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Das weiße Hemd, das schwere Schwert und der goldene Ring

Ein König hatte eine Frau genommen, die war zwar von hoher Geburt, aber nicht von hohem Sinn und brach ihm ihre Treue jeden Tag. Nach einem Jahre gebar sie dem König einen Sohn, der war weiß und roth gleich Milch und Blut und wurde mit jedem Tage schöner. Je mehr er heranwuchs, um so mehr zeigte er sich seines Vaters würdig; er war einer der klügsten und zugleich der edelsten und tugendhaftesten Jünglinge im ganzen Reich und alle, welche ihn kannten, sprachen, er sei eben so schön wie brav. Als er achtzehn Jahre alt war und so recht in seiner schönsten Blüthe stand, da faßte die Königin plötzlich eine verbrecherische Liebe zu ihm und sprach zu sich selber: Er muß mein Gemahl werden, es mag gehen wie es wolle. Sie wußte wohl, daß sie dieß nicht in ihrem Schlosse erreichen konnte und fürchtete auch, der Jüngling könne es seinem Vater sagen, wenn sie ihm davon spreche; darum machte sie einen Anschlag, ihn in ein fremdes fernes Land zu entführen, dort dachte sie, werde sie schon leicht ihr Ziel erreichen. Bald darauf war der Geburtstag des schönen Prinzen und der König befahl, daß man ihn mit großen Festen feiere. Morgens sollten die Musikanten von allen Regimentern seines Heeres in der Kirche beim Gottesdienst spielen, Mittags um zwei Uhr sollte ein Gastmahl sein, zu welchem viele tausend Gäste geladen wurden, und Abends sollten alle Häuser der Stadt und das Schloß und alle Gärten am Schloß erleuchtet und überall Feuerwerke abgebrannt werden. Also geschah es auch. Als nun die Kirche aus war, da führte die Königin ihren Sohn in den Garten und plauderte ihm gar süß vor, so daß er gar nicht bemerkte, daß sie stets weiter von dem Schloß abkamen. Endlich standen sie ehe er sich's versah, an einem Wasser, das war so groß, daß man das andere Ufer nicht sehen konnte, und am Ende lag ein prächtiges Schiff. 'Ach welch ein schönes Haus da auf dem Wasser schwimmt', rief der Prinz, der noch nie ein Schiff gesehen hatte. 'Du siehst das Haus nur von außen,' sprach die Königin, 'von innen ist es noch viel schöner, als unser Schloß.' 'Ach das möchte ich sehen!' sprach der Jüngling und da führte sie ihn auf das Schiff und ging mit ihm aus einem Zimmer in das andere und setzte sich in jedem nieder. Als sie so ein paar Stunden auf dem Schiffe zugebracht hatten, sagte der Prinz: 'Liebe Mutter, jetzt wird das Mahl bald beginnen, darum müssen wir eilen, daß wir nach Hause kommen, damit mein Vater und die Gäste nicht auf uns warten müssen.' 'Es hat noch Zeit' antwortete die Königin, aber er wollte fort und stieg hinauf auf das Verdeck. Wie erschrak der Prinz aber, als er von dem Garten keine Spur und ringsum nur Himmel und Wasser sah. Die Königin hatte nämlich mit dem Schiffmann ausgemacht, daß er am Schloßgarten zu der bestimmten Stunde halten und sobald sie auf dem Schiffe wären, die Anker lösen müsse, um sie in ein anderes Land zu fahren. Der Prinz lief vor Schrecken außer sich zu seiner Mutter und rief: 'Mutter, das schwimmende Haus ist ein Räuberhaus und die Räuber haben uns entführt.' ' Sei ruhig, mein Sohn,' sprach die Königin, 'ich wollte dich nur ein wenig erschrecken, bald kommen wir schon wieder an das Land.' Darin hatte sie wohl recht, es dauerte nicht lange, da sah der Prinz ein schwarzes Pünktchen in der Ferne, das wurde immer größer und als sie näher kamen, war es ein prächtiger Eichenwald. Das Schiff fuhr gerade darauf zu und legte an, die Königin nahm ihren Sohn bei der Hand und sprach: 'Hier steigen wir aus und du wirst schon bald zufrieden gestellt sein.' Also traten sie ans Land und gingen in den schönen Wald. Der Prinz frug wohl oft, ob das denn auch noch ein Lustgarten von des Königs Schloß sei und ob sie nun bald zu Hause wären, doch wußte sie ihn immer abzuschweigen, bis sie an einen freien Platz kamen. Da sprach sie: 'Lieber Sohn, ich bin müde, laß uns hier ein wenig