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Nachdem ich einige Erfrischungen zu mir genommen hatte und in die See gesprungen war, um mich abzuspülen, schwamm ich nach meinen Kleidern, welche ich auch am Ufer ebenso wiederfand, als ich sie gelassen hatte. Soviel ich rechnen konnte, war ich ohngefähr drittehalb Stunden in dem Magen dieser Bestie eingekerkert gewesen.

Neuntes Kapitel

Viertes Seeabenteuer

Als ich noch in türkischen Diensten war, belustigte ich mich[114] öfters in einer Lustbarke auf dem Mare di Marmora,[115] von wo man die herrlichste Aussicht auf ganz Konstantinopel,[116] das Seraglio[117] des Großsultans mit eingeschlossen, beherrschet. Eines Morgens, als ich die Schönheit und Heiterkeit des Himmels betrachtete, bemerkte ich ein rundes Ding, ohngefähr wie eine Billardkugel groß, in der Luft, von welchem noch etwas anderes herunterhing. Ich griff sogleich nach meiner besten und längsten Vogelflinte, ohne welche, wenn ichs ändern kann, ich niemals ausgehe oder ausreise, lud sie mit einer Kugel und feuerte nach dem runden Dinge in der Luft; allein umsonst. Ich wiederholte den Schuß mit zwei Kugeln, richtete aber noch nichts aus. Erst der dritte Schuß, mit vier oder fünf Kugeln, machte an einer Seite ein Loch und brachte das Ding herab. Stellen Sie sich meine Verwunderung vor, als ein niedlich vergoldeter Wagen, hängend in einem ungeheueren Ballon, größer als die größte Turmkuppel im Umfange, ohngefähr zwei Klafter weit von meiner Barke heruntersank. In dem Wagen befand sich ein Mann und ein halbes Schaf, welches gebraten zu sein schien. Sobald sich mein erstes Erstaunen gelegt hatte, schloß ich mit meinen Leuten um diese seltsame Gruppe einen dichten Kreis.

Dem Manne, der wie ein Franzose aussah, welches er denn auch war, hingen aus jeder Tasche ein paar prächtige Uhrketten mit Berlocken, worauf, wie mich dünkt, große Herren und Damen abgemalt waren. Aus jedem Knopfloche hing ihm eine goldene Medaille, wenigstens hundert Dukaten am Wert, und an jeglichem seiner Finger steckte ein kostbarer Ring mit Brillanten. Seine Rocktaschen waren mit vollen Goldbörsen beschwert, die ihn fast zur Erde zogen. Mein Gott, dachte ich, der Mann muss dem menschlichen Geschlechte außerordentlich wichtige Dienste geleistet haben, dass die großen Herren und Damen ganz wider ihre heutzutage so allgemeine Knikkernatur[118] ihn so mit Geschenken, die es zu sein schienen, beschweren konnten. Bei allem dem befand er sich denn doch gegenwärtig von dem Falle so übel, dass er kaum imstande war, ein Wort hervorzubringen. Nach einiger Zeit erholte er sich wieder und stattete mir folgenden Bericht ab.»Dieses Luftfuhrwerk hatte ich zwar nicht Kopf und Wissenschaft genug selbst zu erfinden, dennoch aber mehr denn überflüssige Luftspringer- und Seiltänzerwaghalsigkeit zu besteigen und darauf mehrmalen in die Luft emporzufahren. Vor ohngefähr sieben oder acht Tagen – denn ich habe meine Rechnung verloren – erhob ich mich damit auf der Landspitze von Cornwall[119] in England und nahm ein Schaf mit, um von oben herab vor den Augen vieler tausend Nachgaffer Kunststücke damit zu machen. Unglücklicherweise drehte sich der Wind innerhalb zehn Minuten nach meinem Hinaufsteigen; und anstatt mich nach Exeter[120] zu treiben, wo ich wieder zu landen gedachte, ward ich hinaus nach der See getrieben, über welcher ich auch vermutlich die ganze Zeit her in der unermeßlichen Höhe geschwebet habe.

«Es war gut, dass ich zu meinem Kunststückchen mit dem Schafe nicht hatte gelangen können. Denn am dritten Tage meiner Luftfahrt wurde mein Hunger so groß, dass ich mich genötigt sah, das Schaf zu schlachten. Als ich nun damals unendlich hoch über dem Monde war und nach einer sechzehnstündigen noch weitern Auffahrt endlich der Sonne so nahe kam, dass ich mir die Augenbrauen versengte, so legte ich das tote Schaf, nachdem ich es vorher abgehäutet, an denjenigen Ort im Wagen, wo die Sonne die meiste Kraft hatte oder, mit andern Worten, wo der Ballon keinen Schatten hinwarf, auf welche Weise es denn in ohngefähr drei Viertel Stunden völlig gar briet. Von diesem Braten habe ich die ganze Zeit her gelebt.»

