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d. Das Lukasevangelium stammt kaum aus dem Osten. Für den Verfasser ist der heiße Wüstenwind nicht wie in Palästina der »Ostwind«, sondern der »Südwind« – wie in allen Mittelmeergebieten westlich Palästinas (vgl. Lk 12,55). Wahrscheinlich ist der Verf. viel gereist. Ein Reisebericht in der Apostelgeschichte im Wir-Stil beginnt in Kleinasien (16,11ff) und führt über Jerusalem nach Rom. Der Verf. kennt den Tempel erstaunlich gut. Er dürfte einmal, von Cäsarea kommend (und Samarien durchquerend), nach Jerusalem gereist sein. So würde sein positives Verhältnis zu Samarien erklärbar (vgl. 9,51ff; 10,30ff; 17,11ff). Daß er Begleiter des Paulus war, ist angesichts seines Paulusbildes schwer vorstellbar, aber nicht völlig unmöglich. Die Entstehungszeit ist umstritten. Sicher ist, daß er die Zerstörung Jerusalems kennt. Sie wird in Lk 21,20-24 detaillierter als in allen anderen Evangelien geweissagt. Der Verfasser ist vom Schicksal der Stadt tief betroffen: Bei ihm weint Jesus über Jerusalem (19,41) und er fordert die Frauen von Jerusalem auf, über ihr Geschick zu weinen (23,27ff). Das weist auf keinen allzu großen Abstand vom Jahr 70 n.Chr. Es wird im selben Zeitraum wie das MtEv entstanden sein (80-100 n.Chr.). Während das MtEv ein Judenchristentum repräsentiert, das sich für die Heiden geöffnet hat, ist das LkEv eine Schrift für heidenchristliche Gemeinden, die an ihren jüdischen Ursprung erinnert werden.

e. Die vorsynoptischen Traditionen (= als synoptisch werden die drei ersten Evangelien bezeichnet): Lk 1,1-3 und der kleinasiatische Bischof Papias (Anfang des 2. Jhs.) bezeugen die Existenz mündlicher Jesusüberlieferung. Die Evangelien haben diese mündliche Tradition schriftlich fixiert, sofern sie nicht auf schriftliche Quellen (Mk; Q) zurückgriffen. Jede dieser Traditionen ist für sich auf Alter, Herkunft und Interesse zu untersuchen. Im folgenden seien einige Argumente dafür genannt, warum wir den Jesusüberlieferungen einen historischen Hintergrund nicht absprechen können.

aa) Zur Lokalisierbarkeit von Jesustraditionen: Viele Überlieferungen von Jesus sind in palästinischem Milieu geprägt. Als Beispiele für palästinisches Lokalkolorit sei genannt: Von einem »Täufer in der Wüste« (Mk 1,5) kann man nur sprechen, wenn man weiß, daß der Jordan unmittelbar durch die Wüste fließt. Ansonsten ist schwer vorstellbar, wie man in der »Wüste« taufen kann! Die Geschichte von der syrophönikischen Frau setzt Kenntnis der Verhältnisse im galiläisch-tyrischen Grenzland voraus: Das schroffe Wort von den Hunden (= Heiden), denen man nicht das Brot der Kinder (= Juden) vorwerfen soll (Mk 7,27), wird verständlicher, wenn man weiß, daß die Juden Galiläas die Brotlieferanten des reichen Tyros waren.

bb) Zur Datierbarkeit von Jesustraditionen: Viele Jesustraditionen lassen sich über die ältesten erreichbaren schriftlichen Quellen hinaus zurückdatieren. Das Wort vom »schwankenden Rohr« (Mt 11,7) dürfte eine Münzprägung des Herodes Antipas aus dem Jahr 19/20 n.Chr. voraussetzen, die er später nie erneuert hat. Die markinische Passionsgeschichte setzt Hörer voraus, die genau wissen: Wer war Alexander und Rufus (Mk 15,21)? Wie waren die Familienverhältnisse der zweiten in Mk 15,40 genannten Maria? Wird sie als Mutter von Jakobus und Joses vorgestellt? Oder nur als Mutter des Jakobus? Welcher war »der« Aufruhr, bei dem Barabbas gefangengenommen wurde (Mk 15,6)?

