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«Bitte entschuldigen Sie, daß ich nicht hier war, als Sie mich rufen ließen, Sir. Ich war im Kabelgatt.»

Bolitho lächelte:»Sie haben wohl die Gelegenheit benützt, um nach Faulholz zu suchen?»

Tyrell rieb sich das Bein.»Aye. Aber es ist alles in Ordnung. Das Schiff ist so gesund wie ein Fisch im Wasser.»

Bolitho ging zu den Wanten und beschattete seine Augen vor dem starken Licht. Die fernen Häuser verloren sich fast im Dunst, ihre Umrisse zitterten und verschwammen ineinander, als ob sie in der Hitze schmolzen.

Tyrell sah ihn fragend an.»Ist etwas nicht in Ordnung, Sir?»

Bolitho beugte sich zu Bethune hinunter und nahm sein Fernrohr. Damit sah man auch nicht besser. Das Glas, das auf die Sparrow gerichtet wurde, war wahrscheinlich sehr stark. Langsam hob er den Arm und winkte.

Hinter ihm standen Tyrell und Bethune stocksteif, einer genauso bestürzt über das befremdliche Benehmen des Kapitäns wie der andere.

Bolitho drehte sich um und bemerkte Tyrells Gesicht.»Hm. Ich habe gerade jemandem gewunken.»

Tyrell sah an ihm vorbei auf die vor Anker liegenden Schiffe und geschäftigen Hafenarbeiter.»Verstehe, Sir.»

«Nein, Jethro, das tun Sie nicht, aber macht nichts. «Er schlug ihm auf die Schulter.»Kommen Sie mit hinunter, dann werde ich Ihnen sagen, was wir zu tun haben. Ich vertraue Ihnen heute abend das Schiff an, da ich an Land essen werde. «Ein breites Grinsen ging über das Gesicht des Leutnants.»Oh, ich verstehe, Sir!»

Sie studierten soeben die Karte und diskutierten die Segelbefehle, als sie Bethune schreien hörten:»Halt! Stillgestanden, der Mann!«Dann hörte man ein Aufklatschen und noch mehr Schreie auf dem Geschützdeck.

Bolitho und Tyrell eilten wieder auf Deck und fanden Bethune und die meisten wachfreien Leute an der Backbordreling oder in die Wanten geklammert.

Ein Mann schwamm im Wasser, seine Arme holten kräftig aus, und sein dunkles Haar glänzte in der Gischt und im Sonnenlicht. Bethune keuchte:»Es ist Lockhart, Sir! Er sprang über Bord, ehe ich ihn aufhalten konnte.»

Tyrell murmelte:»Ein guter Seemann. Machte niemals Schwierigkeiten. Ich kenne ihn gut.»

Bolitho betrachtete den Schwimmer.»Ein Einheimischer?»

«Aye. Er kam vor einigen Jahren aus Newhaven. Jetzt hat er es getan, der arme Teufel. «Es lag kein Ärger in Tyrells Stimme, höchstens Mitleid.

Bolitho hörte, wie die Männer in seiner Nähe ihre Vermutungen über die Chancen des Schwimmers äußerten. Es war weit zum Land.

Während seiner Zeit auf See hatte Bolitho viele Deserteure gekannt. Oft hatte er Sympathie für sie empfunden, auch wenn er ihre Taten für falsch hielt. Nur wenige meldeten sich freiwillig zum harten Dienst auf einem Schiff des Königs, vor allem da niemand mit Sicherheit wußte, ob er seine Heimat wiedersehen würde. Die Seehäfen waren voll von den Zurückgekehrten: Krüppel und Männer vor der Zeit gealtert. Aber bis jetzt hatte noch niemand einen besseren Weg gefunden, die Flotte zu bemannen. Sobald sie einmal gepreßt waren, akzeptierten die meisten Männer ihr Schicksal, man konnte sich sogar darauf verlassen, daß sie andere mit ähnlichen Methoden dazu bringen würden. Die alte Seemannsregeclass="underline" »Wenn ich hier bin, warum nicht auch er?«hatte auf Kriegsschiffen große Bedeutung.

Dies war aber ein anderer Fall. Der Seemann Lockhart schien nichts Außergewöhnliches zu sein, ein guter Arbeiter und selten verspätet auf Wache oder Station. Aber die ganze Zeit mußte er an sein Heimatland gedacht haben, und der Aufenthalt in New York gab ihm den Rest. Auch jetzt, als er sich stetig an einem vor Anker liegenden Zweidecker vorbeiarbeitete, dachte er ohne Zweifel nur an sein Zieclass="underline" ein vages Bild von Haus und Familie, oder von Eltern, die fast vergessen hatten, wie er aussah.

Ein schwacher Knall wehte vom Bug des Zweideckers herüber, und Bolitho sah, wie ein rotberockter Seesoldat schon die zweite Kugel in seine Muskete rammte, für einen weiteren Schuß auf den einsamen Schwimmer.

