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Ein anderes Mal stieß mir in einem ansehnlichen Walde von Russland ein wunderschöner schwarzer Fuchs auf. Es wäre jammerschade gewesen,[42] seinen kostbaren Pelz mit einem Kugel-oder Schrotschusse zu durchlöchern. Herr Reineke[43] stand dicht bei einem Baume. Augenblicklich zog ich meine Kugel aus dem Laufe, lud dafür einen tüchtigen Brettnagel in mein Gewehr, feuerte und traf so künstlich, dass ich seine Lunte fest an den Baum nagelte. Nun ging ich ruhig zu ihm hin, nahm mein Weidmesser,[44] gab ihm einen Kreuzschnitt übers Gesicht, griff nach meiner Peitsche und karbatschte[45] ihn so artig aus seinem schönen Pelze heraus, dass es eine wahre Lust und ein rechtes Wunder zu sehen war.

Zufall und gutes Glück machen oft manchen Fehler wieder gut. Davon erlebte ich bald nach diesem ein Beispiel, als ich mitten im tiefsten Walde einen wilden Frischling und eine Bache dicht hintereinander hertraben sah. Meine Kugel hatte gefehlt. Gleichwohl lief der Frischling[46] vorn ganz allein weg, und die Bache[47] blieb stehen, ohne Bewegung, als ob sie an den Boden festgenagelt gewesen wäre. Wie ich das Ding näher untersuchte, so fand ich, dass es eine blinde Bache war, die ihres Frischlings Schwänzlein im Rachen hielt, um von ihm aus kindlicher Pflicht fürbass[48] geleitet zu werden. Da nun meine Kugel zwischen beiden hindurchgefahren war, so hatte sie diesen Leitzaum zerrissen, wovon die alte Bache das eine Ende noch immer kauete. Da nun ihr Leiter sie nicht weiter vorwärts gezogen hatte, so war sie stehengeblieben. Ich ergriff daher das übriggebliebene Endchen von des Frischlings Schwanze und leitete daran das alte hilflose Tier ganz ohne Mühe und Widerstand nach Hause.

So fürchterlich diese wilden Bachen oft sind, so sind die Keiler doch weit grausamer und gefährlicher. Ich traf einst einen im Walde an, als ich unglücklicherweise weder auf Angriff noch Verteidigung gefaßt war. Mit genauer Not konnte ich noch hinter einen Baum schlüpfen, als die wütende Bestie aus Leibeskräften einen Seitenhieb nach mir tat. Dafür fuhren aber auch seine Hauer dergestalt[49] in den Baum hinein, dass er weder imstande war, sie sogleich wieder herauszuziehen, noch den Hieb zu wiederholen. – »Haha!«dachte ich,»nun wollen wir dich bald kriegen!«– Flugs nahm ich einen Stein, hammerte noch vollends damit drauflos und nietete seine Hauer dergestalt um, dass er ganz und gar nicht wieder loskommen konnte. So musste er sich denn nun gedulden, bis ich vom nächsten Dorfe Karren und Stricke herbeigeholet hatte, um ihn lebendig und wohlbehalten[50] nach Hause zu schaffen, welches auch ganz vortrefflich vonstatten ging.[51]

