleichen am besten. Geht die Frau nicht leer ein, so wird sie desto freundlicher von ihrem Mann dann behandelt." Als die Reise vor sich ging, sandten die guten Aeltern ihrer Tochter sechs Wagen voll Gut und Geld und schöne Kleider und Geräthe mit. Die Fahrt wahrte lange, die Gegend wurde immer rauher, die Wälder immer größer und dunkler; da endlich mitten im schaurigen Wald vor einem großen düstern Gebäude befahl der junge Ehemann stille zu halten; das war seine Heimath, und die neue Heimath der schönen jungen Frau, die fast ein wenig darüber betreten war, daß es hier ringsum so gar düster aussah, doch wußte der Gemahl sein liebes Weibchen gar bald wieder zu erheitern, und als sie nun erst im Haus war und die Treppe hinangestiegen, wurde sie auch mit Freuden gewahr, daß das Haus von innen gar nicht düster, sondern recht anmuthig war, recht reich und schön ausgeschmückt. Sie schritt von einem Zimmer in das andere und fand alles schön und gut; doch eine Zimmerthüre, die schwer von Gold war und wo darüber auf dem Gesimse ein großer goldener Schlüssel lag, wurde ihr trotz allen Bitten von ihrem Gemahl nicht aufgethan, er sagte: "Dahinein kann ich Dich nicht führen, meine Liebe, ich habe Etwas darinnen, das Dir zu sehen nicht frommt, auch würde es Dich nicht im Geringsten interessiren, wenn ich Dir's zeigen wollte." Da ließ sie zwar ab von ihren Bitten, heimlich war sie aber doch neugierig zu wissen, was wohl in diesem Zimmer sein möge, das sie durchaus nicht sehen dürfe. Nun fügte sich's einmal, als etliche Wochen vorüber waren, daß der junge Ehemann auf die Jagd ging, und da sagte er beim Abschied: "Liebes Weibchen, ich will Dir ein Spielzeug geben, daß Du Dir die Zeit damit angenehm vertreibest, aber Du darfst ja keinen Flecken hinan bringen," und da gab er ihr ein kleines goldenes Ei, worüber sie eine große Freude hatte. Als der Jägersmann fort war und die einsame Frau ein Weilchen mit dem Ei gespielt hatte, dachte sie jedoch: Ei, wie wär's, jetzt bin ich allein, ich will doch einmal sehen, was in jenem Zimmer verborgen ist, und sie nahm ihr Ei, und ging schnell hin nach jener goldenen Thüre, nahm den goldenen Schlüssel vom Gesimse herunter und wollte aufschließen, aber in diesem Augenblick kam ein großer Papagei unter der Thürschwelle hervor, stellte sich vor sie und sprach mit hohlem Ton: "Bewahr', o bewahr das Eilein gut, Sonst mußt Du's bezahlen mit Deinem Blut." Die junge neugierige Frau aber stieß den warnenden Vogel zur Seite und sprach: "Dummes Thier, was willst denn Du?" und schloß die Thüre auf. Aber welch ein Schrecken! Hier stand ein großer Kessel mit Blut angefüllt, daneben ein Block und ein Beil und zur Seite war eine lange Tafel, darauf standen lauter weibliche Todtenköpfe; und o weh, da hatte die Frau vor Schrecken ihr goldenes Ei in das Blut fallen lassen. Sie zog es schnell wieder heraus, schloß die Thüre zu und eilte entsetzt davon; in ihrem Zimmer wischte sie dann ihr Ei sorgfältig ab, auf daß ihr Gemahl, wenn er zurückkehre, keine Blutflecken sehen möge, allein mit dem Blut ging auch das Gold ab, und so war das Ei zum großen Jammer der Frau doch verdorben und verrieth sogleich, als der Gemahl von der Jagd nach Hause kam, was unterdessen geschehen war. Da aber zog der Jägersmann die Augenbraunen wild zusammen packte die zitternde Frau, schleppte sie nach jenem grausigen Zimmer und sprach, indem er das Beil ergriff: "Hat es Dich gelüstet, thörichtes Weib, zu schauen, was ich Dir verbot: so magst Du büßen," und da hieb er ihr den Kopf ab und stellte ihn neben die andern Köpfe auf die Tafel. Nach kurzer Zeit machte sich der grausame Mann auf, reisete wieder hin in jene Stadt, wo seine reichen Schwiegerältern wohnten, und als er dort ankam, hub er ein Jammergeschrei an: sein theures Weib wäre ihm gestorben und er sei untröstlich. Den Aeltern und Geschwistern war dies ein großes Leid: und nach etlichen Wochen beruhigten sie sich wieder, und der böse junge Mann heirathete die andere Schwester. Dieser ging es eben nicht besser als der Ersten. Sie schloß vor Neugierde jene Thüre auf; hörte nicht auf den warnenden Papageivogel; befleckte das goldene Ei mit Blut und wurde dann von dem unmenschlichen Gemahl ebenso getödtet wie ihre Schwester, und wie schon viele andere auf diese Weise ihren Tod gefunden hatten, was man an der Zahl jener aufgestellten Todtenköpfe ersah. Abermals kam der Schwiegersohn in tiefer Trauer bei den Schwiegerältern an und meldete den Tod der zweiten Frau und stellte sich