Ein ärgerliches Gemurmel kam von den Seeleuten der Sparrow.

Was sie auch von der Desertation des Mannes dachten oder über den Mann selbst, es hatte nichts mit ihrer Reaktion zu tun. Er war einer der Crew und der Rotrock momentan ein Feind.

Yule, der Feuerwerker, brummte:»Dieser verdammte Ochse sollte selbst niedergeschossen werden, verfluchter Bastard!«Der Seesoldat schoß nicht mehr, sondern rannte zum Ende seiner kleinen Plattform, um den Schwimmer zu beobachten wie ein Raubvogel, der seiner Beute fürs erste genug gegeben hat. Oder so sah es wenigstens aus. Als dann ein Wachboot um das Heck eines anderen Zweideckers herumkam, wußte Bolitho, warum er sich nicht die Mühe gemacht hatte zu schießen.

Das Langboot bewegte sich vorsichtig, die Riemen trieben es durch das glitzernde Wasser wie einen blauen Fisch. Im Heck sah er verschiedene Seesoldaten, auch einen Fähnrich mit Fernglas.

Yule bemerkte ernst:»Jetzt kann er nicht mehr entkommen. «Tyrell sagte:»Wir haben es nicht mehr in der Hand.»

«Aye.»

Bolitho fühlte sich plötzlich elend, die Freude des Briefes war durch die Verzweiflung des Mannes verdorben worden. Niemand, der von einem Schiff des Königs desertierte, konnte auf Gnade hoffen. Es war zu hoffen, daß er gehängt würde, besser als durch die ganze Flotte ausgepeitscht zu werden. Es überlief ihn kalt.

Wenn er gehängt wurde… Er starrte verzweifelt zum Großmast der Sparrow hinauf. Es gab keinen Zweifel darüber, wo die Hinrichtung stattfinden würde. Sogar Christie mußte darauf bestehen. Eine Warnung, die alle an Bord und auf den nächstliegenden Schiffen verstehen würden. Bolitho versuchte, nicht auf das Wachboot zu blicken, wie es auf den kleinen, vorwärtsstrebenden Kopf zufuhr.

Lockharts eigene Freunde, die treuen Seeleute der Sparrow, würden gezwungen werden, dabei zu sein, wenn ihm die Schlinge um den Hals gelegt wurde, ehe sie, und sie allein, den Befehl erhielten, ihn zur Rah hinaufzuziehen. Nach allem, was sie zusammen ausgehalten hatten, konnte diese übelkeiterregende Handlung einen Keil zwischen Offiziere und Mannschaft treiben und zerstören, was sie erreicht hatten.

Tyrell sagte atemlos:»Sehen Sie, Sir!»

Bolitho ergriff ein Fernglas und richtete es auf das Wachboot.

Er konnte gerade noch sehen, wie Lockhart Wasser trat und sich umdrehte, entweder um das Boot oder vielleicht die Sparrow anzusehen. Dann, als die Riemen das Boot zum Stillstand brachten und ein Soldat über den Vordersteven schon nach dem Haar des Mannes griff, stieß er seine Hände weg und verschwand unter der Oberfläche.

Niemand sprach, und Bolitho bemerkte, daß er den Atem anhielt, vielleicht genauso wie der Mann, der plötzlich verschwunden war.

Im allgemeinen waren Seeleute schlechte Schwimmer. Vielleicht hatte Lockhart einen Krampf bekommen. Jeden Augenblick würde er in der Nähe auftauchen, und die Mannschaft des Wachboots würde ihn an Bord hieven.

Sekunden, Minuten verstrichen, und dann nahm das Wachboot auf ein Kommando hin wieder seine langsame Patrouille zwischen den verankerten Schiffen auf.

Bolitho sagte ruhig:»Dafür danke ich Gott. Wenn er schon sterben mußte, bin ich froh, daß es ohne Gewalt abging.»

Tyrell sah ihn trübe an.»Das stimmt. «Er drehte sich mit plötzlichem Ärger zu dem Feuerwerker um.»Mr. Yule! Schaffen Sie diese Gaffer von der Reling weg, oder ich finde eine harte Arbeit für sie!»

Er war ungewöhnlich verstört, und Bolitho fragte sich, ob er sein eigenes Schicksal mit dem des ertrunkenen Seemannes verglich. Er sagte:»Machen Sie einen Eintrag ins Logbuch, Mr. Tyrell.»

«Sir?«Tyrell sah ihn grimmig an.»Als Deserteur?»

Bolitho sah an ihm vorbei auf die Seeleute, die wieder zum Geschützdeck gingen.

«Wir wissen nicht sicher, daß er desertieren wollte. Tragen Sie ihn als tot ein. «Er ging zum Niedergang.»Seine Verwandten müssen schon genug ertragen ohne die zusätzliche Schande.»