Die eisernen Stiefel
Ein König hatte ein großes Schloß, darin wohnte er mit seiner Frau. Sie waren aber gar nicht glücklich darin, denn sie hatten wohl Reichtümer genug, Dienerschaft die Menge und große Ställe voll Pferde, aber das Beste und Schönste fehlte ihnen, sie hatten keine Kinder. Das machte ihnen ihr Leben recht bitter und das Herz oft so schwer, daß sie weinen mußten. Aber es schien ihnen noch viel mehr Trübsal und Leid bestimmt, denn eines Tages brach ein großes Feuer aus, welches das ganze Schloß verzehrte. Der König und die Königin kamen zwar mit dem Leben davon, aber von all ihren Schätzen und all ihrer Habe retteten sie nur eine eiserne Kiste voll Gold. Damit bauten sie das schöne Schloß wieder auf, aber die Freude währte nicht lange. Ein zweiter Brand verschlang das neue Schloß und es wurde nichts gerettet, als die eiserne Kiste, die aber war leer. So war der König plötzlich so arm geworden, wie der ärmste Mann in seinem Lande, und noch ärmer, denn ein armer Mann kann wenigstens arbeiten und sich sein Brod verdienen, das aber konnte der König nicht. Seine Diener und Hofherren waren im Nu wie fortgeblasen, denn in's Königs Haus geht nicht viel Treue ein und aus und ein König kann noch viel eher sagen als unser eins: der Freunde in der Noth gehn hundert auf ein Loth. Da nahm er seine Frau an der Hand und die Beiden gingen tief betrübt in den Wald. Da stand ein verlassenes Hirtenhäuschen, dies bezogen sie und wirthschafteten darin, wie geringe Leute. Der König trug selbst sein Brennholz nach Hause und die Königin machte selber Feuer an und kochte Suppe und Kartoffeln. Das war sehr ungewohnte Arbeit für sie, darum wurde es ihnen Anfangs recht sauer, aber nach und nach gings immer besser und sie hatten sich mit jedem Tage lieber, viel lieber als da, wo sie noch auf dem Throne saßen und Alles vollauf hatten. Eines Tages, als der König im Walde Holz fällte, trat ein fremder unbekannter Mann zu ihm, der frug ihn, wie es ihm gehe? 'Nicht allzugut' sprach der König. 'Es will immer noch nicht so recht vorwärts mit der Arbeit.' Sprach der Fremde: 'Ihr habt nicht nöthig zu arbeiten, ihr könnt es besser haben, das liegt nur an euch.' 'Wie meint ihr das?' 'Wenn ihr mir schriftlich versprecht, was ihr nicht wißt, dann fülle ich euch eure eiserne Kiste mit Gold.' Der König dachte: Was ich nicht weiß, macht mir nicht heiß und gab dem Fremden das Versprechen auf ein Stück Papier. Der aber lachte boshaft und sprach: 'Dann lasset Beil und Holz nur hier liegen und geht nach Hause.' Als der König nach Hause kam, sprang seine Frau ihm schon von weitem entgegen und rief: 'Ein Glück kommt selten allein, denke dir, die eiserne Kiste ist voll Gold und was wir uns seit Jahren schon gewünscht haben, unser größtes Glück das sollen wir auch bekommen.' Wie war der König da so froh! Er ließ alsbald alle möglichen Handwerker kommen, Maurer und Zimmermann, Schlosser und Schreiner und es dauerte nicht lange, da stand an der Stelle des Hüttchens das schönste Schloß von der Welt im Walde. Noch wohnte er keine drei Wochen darin, da erfüllte sich auch das andere Glück, denn die Königin genas eines schönen Söhnchens; so daß dem Könige nichts zu wünschen übrig blieb. Am folgenden Tage ließ sich ein fremder Mann bei dem König melden. Als derselbe hereintrat, begrüßte ihn der König mit vieler Freude und wollte ihm von seinem Glück erzählen, aber der Fremde sprach: 'Ich weiß schon Alles, dein Sohn ist ja das, was du mir versprochen hast, ohne es zu wissen. Sobald er fünfzehn Jahre alt ist, muß er in den Wald kommen, da wo ich dich gefunden habe, da will ich ihn holen