ausruhen.' Als sie nun so neben einander im Grast lagen, da küßte sie ihn und sprach ihm von ihrer Liebe, sagte ihm auch, daß sie ihn entführt habe und jetzt müsse er ihr Gemahl werden, wenn sie nicht auf der Stelle sterben solle. Aber der Prinz verwies ihr streng dieß schändliche Begehren und sprach: 'Liebe Mutter, gedenke der großen Sünde, welche wir beide thäten, das kann nun und nimmermehr geschehen.' Dabei blieb er auch standhaft, wie viel die Königin ihm auch noch vorschwatzte. Als sie nun sah, daß Alles vergebens war, da faßte sie einen Haß auf ihn, der war eben so groß und noch größer, als ihre Liebe gewesen war. Sie ließ sich aber nichts merken und that so freundlich, wie zuvor, sprach, sie habe seine Tugend nur auf die Probe stellen wollen. Nachdem sie nun ausgeruht hatten, gingen sie zusammen weiter in dem Walde bis gegen Abend; da öffnete sich der Forst und sie sahen in der Ferne ein hohes, schönes Schloß liegen. Der Prinz sprach: 'Liebe Mutter, bleibe du hier zurück, ich will zuerst in das Schloß gehn und sehen, wer da wohnt; wenn es kein Räuberhaus ist, dann hole ich dich bald wieder ab.' Sie war damit zufrieden und er ging hin. Die Thore standen offen, er kam in den Hof und in die Zimmer, aber alle Leute, welche er sah, lagen im tiefsten Schlaf, die Bedienten und die Kammerjungfern, Koch und Köchin, Stallknecht und Viehmagd. Nachdem er fast das ganze Schloß durchwandert hatte, kam er zuletzt in einen hohen und herrlichen Saal, darin stand in der Mitte ein runder goldner Tisch und auf dem Tische lag ein weißes Hemd und ein goldner Ring. Rund um den Tisch, lief aber eine silberne Schrift, welche hieß: 'Wer dieses Hemd anzieht, der kann das Schwert an der Wand regieren. Wer diesen Ring in den Mund nimmt, versteht die Sprache der Vögel.' Er schaute auf, da sah er an der Wand ein mächtiges, breites Schwert und da er in den Waffen sehr geübt war, wollte er es nehmen und ein paar Kreuzhiebe durch die Luft machen, aber er konnte es nicht einmal heben und vom Nagel langen. Da zog er das weiße Hemd an und steckte den Ring an den Finger; sogleich war ihm, als würde er ein ganz andrer Mensch und als flösse ganz neues, frisches Blut in seinen Adern. Er sprang in einem Satz an die Wand, faßte das Schwert und schwang es, wie einen Zierdegen, deßgleichen die Hofherren zu tragen pflegen. In demselben Augenblick hörte er in dem Schloß ein Laufen und Rennen, als wenn Hunderte von Leuten durcheinander liefen, die Thür flog auf und drei Diener in prächtigen Anzügen kamen herein und fragten: 'Was befiehlt unser König und Herr?' Im ersten Augenblick stutzte der Prinz, aber er faßte sich bald und sprach: 'Es soll der schönste Wagen an den Wald fahren und meine Mutter abholen.' Die Diener verneigten sich und eilten fort. Jetzt sah er sich weiter in dem hohen Saale um und fand in einer Ecke ein Bett, das stand hinter einem Vorhang und darin schlief ein alter Mann mit grauen Haaren, aber mit einem falschen Gesicht, aus welchem man nicht viel Gutes herauslas. Der Prinz versuchte ihn zu wecken, aber der Greis brummte nur so etwas in den weißen Bart hinein, dann wandte er sich auf die andere Seite und schlief wieder ein. Jetzt kam seine Mutter an und freute sich recht über das schöne Schloß, darin sie nun wohnen sollte, aber in ihrem bösen Herzen brütete sie über der Rache und dachte Tag und Nacht nur nach, wie sie den guten Prinzen verderben könne. Sie that aber nur um so freundlicher gegen ihn und sagte ihm jeden Tag aufs neue vor, wie sie so glücklich sei, einen solchen Sohn zu haben und daß sie ihn mehr liebe, als Alles in der Welt. Als der Prinz schon ein paar Tage in dem Schlosse gewesen war, ging er eines Tages auf dem Wall spazieren. Da hörte er ein jämmerliches Aechzen und Stöhnen, das lautete grade, als käme es aus der Erde. Er schwang sein Schwert, da kamen die Diener und er frug sie, woher diese Töne kämen und wer also ächze. Die Diener sprachen: 'Wir wissen es nicht, das weiß nur der Greis, welcher in dem Saale schläft, denn er hat die Schlüssel zu den unterirdischen Gängen.' Der Prinz befahl ihnen, den Greis zu holen, allein der wollte nicht hervor, bis der Prinz ihm drohen ließ, er werde ihn mit Gewalt holen lassen. Da kam er und brachte ein Bund Schlüssel. Er rückte an einem Stein in der Mauer, da erschien eine kleine Thüre, welche er aufschloß und die in einen dunkeln Gang führte. 