cc) Die Tradenten der Jesusworte waren z.T. wandernde Missionare und Prediger, die den heimatlosen Lebensstil Jesu fortsetzten. Sie haben uns die radikalen Gebote Jesu in seinem Geist erhalten: Nur heimat-, besitz- und familienlose Wanderprediger wie Jesus selbst konnten sie glaubhaft vertreten und überliefern, ohne sie an die Notwendigkeiten eines »bürgerlichen« Lebens anpassen zu müssen! Die Bedürfnisse der Ortsgemeinden haben andererseits viel weniger die Jesusüberlieferungen geprägt, als man annehmen könnte: Nirgendwo werden ortsansässige Autoritäten (Presbyter, Episkopen und Diakone) durch ein Jesuswort legitimiert! Nirgendwo wird in Worten des irdischen Jesus die Taufe als »Eintrittsritus« in die Gemeinde gefordert! Nirgendwo wird die Beschneidung als Eintrittsbedingung für Heiden abgelehnt!

dd) Die innere Übereinstimmung der Jesusüberlieferung! Wir dürfen annehmen, daß die Jesustraditionen aus Q und Mk, aus dem matthäischen und lukanischen Sondergut sowie aus dem Thomasevangelium aus verschiedenen Traditionskanälen stammen. Trotzdem ergeben sie ein einheitliches Bild. Das gilt auch für die Formensprache Jesu. Da wir in jeder synoptischen Form von Jesusworten meist ein oder mehrere Worte als »authentisch« nachweisen können, sind wir ziemlich sicher, daß die Formensprache der Wortüberlieferung von Jesus benutzt wurde, daß er also in Mahnworten, Sprichwörtern, Seligpreisungen, Weherufen und Gleichnissen (usw.) gesprochen hat. Nirgendwo sonst gibt es diese Verbindung von Weisheitsworten, Poesie und Prophetie. Sie ist charakteristisch und ergibt ein stimmiges Ganzes.

f. Das johannesevangelium weicht im Stil der Reden Jesu, aber auch in der Darstellung seines Wirkens so stark von den drei anderen Evangelien ab, daß wir hier nicht das allgemein verbreitete Jesusbild vor uns haben, sondern das stark stilisierte Bild eines Sonderkreises. Synoptische Erzählungen werden z.B. als bekannt vorausgesetzt (z.B. von der Haft des Täufers 3,24 oder von der Erwählung der Zwölf 6,70), möglicherweise sogar ganze Evangelien (das LkEv?). Der am Anfang und Ende des Evangeliums sich meldende »Wir-Kreis« (1,14ff; 21,24) will die Gemeinde zu einem vertieften Verständnis Jesu hinführen: Er wird als präexistenter Gesandter gesehen, der vom Vater kommt und zu ihm zurückkehrt. Entstanden ist das JohEv um die Wende vom 1. zum 2. Jahrhundert. In der ersten Hälfte des 2. Jhs. war es schon in Ägypten bekannt, wie ein Papyrus zeigt (P 52). Der Tod des Petrus (64 n.Chr.) wird vorausgesetzt (vgl. 21,18f). Petrus wurde lange von einem »jünger« überlebt, von dem das Gerücht ging, er werde nicht sterben, bevor nicht Jesus wiederkäme. Aber auch er starb (21,20-23). All das weist auf das Ende des 1. Jahrhunderts. Kaum feststellbar ist der Entstehungsort: Die altkirchliche Überlieferung nennt Ephesus. Aber es ist kaum vorstellbar, daß man in dieser Küstenstadt vom kleinen galiläischen »See« als »Meer« sprechen könnte (Joh 6,16ff; 21,1ff). So tippen denn viele auf Syrien als Entstehungsgebiet. Wegen der positiven Aufnahme der Botschaft in Samarien könnte es einen Zusammenhang mit der Samarienmission geben. Aber das gehört in die Vorgeschichte des JohEv.

2. Josephus

Josephus ist die wichtigste Quelle für die Zeitgeschichte Palästinas. Er wurde 37/38 in Jerusalem geboren, war 64-66 in Rom, leitete nach seiner Rückkehr als Militärgouverneur von Galiläa den jüdischen Aufstand im Norden Palästinas und geriet dabei 67 in römische Gefangenschaft. Er wurde schonend behandelt, da er dem römischen General Vespasian die Kaiserwürde weissagte. Als Vespasian dann wirklich Kaiser wurde, erhielt er seine Freiheit wieder. Seine wichtigsten Schriften sind: