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Ich war zu Tod betrübt und sah doch, dass er recht hatte. Voll Heimweh dachte ich an Brigitte und an die Heimat und an alles, was eben noch nahe und licht und mein gewesen war, und was ich nun verloren hatte. Aber jetzt wollte ich den Platz des Fremden nehmen und das Steuer führen. So musste es sein.

Darum stand ich schweigend auf und ging durch das Schiff zum Steuersitz, und der Mann kam mir schweigend entgegen, und als wir beieinander waren, sah er mir fest ins Gesicht und gab mir seine Laterne.

Aber als ich nun am Steuer saß und die Laterne neben mir stehen hatte, da war ich allein im Schiff, ich erkannte es mit einem tiefen Schauder, der Mann war verschwunden, und doch war ich nicht erschrocken, ich hatte es geahnt. Mir schien, es sei der schöne Wandertag und Brigitte und mein Vater und die Heimat nur ein Traum gewesen, und ich sei alt und betrübt und sei schon immer und immer auf diesem nächtlichen Fluss gefahren.

Ich begriff, dass ich den Mann nicht rufen dürfte, und die Erkenntnis der Wahrheit überlief mich wie ein Frost.

Um zu wissen, was ich schon ahnte, beugte ich mich über das Wasser hinaus und hob die Laterne, und aus dem schwarzen Wasserspiegel sah mir ein scharfes und ernstes Gesicht mit grauen Augen entgegen, ein altes, wissendes Gesicht, und das war ich.

Und da kein Weg zurückführte, fuhr ich auf dem dunkeln Wasser weiter durch die Nacht.

(1913)
Fragen

1. Wohin wollte der Held am Anfang des Märchens gehen? 2. Was hat dem Helden sein Vater geschenkt?

3. Was verstand sein Vater von Musik?

4. Wie hieß das Mädchen und wohin ging sie?

5. Wo war das Schiff gewesen, mit dem der Held fuhr?

6. Was fühlte der Held in der Musik des Unbekannten?

7. Wer war dieser Unbekannte, wie meinen Sie?

Augustus

In der Mostackerstraße wohnte eine junge Frau, die hatte durch ein Unglück bald nach der Hochzeit ihren Mann verloren, und jetzt saß sie arm und verlassen in ihrer kleinen Stube und wartete auf ihr Kind[7], das keinen Vater haben sollte. Und weil sie so ganz allein war, so verweilten immer alle ihre Gedanken bei dem erwarteten Kinde, und es gab nichts Schönes und Herrliches und Beneidenswertes, was sie nicht für dieses Kind ausgedacht und gewünscht und geträumt hätte. Ein steinernes Haus mit Spiegelscheiben und einem Springbrunnen im Garten schien ihr für den Kleinen gerade gut genug, und was seine Zukunft anging, so musste er mindestens ein Professor oder König werden.

Neben der armen Frau Elisabeth wohnte ein alter Mann, den man nur selten ausgehen sah, und dann war er ein kleines, graues Kerlchen mit einer Troddelmütze und einem grünen Regenschirm, dessen Stangen noch aus Fischbein gemacht waren wie in der alten Zeit. Die Kinder hatten Angst vor ihm, und die Großen meinten, er werde schon seine Gründe haben, sich so sehr zurückzuziehen. Oft wurde er lange Zeit von niemand gesehen, aber am Abend hörte man zuweilen aus seinem kleinen, baufälligen Hause eine feine Musik wie von sehr vielen kleinen, zarten Instrumenten erklingen. Dann fragten Kinder, wenn sie dort vorübergingen, ihre Mütter, ob da drinnen die Engel oder vielleicht die Nixen sängen, aber die Mütter wussten nichts davon und sagten: »Nein, nein, das muss eine Spieldose sein.«

Dieser kleine Mann, welcher von den Nachbarn als Herr Binßwanger angeredet wurde, hatte mit der Frau Elisabeth eine sonderbare Art von Freundschaft. Sie sprachen nämlich nie miteinander, aber der kleine, alte Herr Binßwanger grüßte jedesmal auf das freundlichste, wenn er am Fenster seiner Nachbarin vorüber-kam, und sie nickte ihm wieder dankbar zu und hatte ihn gern, und beide dachten: Wenn es mir einmal ganz elend gehen sollte, dann will ich gewiss im Nachbarhaus um Rat vorsprechen. Und wenn es dunkel zu werden anfing und die Frau Elisabeth allein an ihrem Fenster saß und um ihren toten Liebsten trauerte oder an ihr kleines Kindlein dachte und ins Träumen geriet, dann machte der Herr Binßwanger leise einen Fensterflügel auf, und aus seiner dunkeln Stube kam leis und silbern eine tröstliche Musik geflossen wie Mondlicht aus einem Wolkenspalt. Hinwieder hatte der Nachbar an seinem hintern Fenster einige alte Geranienstöcke stehen, die er immer zu gießen vergaß und welche doch immer grün und voll Blumen waren und nie ein welkes Blatt zeigten, weil sie jeden Tag in aller Frühe von Frau Elisabeth gegossen und gepflegt wurden.