Sie haben unstreitig, meine Herren, von dem Heiligen und Schutzpatron der Weidmänner und Schützen, St. Hubert, nicht minder auch von dem stattlichen Hirsche gehört, der ihm einst im Walde aufstieß und welcher das heilige Kreuz zwischen seinem Geweihe trug. Diesem Sankt habe ich noch alle Jahre mein Opfer in guter Gesellschaft dargebracht und den Hirsch wohl tausendmal sowohl in Kirchen abgemalt als auch in die Sterne seiner Ritter gestickt gesehen, so dass ich auf Ehre und Gewissen eines braven Weidmanns kaum zu sagen weiß, ob es entweder nicht vorzeiten[52] solche Kreuzhirsche gegeben habe oder wohl gar noch heutigestages gebe. Doch lassen Sie sich vielmehr erzählen, was ich mit meinen eigenen Augen sah. Einst, als ich alle mein Blei verschossen hatte, stieß mir ganz wider mein Vermuten der stattlichste Hirsch von der Welt auf. Er blickte mir so mir nichts dir nichts ins Auge, als ob ers auswendig gewußt hätte, dass mein Beutel leer war. Augenblicklich lud ich indessen meine Flinte mit Pulver und darüberher eine ganze Handvoll Kirschsteine, wovon ich, so hurtig sich das tun ließ, das Fleisch abgesogen hatte. Und so gab ich ihm die volle Ladung mitten auf seine Stirn zwischen das Geweihe. Der Schuß betäubte ihn zwar – er taumelte —, machte sich aber doch aus dem Staube. Ein oder zwei Jahre darnach war ich in ebendemselben Walde auf der Jagd; und siehe, zum Vorschein kam[53] ein stattlicher Hirsch, mit einem vollausgewachsenen Kirschbaume, mehr denn zehn Fuß hoch,[54] zwischen seinem Geweihe. Mir fiel gleich mein voriges Abenteuer wieder ein; ich betrachtete den Hirsch als mein längst wohlerworbenes Eigentum und legte ihn mit einem Schusse zu Boden, wodurch ich denn auf einmal an Braten und Kirschtunke zugleich geriet. Denn der Baum hing reichlich voll Früchte, die ich in meinem ganzen Leben so delikat nicht gegessen hatte. Wer kann nun wohl sagen, ob nicht irgendein passionierter heiliger Weidmann, ein jagdlustiger Abt oder Bischof, das Kreuz auf eine ähnliche Art durch einen Schuß auf St. Huberts Hirsch zwischen das Gehörne gepflanzt habe? Denn diese Herren waren ja von je und je wegen ihres Kreuz- und – Hörnerpflanzens berühmt und sind es zum Teil noch bis auf den heutigen Tag. Im Falle der Not, und wenn es Aut oder Naut[55] gilt, welches einem braven Weidmanne nicht selten begegnet, greift er lieber wer weiß wozu und versucht eher alles, als dass er sich die günstige Gelegenheit entwischen läßt. Ich habe mich manches liebes Mal selbst in einer solchen Lage der Versuchung befunden.

Was sagen Sie zum Exempel[56] von folgendem Kasus? – Mir waren einmal Tageslicht und Pulver in einem polnischen Walde ausgegangen. Als ich nach Hause ging, fuhr mir ein ganz entsetzlicher Bär mit offenem Rachen, bereit mich zu verschlingen, auf den Leib. Umsonst durchsuchte ich in der Hast alle meine Taschen nach Pulver und Blei. Nichts fand ich als zwei Flintensteine, die man auf einen Notfall wohl mitzunehmen pflegt. Davon warf ich einen aus aller Macht in den offenen Rachen des Ungeheuers, ganz seinen Schlund hinab. Wie ihm das nun nicht allzuwohl deuchten[57] mochte, so machte mein Bär linksum, so dass ich den andern nach der Hinterpforte schleudern konnte. Wunderbar und herrlich ging alles vonstatten. Der Stein fuhr nicht nur hinein, sondern auch mit dem andern Steine dergestalt zusammen, dass es Feuer gab und den Bär mit einem gewaltigen Knalle auseinandersprengte. Man sagt, dass so ein wohlapplizierter Stein a posteriori,[58] besonders wenn er mit einem a priori[59] recht zusammenfuhr, schon manchen bärbeißigen Gelehrten und Philosophen in die Luft sprengte. – Ob ich nun gleich dasmal mit heiler Haut davonkam, so möchte ich das Stückchen doch eben nicht noch einmal machen oder mit einem Bär ohne andre Verteidigungsmittel anbinden.