wie verzweifelt. Aber nach etlichen Wochen beruhigte er sich auch wieder über dieses herbe Schicksal und sprach zu seinen Schwiegerältern: "Meine theuern Aeltern, ich bin von Herzen betrübt ob meines schmachvollen Geschickes und mir würde wohl nimmer wieder eine Freude auf Erden blühen, wenn ich einsam und ferne von Euch meine Tage verleben sollte, gebet mir Euren letzten Segen und gebet mir Eure jüngste Tochter, meine liebe Schwägerin, zur Frau, daß sie der Trostengel sei in meinem Leiden." Und auch diesmal willigten die Aeltern ein und die Hochzeit war bald vollzogen, und wieder folgte ein stattliches Heirathsgut den beiden Neuvermählten in die weite Ferne. Dort angelangt führte der Gemahl sein junges Weibchen wieder durch die Zimmerräume seines Schlosses, und als er vor die goldene Thür kamen, sprach er wieder: "Liebes Weib, dieses Zimmer kann ich Dir nicht öffnen, ich habe Etwas darinnen, das zu sehen Dir nicht frommt, laß uns zurückkehren." Da war sie klug und dachte: erfahren muß ich schon was darinnen ist, aber vorsichtig muß ich sein und auf meiner Hut. Als nun der Gemahl einmal auf die Jagd gegangen war und ihr zuvor zum Spielzeug und Zeitvertreib ein goldenes Ei gegeben hatte, dachte sie, als sie ein Weilchen mit dem Ei gespielt hatte: "Ei, jetzt bin ich allein, ich will sehen, was in jenem Zimmer verborgen ist" und da eilte sie hin mit ihrem goldenen Ei nahm den Schlüssel vom Gesimse herunter und wollte aufschließen; und indem schoß der Papagei wieder unter der Schwelle hervor und hub an mit hohlem Ton zu warnen: "Bewahr', o bewahr das Eilein gut, Sonst mußt Du's bezahlen mit Deinem Blut.' Da ward die junge Frau aufmerksam, nahm ein Leinentüchlein und wickelte das Ei hinein und legte es vor die Thüre, dann schloß sie auf und schaute mit Schreck und Graus, was hier verborgen war. Sie erkannte sogleich die Köpfe ihrer beiden Schwestern und ein großer Jammer schnitt ihr durchs Herz; doch, dachte sie, schnell und klug mußt Du handeln, wenn Du diesem Bösewicht aus den Klauen entrinnen, seine bösen Thaten ans Licht bringen willst - und sie nahm rasch die beiden Köpfe ihrer Schwestern und eilte hinweg und bewahrte sie heimlich auf. Dann holte sie ihr goldenes Ei und sagte zu dem Papageivogel, der daneben sitzen geblieben war: "Bester Vogel, habe Dank für Deine Warnung, ich werde Sorge tragen, daß Dir stets Futter und Trank gereicht werde, und Du sollst von nun an nicht mehr unter dieser düstern Schwelle, sondern in meinem freundlichen Zimmer wohnen." Aber der Vogel schüttelte den schweren Kopf und antwortete: ."Ich bedarf keines Futters und keiner anderen Wohnung, denn mein Leben ist längst gelebt, und nur der goldene Schein dieses Eies vermochte mich an's Licht zu erwecken, auf daß ich als Warner den Unglücklichen erschiene. Nun aber wird diese Zeit vorüber sein. Du wirst dem Bösewicht seinen Lohn bereiten und damit zugleich auch meine Rache ausführen, die ich ihm schwur, als er mir das erste geliebte Ei stahl, worüber ich vor Kummer gestorben bin. Doch meine Seele fand im Tode keine Ruhe, und so blieb ich unter dieser Schwelle und erwachte jedesmal, wann der goldene Schein meines Eies mich beleuchtete. Aber eine Bitte kannst Du mir zum Dank erfüllen: verhilf mir zu diesem meinen geliebten Ei, daß ich's ausbrüte, dann werde ich meinen Todesschlaf schlafen können." Die junge Frau sprach: "Das soll geschehen, Du sollst Dein Ei bekommen, bester Vogel, und Deine Rache soll gestillt werden." Dann ging sie in ihr Zimmer, und wie ihr Gemahl von der Jagd nach Hause kam, fand er sein Weibchen mit dem schönen goldenen Ei spielend. Da ahnte der böse Mann nicht, daß er entdeckt sei; und als später seine liebe Frau wünschte, eine Reise zu ihren Aeltern zu machen, willigte er ein und bekümmerte sich nicht um jenes grausenhafte Zimmer. Ehe die Reise fort ging, bat die Frau ihren Mann um das goldene Ei, und er gab es ihr zum Geschenk, und die Frau gab es dem Papagei, daß er es ausbrüte und dann Ruhe finden möge. Nun reiseten sie fort und gelangten bald in die liebe Heimath; dort war große Freude; am nächsten Tag wurde ein Fest veranstaltet und dazu viele Freunde eingeladen, und wie die Gäste wieder fröhlich heimgezogen waren und der Schwiegersohn vom Wein berauscht in einen festen Schlaf verfallen war, winkte die Tochter den Aeltern, führte dieselben in ihr Zimmer, wo sie ihre Päckereien ausgelegt hatte und zeigte ihnen die beiden Köpfe ihrer Schwestern und entdeckte ihnen die Thaten des bösen grausamen Mannes, der s