und mit mir nehmen.' Mit den Worten war der Fremde verschwunden, der König stand aber da, wie vom Donner gerührt. Da lagen nun alle seine Hoffnungen und viel lieber wäre er wieder im Waldhäuschen gewesen, als in seinem großen und prächtigen Schloß, denn um den Preis hatte er ja seinen Sohn verkauft. In der ersten Zeit sagte er der Königin nichts davon, als sie es aber später erfuhr, da weinte sie Tag und Nacht und wollte sich nicht trösten lassen. Der König suchte sie zu beruhigen und sagte: 'Wer weiß, ob es nicht besser geht, als wir glauben. Es wird sich wohl ein Mittel finden, unser Kind zu retten. Warum sollen wir uns jetzt schon darüber quälen und uns alle Freude verbittern; Gott wird schon helfen, wenn wir das Unsrige thun.' Eine Zeit lang schlugen diese Reden wenig an, später aber wurde die Königin immer ruhiger und endlich ganz heiter, denn sie hatte Gott Alles anheim gestellt. Als das Kind größer wurde, gaben es die Aeltern einem frommen Priester zur Erziehung, daß er es in Allem unterrichte, was ein Prinz wissen muß. Sie verschwiegen ihm zwar, was es mit dem Knaben für eine gefährliche Bewandtnis hatte, denn der König schämte sich zu sagen, daß er sich mit dem Teufel eingelassen habe und sich von ihm betrügen lassen, doch der Priester merkte es dem Kinde alsbald an, daß es dem Bösen verschrieben und verkauft war. Darum erzog er den Knaben vor Allem in der Gottesfurcht, ließ es aber dabei an andern Künsten und gelehrten Dingen nicht fehlen. Als der Knabe das vierzehnte Jahr erreicht hatte, sprach er zu ihm: 'Gehe zu deinen Aeltern und frage sie, an welchem Tage du in dem Walde sein mußt, da wo dein Vater stand, als ihm der fremde Mann zuerst erschienen ist, und bringe mir Antwort um jeden Preis.' Der Knabe ging in das Schloß und frug zuerst seine Mutter, dann seinen Vater, doch Beide wollten es ihm nicht sagen, bis er sie bedrohte; da gestand der König Alles, wie es war, und daß er an feinem fünfzehnten Geburtstage auf der Waldwiese sein müsse. Getrost kehrte der Prinz zurück, denn er fürchtete sich vor nichts; er blieb nun bei seinem Lehrer, dem er Alles wieder erzählte, und während des ganzen Jahres war nicht einmal die Rede von dem Abenteuer, welches ihm bevorstand. Am Morgen seines fünfzehnten Geburtstages trat der Prinz zu dem Priester und sprach: 'Ich komme, um Abschied von euch zu nehmen und euch für Alles zu danken, was ich hier gelernt habe. Mit Gottes Hülfe werde ich wol des Teufels Meister werden.' 'Das geht nicht so leicht,' sagte der Priester; 'wenn du mir aber folgen willst, kann es dir nicht fehlen.' Er gab ihm einen Stab und unterrichtete ihn in Allem, was er zu thun hatte, begleitete ihn noch bis zum Rande des Waldes und schied von ihm mit seinem Segen und vielen guten Wünschen. Der Prinz schritt wacker zu und kam bald an den Platz, wo er des Bösen warten sollte. Er schaute sich nach allen Seiten um, aber da war nichts zu hören noch zu sehn. Der Wald lag todtenstill da, kein Vogel sang darin, nur manchmal raschelte ein Eichhörnchen durch die Zweige oder ein Reh lief scheu vorüber. Da fing ihm wohl das Herz an zu pochen, doch faßte er all seinen Muth zusammen und sang ein frisches frommes Lied. Da schollen plötzlich helle Töne, wie von vieler Musik aus der Luft, Trommeln und Pfeifen, Hörner und Geigen. Er schaute empor, da fuhr ein Schiff durch die Luft daher und auf ihn zu, darin saß eine Menge von Teufeln, die musizierten und sangen und schrieen dazwischen: 'Die Zeit und Stunde die ist aus, Ferdinand, Ferdinand komm herauf!' Dabei streckten sie die Klauen nach ihm aus, um ihn zu greifen, aber er nicht faul