Als es nun gegen den Herbst ging[8] und einmal ein rauher, windiger Regenabend und kein Mensch in der Mostackerstraße zu sehen war, da merkte die arme Frau, dass ihre Stunde gekommen sei, und es wurde ihr angst, weil sie ganz allein war. Beim Einbruch der Nacht aber kam eine alte Frau mit einer Handlaterne gegangen, trat in das Haus und kochte Wasser und legte Leinwand zurecht und tat alles, was getan werden muss, wenn ein Kind zur Welt kommen soll. Frau Elisabeth ließ alles still geschehen, und erst als das Kindlein da war und in neuen feinen Windeln seinen ersten Erdenschlaf zu schlummern begann, fragte sie die alte Frau, woher sie denn käme.

»Der Herr Binßwanger hat mich geschickt«, sagte die Alte, und darüber schlief die müde Frau ein, und als sie am Morgen wieder erwachte, da war Milch für sie gekocht und stand bereit, und alles in der Stube war sauber aufgeräumt, und neben ihr lag der kleine Sohn und schrie, weil er Hunger hatte; aber die alte Frau war fort. Die Mutter nahm ihren Kleinen an die Brust und freute sich, dass er so hübsch und kräftig war. Sie dachte an seinen toten Vater, der ihn nicht mehr hatte sehen können, und bekam Tränen in die Augen, und sie herzte das kleine Waisenkind und musste wieder lächeln, und darüber schlief sie samt dem Büblein wieder ein, und als sie aufwachte, war wieder Milch und eine Suppe gekocht und das Kind in neue Windeln gebunden.

Bald aber war die Mutter wieder gesund und stark und konnte für sich und den kleinen Augustus selber sorgen, und da kam ihr der Gedanke, dass nun der Sohn getauft werden müsse und dass sie keinen Paten für ihn habe. Da ging sie gegen Abend, als es dämmerte und aus dem Nachbarhäuschen wieder die süße Musik klang, zu dem Herrn Binßwanger hinüber. Sie klopfte schüchtern an die dunkle Türe, da rief er freundlich »herein!« und kam ihr entgegen, die Musik aber war plötzlich zu Ende, und im Zimmer stand eine kleine alte Tischlampe vor einem Buch, und alles war wie bei ändern Leuten.

»Ich bin zu Euch gekommen«, sagte Frau Elisabeth, »um Euch zu danken, weil Ihr mir die gute Frau geschickt habt. Ich will sie auch gerne bezahlen, wenn ich nur erst wieder arbeiten und etwas verdienen kann. Aber jetzt habe ich eine andere Sorge. Der Bub muss getauft werden und soll Augustus heißen, wie sein Vater geheißen hat; aber ich kenne niemand und weiß keinen Paten für ihn.«

»Ja, das habe ich auch gedacht«, sagte der Nachbar und strich an seinem grauen Bart herum. »Es wäre schon gut, wenn er einen guten und reichen Paten bekäme, der für ihn sorgen kann, wenn es Euch einmal schlechtgehen sollte. Aber ich bin auch nur ein alter, einsamer Mann und habe wenig Freunde, darum kann ich Euch niemand raten, wenn Ihr nicht etwa mich selber zum Paten nehmen wollet.«

Darüber war die arme Mutter froh und dankte dem kleinen Mann und nahm ihn zum Paten. Am nächsten Sonntag trugen sie den Kleinen in die Kirche und ließen ihn taufen, und dabei erschien auch die alte Frau wieder und schenkte ihm einen Taler, und als die Mutter das nicht annehmen wollte, da sagte die alte Frau: »Nehmet nur, ich bin alt und habe, was ich brauche. Vielleicht bringt ihm der Taler Glück. Dem Herrn Binßwanger habe ich gern einmal einen Gefallen getan[9], wir sind alte Freunde.«

Da gingen sie miteinander heim, und Frau Elisabeth kochte für ihre Gäste Kaffee, und der Nachbar hatte einen Kuchen mitgebracht, dass es ein richtiger Taufschmaus wurde. Als sie aber getrunken und gegessen hatten und das Kindlein längst eingeschlafen war, da sagte Herr Binßwanger bescheiden: »Jetzt bin ich also der Pate des kleinen Augustus und möchte ihm gern ein Königsschloss und einen Sack voll Goldstücke schenken, aber das habe ich nicht, ich kann ihm nur einen Taler neben den der Frau Gevatterin legen. Indessen, was ich für ihn tun kann, das soll geschehen. Frau Elisabeth, Ihr habt Eurem Buben gewiss schon viel Schönes und Gute gewünscht. Besinnt Euch jetzt, was Euch das Beste für ihn zu sein scheint, so will ich dafür sorgen, dass es wahr werde. Ihr habt einen Wunsch für Euren Jungen frei, welchen Ihr wollt, aber nur einen, überlegt Euch den wohl und wenn Ihr heut abend meine kleine Spieldose spielen hört, dann müsst Ihr den Wunsch Eurem Kleinen ins linke Ohr sagen, so wird er in Erfüllung gehen.«

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7

wartete auf ihr Kind – была беременна

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8

als es nun gegen den Herbst ging – однажды в начале осени

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9

Dem Herrn Binßwanger habe ich gern einmal einen Gefallen getan – Мне было приятно оказать услугу господину Бинсвангеру