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Adlerauge und Grauer Reiher fuhren auf dem ersten Floß, zusammen mit dem Häuptling und dem Medizinmann.

Als sie an Land stiegen, standen alle Jungen des Stammes dichtgedrängt am Strand und sahen die beiden voll Bewunderung und auch ein bißchen neidisch an.

Das erste, was die beiden Freunde nach dem Frühstück taten, war, sich nach einer geeigneten Stelle umzusehen, wo sie ihre Hütten bauen konnten.

Bisher hatten sie im Sand unter irgendeinem Mangrovenbusch geschlafen, wo sie sich gerade befanden. Die Sitten sahen vor, daß Adlerauge und Grauer Reiher nun ihre eigenen Hütten bauen mußten; sie waren ja nun erwachsen und konnten jederzeit heiraten.

Neue Pläne

Das zweite Kanu — das dem Häuptling gehörte — konnte bald zu Wasser gelassen werden, und das dritte sollte im Lauf von einigen Wochen fertig werden.

Es war eine langwierige Arbeit, einen so großen Ceibabaum zurechtzuformen und auszuhöhlen, aber bei gutem Willen machte die Arbeit Tag für Tag weitere Fortschritte.

Da man nun zwei Kanus zum Fischen hatte, war das Essen auch viel leichter und schneller .zu beschaffen, so daß man mehr Zeit übrig hatte.

Adlerauge konnte sich nun auch daranmachen, Bogen und Pfeile herzustellen. Er brauchte sich nicht länger mit dem Kanubau zu beschäftigen, sondern er beauftragte Steinmesser mit der Leitung, der selber nicht besonders erfinderisch war, aber gute und gewissenhafte Arbeit lieferte, wenn ihm ein anderer ein Muster gab, nach dem er sich richten konnte.

Im übrigen schien es fast so, als hätten die Erfindungen Adlerauges und des Grauen Reihers den ganzen Stamm auf die Spuren neuer Entdeckungen gebracht.

Ein neuer Gegenstand nach dem anderen wurde erprobt. Die meisten davon waren vielleicht nicht allzuviel wert, aber einige erwiesen sich doch als ziemlich brauchbar.

Fregattvogel kam auf den Gedanken, aus Haifischzähnen eine Säge anzufertigen. Ein großer, toter Haifisch war auf die Insel zugetrieben und von der Flut auf eine Korallenbank gespült worden.

Es war ein weißer Hai mit den furchtbarsten Zahnreihen, die man sich denken kann, und Fregattvogel ruhte nicht eher, als bis er den letzten Zahn aus den Kiefern des toten Ungeheuers herausgezogen hatte.

Es machte ihm nicht einmal etwas aus, daß er in einen Winkel der großen Insel verwiesen wurde, als er mitten in der Arbeit war. Der Hai roch nämlich nicht gut, und Fregattvogel roch nicht viel besser, als er sich eine Zeitlang mit ihm beschäftigt hatte.

Schließlich wurde er jedoch mit diesem Teil seines Unternehmens fertig und konnte den nächsten in Angriff nehmen.

Er befestigte die dünnen, dreieckigen Haifischzähne in langer Reihe an einem Stück Holz und bekam so eine Art von Säge. Sie wurde noch besser, als er dazu übergegangen war, die Zähne zwischen zwei dünn geschliffenen Hartholzschienen zu befestigen und diese an den beiden Enden mit Streifen nasser Haifischhaut zu umwickeln. Wenn diese Hautstreifen dann in der Sonne trockneten, schrumpften sie zusammen und drückten dabei die beiden Holzschienen so fest aneinander wie ein Schraubstock.

Das Verfahren zum Glätten der Holzschienen und anderer Dinge war eine Erfindung von Lange Lanze.

Er hatte einen großen Stachelrochen gefangen, um sich Material für eine Pfeilspitze zu beschaffen. Als er den furchtbaren Stachel aus dem Schwanz löste, streifte er mit der Rückseite der einen Hand die Rückenhaut des Rochens.

Die Haut war zwar von einer dicken Schicht zähen, klebrigen Schleims überzogen, aber Lange Lanze hatte dennoch das Gefühl, gegen etwas Rauhes zu streichen.

Seine Neugier war erwacht. Er schabte allen Schleim von dem Rücken des Rochens und rieb die nackte Haut kräftig mit einem flachen Holzstück.

Die Hautzähne hinterließen kleine Spuren in dem Holz — Rochen und Haie haben nämlich eigenartige Schuppen, die wie winzige Zähne geformt sind.

Nun zog der Indianer ein großes Stück Haut vom Rücken des Rochens, spannte es um das Blatt eines Paddels und ließ es in der Sonne trocknen. Als es völlig trocken war, versuchte er damit dasselbe noch einmal, und nun raspelte es sich viel besser.

