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Der Stolz und die Erregung, eine französische Fregatte auf Grund gejagt und die geretteten Soldaten sicher an Land abgesetzt zu haben, waren düsterer Niedergeschlagenheit gewichen. Tag um Tag ertrug die Schiffsbesatzung die Arbeit in glühender Hitze, obwohl sie wußte, daß sie keine Möglichkeit hatte, an Land zu gehen, es sei denn unter strenger Aufsicht und nur in dienstlichen Angelegenheiten. Bolitho wußte, daß die Gründe für diese Vorschrift bis zu einem gewissen Grade gesund und vernünftig waren. Jedes Schiff, das einlief oder ausreiste, war unterbemannt, und es war bekannt, daß skrupellose Kapitäne darauf aus waren, Seeleute anderer Schiffe zu stehlen, wann immer sich eine Gelegenheit bot.

Auch Bolitho fehlten, seitdem er das Kommando übernommen hatte, fünfzehn Mann, die entweder gefallen oder so schwer verletzt waren, daß sie für weiteren Dienst nicht mehr in Frage kamen.

Und die Neuigkeiten waren wenig ermutigend. Überall auf dem Festland befanden sich die britischen Truppen in Schwierigkeiten. Im Juni wurde eine ganze Armee durch die Angriffe General Washingtons in der Schlacht von Monmouth zum Rückzug gezwungen, und den Berichten nach, die bis zu den ankernden Schiffen durchsickerten, war keine Besserung der Lage zu erhoffen.

Hinzu kam eine weitere Sorge für die Flotte. Der erste Hurrikan der Saison war über die See gefegt. Wie eine Sichel durch das Korn war er von der Karibischen See heraufgezogen und hatte auf seinem Weg etliche Schiffe zerstört, andere so zugerichtet, daß sie nun, da sie so dringend gebraucht wurden, nicht einsatzbereit waren. Bolitho konnte die Sorgen des Admirals gut verstehen, denn die ganze Strategie an der amerikanischen Küste hing von der Wachsamkeit der Patrouillen und der einsam kreuzenden Fregatten ab. Sie waren seine Augen und die Verlängerung seines Willens.

Nur für eines war Bolitho sehr dankbar. Sein Schiff war unter der Wasserlinie nicht so schwer beschädigt worden, wie er zuerst befürchtet hatte. Garby, der Schiffszimmermann, hatte recht, als er sagte, die Korvette sei wie eine kleine Festung.

Bei seinen regelmäßigen Inspektionsgängen unter Deck hatte er den Stolz des Zimmermanns verstehen gelernt, denn die Sparrow war als Kriegsschiff gebaut worden. Sie war nicht, wie viele andere Einheiten, von der Handelsmarine, die geringere Ansprüche stellte, sondern durch die Kriegsflotte angekauft worden. Die kräftigen Spanten der Korvette waren in ihren Krümmungen gewachsen und nicht mit der Säge ausgeschnitten worden, so daß der Rumpf die ganze zusätzliche Sicherheit natürlicher Stärke besaß. Abgesehen von einigen zerfaserten Einschußlöchern unter dem Achterdeck, welche die Werkzeuge und Hilfe der New Yorker Werften erforderten, konnte sein Schiff segeln und kämpfen wie zuvor. Dies machte die Verzögerung im Hafen um so unerträglicher.

Bolitho hatte den Konteradmiral Christie an Bord des Flaggschiffs besuchen dürfen, hatte aber dabei nicht viel darüber erfahren, wann sein Schiff wieder auslaufen könne. Ironisch hatte der Admiral bemerkt:»Wenn Sie mit General Blundell weniger Scherereien gehabt hätten, stünden die Dinge vielleicht anders.»

Als Bolitho versucht hatte, mehr aus ihm herauszubringen, hatte er ärgerlich geantwortet:»Ich weiß, der General war im Unrecht, als er sich so verhielt, wie er es tat. Ganz New York weiß das inzwischen. Vielleicht wird er sogar zur Rechenschaft gezogen werden, wenn er nach England zurückkehrt. Da ich aber seinen Einfluß in gewissen Kreisen kenne, muß ich das bezweifeln. Es ist Ihre Sache, Bolitho, daß Sie ihn gedemütigt haben. Sie haben recht gehandelt, und ich habe bereits einen Bericht abgefaßt, der mein Vertrauen in Sie bezeugt. Aber man macht sich mit dem rechten Weg nicht immer beliebt.»

