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Es war ein schönes Haus, nicht viel kleiner als das, in dem der Empfang stattgefunden hatte. Soldaten hielten an den Toren Wache, und er vermutete, daß der Besitzer ein Regierungsamt innehatte. Er hatte versucht, kein solcher Narr zu sein, so naiv, daß er erwartete, jemand von Susannahs Herkunft könnte sich seiner mehr als flüchtig erinnern. In Falmouth war die Familie Bolitho sehr angesehen, ihr Land und Besitz gaben vielen Brot und Existenz. Die kürzlich erzielten Prisengelder hatten Bolitho zum erstenmal in seinem Leben ein Gefühl der Unabhängigkeit gegeben, so daß er den Sinn für Realität verloren hatte, wenn es um Leute wie Susannah Hardwicke ging. Ihre Familie gab wahrscheinlich in einer Woche mehr aus, als er verdient hatte, seit er Kommandant der Sparrow war. Sie war es gewöhnt zu reisen, auch wenn die anderen durch den Krieg oder fehlende Mittel daran gehindert wurden. Sicherlich kannte sie die wichtigsten Leute, und ihr Name wurde in den großen Häusern von London bis Schottland akzeptiert. Er seufzte. Er konnte sie sich nicht als Hausherrin von Falmouth vorstellen, beim Empfang von rotgesichtigen Farmern und ihren Frauen, bei der Teilnahme an den örtlichen Festen und dem rauhen Leben einer Gemeinschaft, die so naturverbunden lebte.

Farr schien seine Stimmung zu erraten und fragte:»Wie steht es mit dem Krieg, Bolitho? Wohin führt er uns?«Er schwenkte sein Glas.»Manchmal denke ich, wir werden immer weiter Patrouille fahren und hinter diesen verfluchten Schmugglern herjagen, bis wir vor Altersschwäche sterben.»

Bolitho stand auf und ging ruhelos zu den Fenstern. Es gab viele Beweise der Macht in der Nähe: Linienschiffe, Fregatten und alle anderen. Und doch schienen sie nur zu warten. Aber worauf?

Er sagte:»Cornwallis scheint entschlossen, Virginia wieder zurückzuerobern. Seine Soldaten machen ihre Sache gut, wie ich höre.»

«Das klingt nicht allzu zuversichtlich.»

Bolitho sah ihn an.»Die Armee ist auf Versorgung angewiesen. Sie kann sich nicht länger auf Unterstützung oder Verpflegung auf dem Landweg verlassen. Alles muß über das Wasser kommen. Das ist für eine Armee keine Basis zum Kampf.»

Farr grunzte.»Das geht uns nichts an. Sie machen sich zu viele Sorgen. Wir sollten nach Hause fahren und den Froschfressern tüchtig das Fell versohlen. Die verdammten Spanier würden bald nach Frieden schreien, und die Holländer mögen ihre sogenannten Verbündeten sowieso nicht. Dann könnten wir nach Amerika zurückkommen und es noch einmal versuchen.»

Bolitho lächelte:»Ich fürchte, wir würden an Altersschwäche sterben, wenn wir diesem Kurs folgten.»

Er hörte einen Anruf, das Kratzen eines Bootes längsseits. Er stellte fest, daß sein Verstand es registriert hatte, er aber entspannt, sogar gleichgültig geblieben war. Als er zuerst an Bord gekommen war, gab es keinen Laut und kein Vorkommnis, das nicht seine sofortige Aufmerksamkeit gefunden hätte. Vielleicht gelang es ihm endlich, seine Rolle als Kapitän zu akzeptieren?

Graves erschien mit einem vertrauten, versiegelten Umschlag in der Kajütentür.

«Wachboot, Sir. «Er warf einen Blick auf den Kommandanten der Heran. »Ich nehme an, die Befehle zum Auslaufen.»

Bolitho nickte.»Machen Sie weiter, Mr. Graves. Ich werde Sie sofort informieren.»

Der Leutnant zögerte.»Auch dieser Brief wurde abgegeben, Sir. «Er war klein, und die Handschrift wurde fast von einem Siegel verborgen: Büro der Militärregierung.

Als die Tür sich geschlossen hatte, fragte Farr heiser:»Graves! Ich hoffe, er ist kein verfluchter Verwandter unseres Admirals!»

Bolitho grinste. Da Rodney in den West Indies und noch immer durch Krankheit behindert war, hatte Konteradmiral Thomas Graves das Kommando in den amerikanischen Gewässern erhalten. Da ihm die Weisheit Rodneys fehlte, auch der harterkämpfte Respekt Hoods, wurde er von den meisten Offizieren der Flotte als ein fairer, aber vorsichtiger Kommandeur eingeschätzt. Er glaubte hundertprozentig ans strenge Reglement und es war nicht bekannt, daß er jemals auch nur ein Jota davon abgewichen wäre. Verschiedene ältere Kapitäne hatten Vorschläge zur Verbesserung des Signalsystems im Gefecht eingereicht. Graves hatte laut vieler Geschichten, die in der Flotte die Runde machten, dazu nur kalt gesagt:»Meine Kapitäne kennen ihre Aufgabe. Das sollte genügen.»