'Geht nun hinein' sprach er mürrisch zu dem Prinzen, doch dieser hütete sich wohl und zwang den Greis, voran zu gehn. Je weiter sie in dem Gange kamen, um so näher lautete das Aechzen. Endlich, standen sie vor einer zweiten eisernen Thür und als der Greis auch diese aufschloß, war da ein halbfinsteres Loch, worin das schmuzige Wasser und alle Unreinlichkeit aus dem Schlosse zusammenfloß. In diesem schrecklichen Aufenthalt saß ein Mädchen, dem die Kleider am Leibe fast verfault waren. AIs es den Greis erblickte, rief es: 'Gehe nur weg oder gib mir den Tod, damit meine Qualen ein Ende nehmen.' Da trat der Prinz hervor aus dem dunkeln Gange, und befahl dem Greise, das Mädchen herauszuführen. Er zögerte Anfangs, aber da hob der Prinz sein Schwert und nun folgte er dem Befehl. Die Jungfrau aber rief flehentlich: 'Ach führet mich nicht an das Licht des Tages, bevor ich Kleider habe, oder lasset mich hier sterben.' Der Prinz tröstete sie mit freundlichen Worten und sprach: 'Ihr seit gerettet aus eurer Höhle, und sollt Alles haben, was ihr begehrt.' Dann trieb er den Greis ins Schloß zurück und schickte der Jungfrau zwei Dienerinnen mit Wasser zum Waschen, mit schönen Kleidern und mit guter kräftiger Nahrung, damit sie sich ein wenig erhole. Ueber eine Weile trat sie aus dem dunkeln Gang hervor und wie war sie so schön. Ihre Haare waren so goldig, als ob sie der Sonne ihre Strahlen genommen hätte, um ihr Haupt damit zu zieren und ihre Augen waren so blau, wie der Himmel am Abend, ihr Gesicht war aber grade, als ob es mit Lilien und Rosen bemalt wäre. Der Prinz war so entzückt, als er sie sah, daß er sich nicht halten konnte und auf sie zueilte, um ihr die Hand zum freundlichen Gruße zu bieten. Er nahm sie mit sich in das Schloß, da frug er sie, woher sie sei und wie sie in das schreckliche Gefängniß komme. Sie erzählte ihm: 'Ich bin eine Königstochter und meines Vaters Königreich liegt weit jenseits der See. Eines Tages ging ich mit meinen Dienerinnen am Ufer der See spazieren, da kam plötzlich ein Schiff mit Seeräubern, welche mich raubten und auf ihr Schiff schleppten. Sie verkauften mich dem falschen Greis, welcher damals in diesem Schlosse herrschte und dieser ließ mir nun Tag und Nacht keine Ruhe und wollte, ich solle seine Gemahlin werden. Als ich aber seine Hand verschmähte und nichts mit ihm wissen wollte, da warf er mich in jenes schreckliche Loch, wo er mir nur alle drei Tage Brod und Wasser brachte und mich dabei fragte, ob ich meinen Sinn bald ändere. Da ich das nicht wollte, so ließ er mich dort, bis ich in den Zustand kam, in welchem ihr mich gefunden habt.' Da nun Mitleid und Liebe gute Freundschaft halten und der Prinz schon gleich als er sie gesehen für sie eingenommen war, so entbrannte er nun in heißer Liebe zu ihr und sprach: 'Habet ihr des Greises Hand verschmäht, so biete ich euch nun die meine an, denn ohne euch kann ich nicht mehr leben und wenn ihr nicht meine Gattin werden wollt, so will ich nie eine andere Frau.' Der schönen Prinzessin gefiel der Prinz besser als der Greis, sie sprach in ihrer Unschuld: 'Ich habe euch so lieb, daß ich nie einen andern zum Gemahl möchte, als euch.' Da küßten sie einander und sprangen fröhlich herum und zu der alten Königin. Der war es natürlich ein Stich durchs Herz, als sie das hörte und jetzt haßte sie den Prinzen doppelt und dreifach. Sie sprach mit heuchlerischer Miene: 'Ach wie freue ich mich, daß du eine so schöne und tugendhafte Jungfrau gefunden hast, mein Sohn, und ich eine so schöne Schwiegertochter. Wenn