Eine besondere Nachricht aber hing über Bolitho wie eine dunkle Wolke. Sie schien ihn zu quälen, während er Tag um Tag versuchte, sein Schiff seeklar zu machen. Eine einlaufende Brigg hatte Neuigkeiten von dem KaperschiffBonaventure gebracht. Es hatte einigen Versorgungs- und Kriegsschiffen Gefechte geliefert, zwei Prisen genommen und eine Korvette, ein Geleitschiff, versenkt. Genau, wie er es geahnt hatte. Aber das Schlimmste für ihn war, daß der Freibeuter an die Stelle des damaligen Seegefechtes zurückgekehrt war und die zerschossene Fregatte Miranda gefunden hatte.

Eine Handvoll Überlebender war in einem kleinen treibenden Boot entdeckt worden. Einige waren verwundet oder vor Durst halb irr, die anderen niedergeschlagen und wie betäubt, da sie doch so viel gearbeitet hatten, um ihr Schiff zu retten.

Immer und immer wieder zergrübelte sich Bolitho sein Gehirn, prüfte sein Verhalten und fragte sich, was er damals sonst noch hätte tun können. Er hatte seine Befehle ausgeführt. Lieber hätte er der Fregatte geholfen. Aber er hatte der Pflicht den Vorrang eingeräumt. Und so hatte er das beschädigte Schiff wie ein hilfloses Tier dem Tiger ausgeliefert.

In seinem Herzen wußte er, daß er keine andere Entscheidung hatte treffen können. Er wußte auch, daß er anders gehandelt hätte, wäre er sich nicht darüber im klaren gewesen, wie notwendig die beiden Transportschiffe gebraucht wurden. Als er dies dem Kapitän der Brigg eingestanden hatte, schüttelte der den Kopf.

«Dann läge jetzt auch Ihre Sparrow auf dem Grund des Meeres. Die Bonaventure ist allem außer einem Linienschiff gewachsen.»

Bolitho ging nur in dienstlichen Angelegenheiten, zu Besorgungen und Zahlungen an die Werftleute an Land. Er hielt es für unfair, von seinen Vorrechten Gebrauch zu machen, wenn seine Leute auf ihrem Schiff, dessen Größe jeden Tag zu schrumpfen schien, eingesperrt waren. Auch widerten ihn die Dinge, die er in New York zu sehen bekam, an. Es gab allerlei langweilige militärische Vorbereitungen dort. Artillerie wurde gedrillt. Zum Vergnügen von Tagdieben und schreienden Kindern rückten bespannte Geschütze vor. Fußsoldaten rannten und schwitzten in der brütenden Hitze, ja, verschiedentlich hatte er sogar Kavallerie gesehen.

Aber seine eigentliche Abneigung saß viel tiefer. Die Auswirkungen der immer schlechteren Nachrichten reichten nur bis zu einer bestimmten Grenze. In den großen Häusern verging kaum eine Nacht ohne Empfänge oder Bälle. Stabsoffiziere und reiche Kaufleute, Damen in großer Robe und blitzenden Juwelen — es war kaum zu glauben, daß in der Nähe so blutige Kampfhandlungen stattfanden. Bolitho wußte aber auch, daß ein Teil seines Abscheus auf seiner eigenen Ungeschicklichkeit, in solchen Kreisen aufzutreten, beruhte. In seiner Heimatstadt Falmouth war seine Familie stets geachtet worden, aber eher als Seefahrer denn als ansässige Einwohner. Schon mit zwölf Jahren war er in die Marine eingetreten, doch seine Erziehung hatte eher der Navigation gegolten und dem Umgang mit Tauwerk, Schäkel und Augbolzen als der Kunst, Konversation zu machen.

Es schien ihm unmöglich, sich unter die perückentragenden Dandies zu mischen, wie er sie nun bei seinen Landgängen in New York sah. Auch die Frauen waren ihm fremd, unerreichbar. Im Gegensatz zu den ausgesprochen ländlichen Frauen in Cornwall oder zu den Frauen und Töchtern seiner Offizierskameraden schienen sie eine eigenartige Macht auszustrahlen. In ihnen steckte eine gewisse Kühnheit und belustigte Geringschätzung, die ihn reizte und verwirrte, wann immer er mit ihrer parfümierten, privilegierten Welt zu tun hatte.