Es war aber gewissermaßen recht mein Schicksal, dass die wildesten und gefährlichsten Bestien mich gerade alsdann angriffen, wenn ich außerstande war, ihnen die Spitze zu bieten, gleichsam als ob ihnen der Instinkt meine Wehrlosigkeit verraten hätte. So hatte ich einst gerade den Stein von meiner Flinte abgeschraubt, um ihn etwas zu schärfen, als plötzlich ein schreckliches Ungeheuer von einem Bären gegen mich anbrummte. Alles was ich tun konnte, war, mich eiligst auf einen Baum zu flüchten, um dort mich zur Verteidigung zu rüsten. Unglücklicherweise aber fiel mir während des Hinaufkletterns mein Messer, das ich eben gebraucht hatte, heruntern, und nun hatte ich nichts, um die Schraube, die sich ohnedies sehr schwer drehen ließ, zu schließen. Unten am Baume stand der Bär, und mit jedem Augenblicke musste ich erwarten, dass er mir nachkommen würde. Mir Feuer aus den Augen zu schlagen, wie ich wohl ehemals getan hatte, wollte ich nicht gerne versuchen, weil mir, anderer Umstände, die im Wege standen, nicht zu gedenken, jenes Experiment heftige Augenschmerzen zugezogen hatte, die noch nicht ganz vergangen waren. Sehnlich blickte ich nach meinem Messer, das unten senkrecht im Schnee steckte; aber die sehnsuchtsvollsten Blicke machten die Sache nicht um ein Härchen[60] besser. Endlich kam ich auf einen Gedanken, der so sonderbar als glücklich war. Ich gab dem Strahle desjenigen Wassers, von dem man bei großer Angst immer großen Vorrat hat, eine solche Richtung, dass es gerade auf das Heft meines Messers traf. Die fürchterliche Kälte, die eben war, machte, dass das Wasser sogleich gefror und in wenigen Augenblicken sich über meinem Messer eine Verlängerung von Eis bildete, die bis an die untersten Äste des Baumes reichte. Nun packte ich den aufgeschossenen Stiel und zog ohne viel Mühe, aber mit desto mehr Behutsamkeit mein Messer zu mir herauf. Kaum hatte ich damit den Stein festgeschraubt, als Herr Petz[61] angestiegen kam. Wahrhaftig, dachte ich, man muss so weise als ein Bär sein, um den Zeitpunkt so gut abzupassen, und empfing Meister Braun mit einer so herzlich gemeinten Bescherung von Rollern, dass er auf ewig das Baumsteigen vergaß.

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42

es ist jammerschade, dass… – ужасно [до слез] жалко, что…

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43

Reineke Fuchs – Name des Fuchses in der Tierfabel

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44

Weidmesser n (Jägerspr.) = Jagdmesser

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45

karbatschen (selten) – mit einer Karbatsche (Riemenpeitsche) schlagen

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46

Frischling m (Jägerspr.) – junges, höchstens ein Jahr altes Wildschwein

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47

Bache f – weibliches Wildschwein vom3. Lebensjahr an

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48

fürbass <Adv.> (veraltet, noch scherzh.) = weiter, vorwärts

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49

dergestalt <Adv.> (geh.) = derart, so, auf diese Weise

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50

lebendig und wohlbehalten – живой и невредимый

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51

vonstatten gehen = stattfinden

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52

vorzeiten <Adv.> (dichter.) = vor langer Zeit; einstmals

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53

zum Vorschein kommen – появиться, обнаружиться

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54

Fuß m – [veraltetes] Längenmaß unterschiedlicher Größe

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55

Aut oder Naut = eigtl. ought or nought <engl.> – eine wenigstens in Niederdeutschland in dieser Aussprache sehr populäre Redensart

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56

zum Exempel (veraltend) = zum Beispiel; Abk. z. E.

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57

deucht, deuchte = dünken (geh. veraltend) – den Anschein haben, zu denken

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58

a posteriori <lat.> (Philos. aus der Wahrnehmung gewonnen, aus Erfahrung; geh.) = nachträglich

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59

a priori <lat.> (Philos. von der Wahrnehmung unabhängig, aus Vernunftgründen) = von vornherein

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60

um ein Haar – на волосок, чуть-чуть, едва

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61

Petz m (scherzh.) = Bär m