Hier hielt mein Mann ein und schien sich in Betrachtung der Gegenstände um ihn her zu vertiefen. Als ich ihm sagte, dass die Gebäude da vor uns das Seraglio des Großherrn zu Konstantinopel wären, so schien er außerordentlich bestürzt, indem er sich ganz woanders zu befinden geglaubt hatte.»Die Ursache meines langen Fluges«, fügte er endlich hinzu,»war, dass mir ein Faden zerriß, der an einer Klappe in dem Luftballe saß und dazu diente, die inflammable Luft herauszulassen. Wäre nun nicht auf den Ball gefeuert und derselbe dadurch aufgerissen worden, so möchte er wohl wie Mahomet[121] bis an den Jüngsten Tag[122] zwischen Himmel und Erde geschwebt haben. «Den Wagen schenkte er hierauf großmütig meinem Bootsmanne, der hinten am Steuer stand. Den Hammelbraten warf er ins Meer. Was aber den Luftball anlangte, so war der von dem Schaden, welchen ich ihm zugefügt hatte, im Herabfallen vollends ganz und gar zu Stücken zerrissen.

Zehntes Kapitel

Fünftes Seeabenteuer

Da wir noch Zeit haben, meine Herren, eine frische Flasche auszutrinken, so will ich Ihnen noch eine andere sehr seltsame Begebenheit erzählen, die mir wenige Monate vor meiner letzten Rückreise nach Europa begegnete. Der Großherr, welchem ich durch die römisch-russisch-kaiserlichen wie auch französischen Botschafter vorgestellet worden war, bediente sich meiner,[123] ein Geschäft von großer Wichtigkeit zu Großkairo[124] zu betreiben, welches zugleich so beschaffen[125] war, dass es immer und ewig ein Geheimnis bleiben musste.

