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Es war ein großer Topf; aber der Schädel des Patrioten scheint aus Eisen zu sein. Ich fühle, wie er, auf den Knien noch, versucht, mir mein Geschlecht zu beschädigen, und ich ergreife die Geranie samt Wurzeln und daran klebender Erde und schlage ihm die Erde in die Augen. Er läßt los, reibt sich die Augen, und da ich ihm so mit den Fäusten nichts tun kann, gebe ich ihm den Schlag ins Geschlecht mit dem Fuß zurück. Er knickt zusammen und fährt mit den Pfoten nach unten, um sich zu schützen. Ich haue ihm das sandige Wurzelgeflecht zum zweitenmal in die Augen und erwarte, daß er die Hände wieder hochbringt, um das Ganze noch einmal zu wiederholen. Er aber geht mit dem Kopf herunter, als wolle er eine orientalische Verbeugung machen, und im nächsten Augenblick dröhnt alles um mich herum. Ich habe nicht aufgepaßt und von der Seite einen mächtigen Hieb erhalten. Langsam rutsche ich am Schaufenster entlang. Riesengroß und teilnahmslos starrt eine Puppe mit gemalten Augen und einem Biberpelz mich an.

»Durchschlagen zur Pißbude!«höre ich Georgs Stimme. Er hat recht. Wir brauchen eine bessere Rückendeckung. Aber er hat gut reden; wir sind eingekeilt. Der Gegner hat von irgendwoher Verstärkung bekommen, und es sieht aus, als würden wir mit zerschnittenen Köpfen zwischen Max Kleins Mannequins landen.

In diesem Augenblick sehe ich Hermann Lotz am Boden knien.»Hilf mir den Ärmel ausziehen!«keucht er.

Ich greife zu und streife den linken Ärmel seines Jacketts hoch. Der blinkende künstliche Arm wird frei. Es ist ein Nickelgerüst, an dem unten eine stählerne künstliche Hand in einem schwarzen Handschuh befestigt ist. Hermann hat danach den Beinamen»Götz von Berlichingen mit der eisernen Faust«bekommen. Rasch löst er den Arm von der Schulter ab, ergreift dann mit der natürlichen Hand seine künstliche und richtet sich auf.»Bahn frei! Götz kommt!«rufe ich von unten. Georg und Willy machen rasch Platz, so daß Hermann durch kann. Er schwingt seinen künstlichen Arm wie einen Dreschflegel um sich und erreicht mit dem ersten Schlag einen der Anführer. Die Angreifer weichen einen Augenblick zurück. Hermann springt unter sie, dreht sich im Kreise, den künstlichen Arm weit ausgestreckt. Gleich darauf wirbelt er den Arm herum, so daß er ihn jetzt am Schulterstück festhält und mit der künstlichen stählernen Hand zuschlägt.»Los! Zur Pißbude!«ruft er.»Ich decke euch!«

Es ist ein ungewöhnlicher Anblick, wie Hermann mit der künstlichen Hand arbeitet. Ich habe ihn schon öfter so kämpfen sehen; unsere Gegner aber nicht. Sie stehen einen Moment da, als ob der Satan zwischen sie gefahren wäre, und das kommt uns zugute. Wir brechen durch und stürmen zum Pissoir auf dem Neumarkt hinüber. Im Vorbeilaufen sehe ich, wie Hermann einen schönen Schlag auf der aufgerissenen Schnauze des zweiten Anführers landet.»Los, Götz«rufe ich.»Komm mit! Wir sind durch!«

Hermann dreht sich noch einmal. Sein loser Jackenärmel flattert um ihn herum, mit dem Rest des Armstummels macht er wilde Bewegungen, um das Gleichgewicht zu halten, und mit Staunen und Grauen glotzen zwei Stiefelträger, die im Wege stehen, ihn an. Einer bekommt einen Hieb gegen das Kinn, der andere, als er die schwarze künstliche Hand auf sich zusausen sieht, kreischt voll Grauen auf, hält sich die Augen zu und rennt davon.

Wir erreichen das hübsche viereckige Sandsteingebäude und verschanzen uns an der Damenseite. Sie ist leichter zu verteidigen. Bei der Herrenseite kann man durchs Pissoir einsteigen und uns in den Rücken fallen – bei den Damen sind die Fenster klein und hoch.

Die Gegner sind uns gefolgt. Es müssen jetzt mindestens zwanzig sein; sie haben Zuzug von anderen Nazis bekommen. Ich sehe ein paar ihrer scheißfarbenen Uniformen. Sie versuchen, auf der Seite, wo Köhler und ich stehen, durchzubrechen. Im Gedränge merke ich aber, daß Hilfe für uns von hinten kommt. Eine Sekunde später sehe ich, daß Riesenfeld mit zusammengelegter Aktentasche, in der, hoffe ich, Granitproben sind, auf jemand einschlägt, während Renée de la Tour einen hochhackigen Schuh ausgezogen und an der Vorderseite ergriffen hat, um mit dem Hacken loszudreschen.