mir selbst das größte Glück auf der Welt zugefallen wäre, könnte ich nicht so froh sein, wie ich jetzt bin. Nun macht auch bald Hochzeit, meine lieben Kinder, ich sorge für Alles; seit nur recht glücklich, dann bin ich es auch.' Und sie umarmte den Prinzen und die schöne Jungfrau und drückte sie an sich, aber heimlich dachte sie in ihrem Herzen: Wartet nur, ich wills euch eintränken! Da sprach die Jungfrau: 'Die Hochzeit halten wir nicht hier, die muß bei meinen Aeltern gefeiert werden, nach denen ich mich gar sehr sehne und die um mich in großen Sorgen sind. Lasset mich zu ihnen gehn, dann kommt mein Bräutigam nach.' Die Königin sprach: 'Jetzt habe ich dich noch lieber, weil du eine so liebevolle Tochter bist. Thue also; binnen Jahr und Tag komme ich mit meinem lieben Sohne dir nach und wir feiern die Hochzeit in Lust und Freuden.' Heimlich dachte sie aber: 'Bist du nur erst aus dem Wege, mit ihm will ich schon fertig werden. Rasch ließ der Prinz ein Schiff ausrüsten und binnen drei Tagen fuhr die Prinzessin ab. Die alte Königin aber hatte den Schiffscapitän bestochen, er müsse machen, daß ihn die Prinzessin heirathe, gehe es nun wie es wolle. Als das Schiff auf hoher See war, kam der Capitän zu ihr und wollte ihre Liebe und Gunst gewinnen, aber sie wies ihn erzürnt zurück. Da sprach er: 'Eins von Beiden mögt ihr euch wählen: wollt ihr mich zum Mann und dem König eurem Vater sagen, ich habe euch gerettet, oder wollt ihr ins Meer geworfen werden? Ihr habt drei Tage Bedenkzeit.' Als sie wieder allein war, warf sie sich auf ihre Kniee nieder und bat Gott um Rettung aus dieser neuen Noth und Gefahr. Da kam ihr ein guter Gedanke und als der Capitän am dritten Tage wieder vor sie trat und frug, wozu sie nun entschlossen sei, sprach sie: 'Jahr und Tag will ich Frist haben, dann mag die Hochzeit sein.' Damit war der Capitän zufrieden. Als sie ans Land kamen führte er sie zu ihren Aeltern, erzählte ihnen, wie er sie aus einer finstern Höhle gerettet habe und begehrte ihre Hand. Der König und die Königin waren so froh, ihr Kind wieder zu haben, daß sie alsbald einwilligten, und über Jahr und Tag sollte die Hochzeit gehalten werden. Da sprach die Jungfrau: "Als ich in meiner Höhle lag habe ich ein Gelübde gethan, das muß ich jetzt halten. Ich habe gelobt, wenn ich erlöst würde, Jahr und Tag ein Wirthshaus an offener Straße zu halten, darin sollte jeder arme Wanderer und Pilger ein freies Unterkommen finden und ich selber wolle sie bedienen.' Der König war sehr dagegen, sprach, das schicke sich nicht für eine Prinzessin aus königlichem Stamme, aber die Königin sagte: ' Was man Gott dem Herrn verspricht, das darf man nicht brechen, sonst folgt die Strafe auf dem Fuße. Richte ihr ein Wirthshaus ein und laß sie darin hanthieren, wie sie gelobt hat, es wird ihr Schaden nicht sein.' Da wurde das Wirthshaus gebaut und mancher arme Reisende und Pilger fand da Labung und segnete die fromme Königstochter und betete zu Gott, daß er es ihr lohnen möge. Jetzt wollen wir sie in dem Wirthshaus lassen und sehen, wie es dem Prinzen erging. Als die Prinzessin weg war und die falsche Königin gar nicht wußte, wie sie den Prinzen verderben könne, offenbarte sie sich zuletzt dem Greise und der war gleich bei der Hand, ihr dabei zu helfen, nur mußte sie ihm versprechen, seine Gemahlin zu werden und das that sie gern. Er sprach': 'Siehe zu, daß er in die Löwengrube gehe, welche in dem Schloßgraben ist, dann werden ihn die Löwen zerreißen.' Da legte sich die Königin auf ihr Bett und that, als sei sie todkrank. Der Prinz war in tiefer Bekümmerniß um sie und frug eines über das anderemal, womit ihr wohl geholfen werden könne? Sie sprach: 'Ach lieber Sohn mir kann geholfen werden, aber es ist Gefahr dabei und du konntest leicht dabei zu Schaden kommen, da möchte ich jedoch lieber sterben, als daß dir etwas zu Leide geschähe.' 'Ich kenne keine Gefahr, liebste Mutter,' sprach der Prinz, 'wenn es um dein Leben geh