Ich reisete mit großem Pompe[126] in einem sehr zahlreichen Gefolge zu Lande ab. Unterweges hatte ich Gelegenheit, meine Dienerschaft mit einigen sehr brauchbaren Subjekten zu vermehren. Denn als ich kaum einige Meilen weit von Konstantinopel entfernt sein mochte, sah ich einen kleinlichen, schmächtigen Menschen mit großer Schnelligkeit querfeldein daherlaufen, und gleichwohl trug das Männchen an jedem Beine ein bleiernes Gewicht, an die funfzig Pfund schwer. Verwunderungsvoll über diesen Anblick rief ich ihn an und fragte:»Wohin, wohin so schnell, mein Freund? Und warum erschwerst du dir deinen Lauf durch eine solche Last?«—»Ich lief«, versetzte der Läufer,»seit einer halben Stunde aus Wien, wo ich bisher bei einer vornehmen Herrschaft in Diensten stand und heute meinen Abschied nahm. Ich gedenke nach Konstantinopel, um daselbst wieder anzukommen. Durch die Gewichte an meinen Beinen habe ich meine Schnelligkeit, die jetzt nicht nötig ist, ein wenig mindern wollen. Denn Moderata durant, pflegte weiland mein Präzeptor[127] zu sagen.«– Dieser Asahel[128] gefiel mir nicht übel; ich fragte ihn, ob er bei mir in Dienst treten wollte, und er war dazu bereit. Wir zogen hierauf weiter durch manche Stadt, durch manches Land. Nicht fern vom Wege auf einem schönen Grasrain[129] lag mäuschenstill ein Kerl, als ob er schliefe. Allein das tat er nicht. Er hielt vielmehr sein Ohr so aufmerksam zur Erde, als hätte er die Einwohner der untersten Hölle behorchen wollen. – »Was horchst du da, mein Freund?«—»Ich horche da zum Zeitvertreibe[130] auf das Gras und höre, wie es wächst.«—»Und kannst du das?«—»O Kleinigkeit!«—»So tritt in meine Dienste, Freund, wer weiß, was es bisweilen nicht zu horchen geben kann.«– Mein Kerl sprang auf und folgte mir. Nicht weit davon auf einem Hügel stand mit angelegtem Gewehr ein Jäger und knallte in die blaue, leere Luft. – »Glück zu, Glück zu, Herr Weidmann! Doch wonach schießest du? Ich sehe nichts als blaue, leere Luft.«—»O, ich versuchte nur dies neue Kuchenreutersche Gewehr. Dort auf der Spitze des Münsters zu Straßburg[131] saß ein Sperling, den schoß ich eben jetzt herab. «Wer meine Passion für das edle Weid- und Schützenwerk kennt, den wird es nicht wundernehmen, dass ich dem vortrefflichen Schützen sogleich um den Hals fiel. Dass ich nichts sparte, auch ihn in meine Dienste zu ziehen, versteht sich von selbst. Wir zogen darauf weiter durch manche Stadt, durch manches Land und kamen endlich vor dem Berge Libanon[132] vorbei. Daselbst vor einem großen Zedernwalde stand ein derber, untersetzter Kerl und zog an einem Stricke, der um den ganzen Wald herumgeschlungen war.»Was ziehst du da, mein Freund?«fragte ich den Kerl. – »O, ich soll Bauholz holen und habe meine Axt zu Hause vergessen. Nun muss ich mir so gut helfen, als es angehen will. «Mit diesen Worten zog er in einem Ruck den ganzen Wald, bei einer Quadratmeile groß, wie einen Schilfbusch vor meinen Augen nieder. Was ich tat, das läßt sich raten. Ich hätte den Kerl nicht fahren lassen, und hätte er mir meinen ganzen Ambassadeurgehalt[133] gekostet. Als ich hierauf fürbaß und endlich auf ägyptischen Grund und Boden kam, erhob sich ein so ungeheuerer Sturm, dass ich mit allen meinen Wagen, Pferden und Gefolge schier umgerissen und in die Luft davongeführt zu werden fürchtete. Zur linken Seite unseres Weges standen sieben Windmühlen in einer Reihe, deren Flügel so schnell um ihre Achsen schwirrten als ein Rückenspindel der schnellsten Spinnerin. Nicht weit davon zur Rechten stand ein Kerl von Sir John Falstaffs Korpulenz und hielt sein rechtes Nasenloch mit seinem Zeigefinger zu. Sobald der Kerl unsere Not und uns so kümmerlich in diesem Sturme haspeln sah, drehete er sich halb um, machte Fronte gegen uns und zog ehrerbietig, wie ein Musketier[134] vor seinem Obersten, den Hut vor mir ab. Auf einmal regte sich kein Lüftchen mehr, und alle sieben Windmühlen standen plötzlich still. Erstaunt über diesen Vorfall, der nicht natürlich zuzugehen schien, schrie ich dem Unhold[135] zu:»Kerl, was ist das? Sitzt dir der Teufel im Leibe, oder bist du der Teufel selbst?«—»Um Vergebung, Ihro Exzellenz![136]«, antwortete mir der Mensch;»ich mache da nur meinem Herrn, dem Windmüller, ein wenig Wind. Um nun die sieben Windmühlen nicht ganz und gar umzublasen, musste ich mir wohl das eine Nasenloch zuhalten.«– Ei, ein vortreffliches Subjekt! dachte ich in meinem stillen Sinn. Der Kerl läßt sich gebrauchen, wenn du dereinst zu Hause kommst und dirs an Atem fehlt, alle die Wunderdinge zu erzählen, die dir auf deinen Reisen zu Land und Wasser aufgestoßen sind. Wir wurden daher bald des Handels eins. Der Windmacher[137] ließ seine Mühlen stehen und folgte mir.

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114

sich belustigen —1) веселиться, развлекаться;2) (über Akk) насмехаться (над кем / чем-л.)

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115

Mare di Marmora <ital.> – Мраморное море

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116

Konstantinopel – früherer Name Istanbuls

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117

Sreemraglio [se’ra: lio] – Palast der türkischen Herrscher; Harem

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118

Knicker m (ugs.) = geiziger, kleinlicher Mensch

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119

Cornwall – Grafschaft in Südwestengland

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120

Exeter – Stadt in England

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121

Mahomet = Mohammed – Stifter des Islams

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122

Jüngster Tag – день Страшного суда

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123

bedienen + sich + Gen (geh.) = von jmdm., etw. Gebrauch machen; etw., jmdn. verwenden, benutzen

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124

Kairo – Hauptstadt Ägyptens

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125

so beschaffen – такой

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126

Pomp m <franz.> = prachtvolle Ausstattung; [übertriebener] Prunk

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127

Präzeptor m (veraltet) = [Haus]lehrer m

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128

Asahel <bibl.> – Neffe des Königs David

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129

Grasrain m (geh.) = Graswiese f

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130

zum Zeitvertreib – от нечего делать

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131

Straßburg – französische Stadt am Rhein im Elsaß

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132

Berg Libanon m – Gebirge im Vorderen Orient

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133

Ambassadeur m <franz.> (veraltet) = Botschafter, Gesandter m

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134

Musketier m (früher) – [mit einer Muskete bewaffneter] Fußsoldat

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135

Unhold m – böser Geist; Wüstling, Sittlichkeitsverbrecher

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136

Ihro Exzellenz = Ihre Exzellenz – veraltete Anrede od. Erwähnung hochgestellter [adliger] Persönlichkeiten

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137

Windmacher m (ugs. abwertend) = Wichtigtuer, Prahler m