Während ich das sehe, rennt mir jemand den Schädel in den Magen, daß mir die Luft mit einem Knall aus dem Munde springt. Ich schlage schwach, aber wild um mich und habe irgendwoher das sonderbare Gefühl einer vertrauten Situation. Automatisch hebe ich ein Knie, weil ich erwarte, daß der Rammbock wiederkommt. Gleichzeitig sehe ich eines der schönsten Bilder, das ich mir in dieser Lage vorstellen kann: Lisa, die wie die Nike von Samothrake über den Neumarkt heranstürmt, neben ihr Bodo Ledderhose und hinter ihm sein Gesangverein. Im gleichen Augenblick spüre ich den Rammbock aufs neue und sehe Riesenfelds Aktentasche wie eine gelbe Flagge niedergehen. Gleichzeitig macht Renée de la Tour eine blitzschnelle Bewegung nach unten, der ein Aufheulen des Rammbocks folgt. Renée schreit mit markiger Generalstimme:»Stillgestanden, Schweine!«Ein Teil der Angreifer fährt unwillkürlich zusammen. Dann tritt der Gesangverein in Aktion, und wir sind frei.

Ich richte mich auf. Es ist plötzlich still. Die Angreifer sind geflohen. Sie schleppen ihre Verwundeten mit. Hermann Lotz kommt zurück. Er ist dem fliehenden Gegner wie ein Zentaur nachgesprengt und hat noch einem eine eiserne Ohrfeige verabreicht. Wir sind nicht schlecht weggekommen. Ich habe eine birnenartige Beule am Kopf und das Gefühl, mein Arm sei gebrochen. Er ist es nicht. Außerdem ist mir sehr übel. Ich habe zuviel getrunken, um an Magenstößen Gefallen zu finden. Wieder quält mich die sich nicht erinnernde Erinnerung. Was war das doch?»Ich wollte, ich hätte einen Schnaps«, sage ich.

»Den kriegst du«, erwidert Bodo Ledderhose.»Kommt jetzt, bevor die Polizei erscheint.«

In diesem Moment ertönt ein scharfes Klatschen. Wir drehen uns überrascht um. Lisa hat auf jemand eingeschlagen.»Du verfluchter Saufbruder!«sagt sie ruhig.»So sorgst du für Heim und Frau -«

»Du -«gurgelt die Gestalt.

Lisas Hand klatscht zum zweitenmal nieder. Und jetzt, plötzlich, löst sich mein Erinnerungsknoten. Watzek! Da steht er und hält sich merkwürdigerweise den Hintern fest.

»Mein Mann!«sagt Lisa ins allgemeine über den Neumarkt hin.»Mit so was ist man nun verheiratet.«

Watzek antwortet nicht. Er blutet stark. Die alte Stirnwunde, die ich ihm geschlagen habe, ist wieder aufgegangen. Außerdem rinnt Blut aus seinen Haaren.»Waren Sie das?«frage ich Riesenfeld leise.»Mit der Aktentasche?«

Er nickt und betrachtet Watzek aufmerksam.»Wie man sich manchmal so trifft«, sagt er.

»Was hat er am Hintern?«frage ich.»Weshalb hält er den fest?«

»Ein Wespenstich«, erwidert Renée de la Tour und befestigt eine lange Hutnadel wieder in einem eisblauen Samtkäppchen auf ihren Locken.

»Meine Hochachtung!«Ich verneige mich vor ihr und trete auf Watzek zu.»So«, sage ich,»jetzt weiß ich, wer mir seinen Schädel in den Bauch gerannt hat! Ist das der Dank für meinen Unterricht in besserer Lebensart?«

Watzek starrt mich an.»Sie? Ich habe Sie nicht erkannt! Mein Gott!«

»Er erkennt nie jemanden«, erklärt Lisa sarkastisch.

Watzek bietet einen betrüblichen Anblick. Dabei bemerke ich, daß er meinen Ratschlägen tatsächlich gefolgt ist. Er hat sich seine Mähne kurz schneiden lassen – mit dem Erfolg, daß Riesenfeld ihm einen härteren Schlag versetzen konnte -, er trägt sogar ein weißes, neues Hemd – aber alles, was er damit erreicht hat, ist, daß sich das Blut nur noch deutlicher darauf abzeichnet als auf einem anderen. Er ist ein Unglücksrabe!