schlug ihnen mit dem Stabe drauf, da heulten sie ganz erbärmlich und fuhren weiter, als ob ein Gewitter hinter ihnen drein gewesen wäre. Der Prinz athmete frisch auf, doch nicht lange, denn da kam ein zweites Schiff gefahren, darin saßen noch viel ärgere und größere Teufel als in dem ersten; sie machten eine so durchdringende Musik, daß er sich fast die Ohren zuhalten mußte und schrieen: 'Die Zeit und Stunde die ist aus, Ferdinand, Ferdinand komm herauf!' griffen auch mit ihren Klauen und Krallen nach ihm. Er theilte ihnen aber so gründliche Schläge aus, daß sie heulend zurückfuhren und das Schiff schoß weiter, wie ein Pfeil vom Bogen. Jetzt war des Prinzen Muth gewachsen, denn da er die zwei Schiffe voll Teufel bestanden hatte, meinte er auch das dritte noch bestehen zu können, wenn ja ein solches noch kommen sollte. Nun kam zwar kein Schiff weiter, doch sein Muth litt eine noch härtere Probe. Es fuhr nämlich ein goldner Wagen heran, der mit feurigen Pferden bespannt war, daraus erscholl eine so sinnverwirrende Musik, daß Ferdinand seiner Besinnung nur schwer Meister blieb. Wie in den Schiffen, so saßen auch in dem Wagen Teufel die Menge, zu oberst aber der Altteufel, der lehnte sich weit aus dem Wagen heraus und rief mit gräulicher Stimme: 'Die Zeit und Stunde die ist aus, Ferdinand, Ferdinand komm herauf!' Dabei hielt er dem Prinzen das Papier vor, welches der König unterschrieben hatte. Ferdinand nahm aber all feine Kraft zusammen und schlug den Altteufel, als derselbe nach ihm greifen wollte, mit dem Stabe tüchtig auf seine Pfote. Da ließ er die Handschrift fallen und schrie,' daß der ganze Wald widerhallte; die Pferde schnaubten Feuer und der Wagen zischte durch die Luft dahin schneller wie der Blitz. Nun stand Ferdinand allein im Walde da, aber sein Herz war leicht und fröhlich und auch der Wald wurde jetzt lebendig; wie nach einem schweren Gewitter, so kamen die Vöglein aller Orten hervor und sangen und jubilirten, die Hirsche und Rehe sprangen munter daher, als hätten sie gar keine Scheu vor ihm und das Bächlein hüpfte frisch über die weißen Kiesel. Der Prinz eilte zu seinem Lehrer zurück, welcher ihn mit banger Spannung erwartete und sich gar sehr freute, ihn wiederzusehn. 'Du bist zu großen und schönen Dingen berufen,' sprach der Priester da, 'darum kannst du nicht länger bei mir bleiben und mußt nun fort in die Welt.' Der Prinz erwiederte: 'Nun ich mit dem Teufel fertig geworden bin, habe ich eine wahre Sehnsucht in mir nach dem Himmelreich, darum bitte ich euch, daß ihr mir ferner helfet Und saget, wie ich dahin gelangen kann.' 'Davon kann ich dir wenig sagen,' sprach der Priester. ' Gehe aber im Walde fort, bis du an das große Wasser kommst, welches jenseits desselben liegt; da wohnt ein Einsiedel, der kann dir mehr davon sagen, wie ich.' Da nahm Ferdinand Abschied von dem Priester und wanderte in den Wald hinein. Er hatte schon manchen Schritt und Tritt gethan, da wurde es eines Tages lichter und immer lichter, der Wald öffnete sich vor ihm und er kam an ein großes Wasser, dessen Ende er gar nicht absehen konnte. Am Ufer lag ein Hauschen von Holz und Moos mit einem Kreuzchen drauf, da klopfte er an. Die Thür ging auf und der Einsiedel mit seinem langen grauen Bart und der braunen Kutte trat heraus. Der Prinz grüßte ihn bescheidentlich und fragte ihn: 'Könnt ihr mir sagen, wie ich den Weg zum Himmelreich finde?' Der Einsiedel antwortete: 'Ich kann dir das nicht sagen, ich wohne schon dreihundert Jahre hier und sah in all der Zeit keinen Menschen; aber mein Bruder weiß es wohl, der wohnt dreihundert Meilen von hier, jenseits de