So kam der Stamm darauf, daß man getrocknete Hautstücke von Haien und Stachelrochen gut wie Raspeln oder Sandpapier verwenden konnte, um damit Holzgegenstände zu glätten. Sie waren wesentlich besser als die alten Sandsteinraspeln. Natürlich hielten sie nicht so lange wie diese, aber sie waren viel leichter herzustellen, und außerdem ließ sich mit ihnen bedeutend schneller arbeiten.

Indes, nicht nur die Männer hielten Ausschau nach Neuem. Die Frauen und Mädchen waren wenigstens ebenso erfinderisch wie sie.

Lachauge, das junge Mädchen, das von dem Barracuda angefallen worden war, mußte ziemlich lange still liegen, während der alte Mummel ihre Wunden pflegte. Während dieser Zeit hatte sie Gelegenheit, etwas Neues und Nützliches auszudenken.

In letzter Zeit war das Essenkochen immer schwieriger geworden. Zwar hatten die Frauen eine ganze Anzahl Tontöpfe mit, als sie auf die Inseln hinausgelangten; aber Tontöpfe halten leider keine Ewigkeit, mögen sie noch so gut angefertigt sein.

Die schwarzgrauen Krüge und Töpfe der Bocaná-Arowaken waren ziemlich spröde. An den meisten ihrer einstigen Wohnstätten findet man Unmengen von Scherben, so daß es mitunter aussieht, als hätten sie auf ganzen Haufen von Steingut gewohnt.

Von den mitgebrachten Töpfen ging einer nach dem andern entzwei. Und draußen auf den Koralleninseln gab es auch nicht den kleinsten Klumpen Ton, aus dem man neue herstellen konnte. So fragten sich die Bocaná-Frauen fast verzweifelt, worin sie künftig das Essen kochen sollten. Eine Anzahl von Gerichten ließ sich natürlich auch auf andere Art zubereiten — rösten oder am Spieß braten. Aber es war hart, auf die Schneckensuppe, die gekochten Krabben und vieles andere Gute einzig deshalb verzichten zu müssen, weil man keine Kochtöpfe mehr hatte.

Einige Frauen versuchten eine Art primitiver Kochgefäße aus gehöhlten Korallenstücken anzufertigen, aber der Versuch schlug völlig fehl. Sobald die Korallen ins Feuer kamen, zerfielen sie in der Hitze zu Kalkpulver.

Lachauges Mutter war so um ihren letzten Kochtopf besorgt, als sei er ihr kostbarstes Kleinod. Er hielt auch wirklich länger als die meisten; aber schließlich zersprang auch er, und man konnte nichts dagegen tun.

Steinmesser, Lachauges Vater, war nicht erbaut, als er nur noch geröstete Speisen bekam. Aber da man nichts anderes zubereiten konnte, mußte man sich damit begnügen.

Eines Tages saß Lachauge allein am Feuer — der Vater war beim Kanubau, die Mutter zum Schneckensammeln gegangen.

Lachauge war noch nicht wieder soweit hergestellt, daß sie nach eßbaren Dingen tauchen konnte.

Da kam Grauer Reiher vom Strand. Er blieb stehen und stellte einen kleinen Korb neben dem Feuer ab, wo ihn das Mädchen leicht erreichen konnte.

„Es sind ein paar Krabben", sagte er. „Von den großen roten, die Steinmesser so gern ißt."

Lachauge dankte ihm für die Gabe, aber sie vermochte das Weinen nur schwer zu unterdrücken. Konnte sie die Krabben doch nicht mehr so kochen, wie ihr Vater sie gern aß!

„Wir sind nun arm", sagte sie. „Wir haben keinen Topf mehr." „Dann mußt du wohl etwas anderes finden, worin du kochen kannst", antwortete Grauer Reiher lächelnd. „Wirst sehen, es wird schon gehen — wo du doch so klug bist. Vielleicht kannst du in Korallen kochen."

„Korallen zerfallen zu Pulver, wenn man sie ins Feuer setzt", sagte Lachauge traurig.

„Dann setz doch das Feuer in die Koralle!” sagte Grauer Reiher scherzend und ging.

Lachauge sah ihm trübsinnig nach. Nach einer Weile erhob sie sich und hinkte eilig zur Hütte hinüber.

Dort lagen einige faustgroße Steine, mit denen man Mais zerkleinert hatte, als es noch Mais zum Zerkleinern gab, dazu eine Anzahl kleinerer, glatter Steine, die Steinmesser als Senkgewichte benutzte, wenn er angelte.