Bolitho erwiderte:»Nein. Aber wenn es so wäre, wüßten wir vielleicht mehr vom Geschehen.»

Farr stand auf und rülpste.»Guter Wein. Noch bessere Gesellschaft. Ich werde Sie jetzt Ihrer versiegelten Order überlassen. Wenn die Depeschen von allen Admiralen der Welt zusammengebunden würden, hätten wir genug, um den Äquator damit zu bedecken, das ist eine Tatsache! Zum Donnerwetter, manchmal meine ich, wir ersticken an Papier!»

Er stolperte aus der Kajüte und lehnte Bolithos Angebot ab, ihn nach oben zu begleiten.»Wenn ich nicht allein fertig werde, ist es Zeit, daß man mir eine Ladung Blei verpaßt und mich über Bord wirft!»

Bolitho setzte sich an den Tisch und öffnete den Leinenumschlag, obwohl seine Augen hauptsächlich auf dem kleineren ruhten.

Die Befehle waren kürzer als gewöhnlich. Da sie seeklar war, sollte die Korvette seiner Majestät, Sparrow, Anker lichten und am nächsten Tag in aller Frühe auslaufen. Sie würde eine unabhängige Patrouille ausführen, östlich zum Montauk Point an der Spitze von Long Island, und dann in Richtung Block Island bis zu den Ausläufern von Newport.

Er unterdrückte die aufsteigende Erregung und zwang sich, sich auf die spärlichen Erfordernisse der Patrouillenfahrt zu konzentrieren. Er sollte sich nicht mit feindlichen Kräften einlassen, außer auf eigene Verantwortung. Seine Augen ruhten auf den letzten Worten. Wie ihn dies an Colquhoun erinnerte! So kurz, und doch beinhaltete es die ganze Problematik seiner Position, falls er falsch handelte.

Aber endlich konnte man etwas Direktes tun, nicht nur Blockadebrecher aufspüren oder einen schlauen Freibeuter suchen. Dies war französisches Gebiet, der Zipfel der zweitgrößten Seemacht der Welt. Er sah, daß Konteradmiral Christie seine Unterschrift unter die krakelige des Flaggkapitäns gesetzt hatte. Wie typisch für diesen Mann. Ein Zeichen seines Vertrauens und der Reichweite seines Armes.

Er stand auf und klopfte an das Skylight.»Fähnrich der Wache!»

Er sah Bethunes Gesicht über sich und rief:»Empfehlung an den Ersten Leutnant, ich möchte ihn sofort sehen. «Er machte eine Pause.»Ich dachte, Sie hätten eine frühere Wache?»

Bethune schlug die Augen nieder.»Aye, Sir. Das stimmt, aber…»

Bolitho sagte ruhig:»In Zukunft gehen Sie Ihre Wachen wie festgelegt. Ich nehme an, Mr. Fowler hätte jetzt Wache gehabt?»

«Ich habe es mit ihm abgesprochen, Sir. «Bethune sah unsicher aus.»Ich schuldete ihm einen Gefallen.»

«Nun gut. Aber erinnern Sie sich an meine Befehle. Ich dulde keine pensionierten Offiziere auf diesem Schiff!»

Er setzte sich wieder. Es hätte ihm auffallen müssen, was vorging. Der arme Bethune war den Fowlers dieser Welt nicht gewachsen. Dann lächelte er trotz seiner Besorgnis. Er hatte gut reden.

Er schlitzte den zweiten Umschlag auf und stieß sich dabei am Tisch. Er las:

Mein lieber Kapitän, ich würde mich sehr freuen, wenn Sie heute abend mit uns speisen könnten. Ich bin unglücklich über diese nicht entschuldbare Verspätung und hoffe, daß Sie mir sofort vergeben werden. Während Sie diesen Brief lesen, beobachte ich Ihr Schiff durch das Fernglas meines Onkels. Damit ich nicht im Ungewissen bin, zeigen Sie sich bitte.

Der Brief war unterschrieben mit >Susannah Hardwicke<.

Bolitho erhob sich, schloß rasch seine Befehle in die Kajütenkassette ein und eilte die Niedergangsleiter hinauf.

Das Fernglas ihres Onkels? General Blundell war also auch da. Das mochte die Wachen an den Toren erklären.

Aber sogar diese Tatsache deprimierte ihn nicht. Er stieß fast mit Tyrell zusammen, als dieser nach vorn gehinkt kam, die Arme mit Schmierfett besudelt.