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Das große Boot wurde zu Wasser gelassen, probiert und für ausgezeichnet befunden. Mehr als zwanzig Männer hatten darin Platz. Nun konnte der ganze Stamm gleichzeitig reisen.

Am Abend nahm Sägefisch seine Verschworenen beiseite. Sie setzten sich weit draußen an der Nordspitze der Insel auf einige Korallenblöcke und blickten über das Meer.

Voller Spannung warteten die beiden jungen Männer auf die Worte des Häuptlings.

„Ich habe über etwas nachgedacht", sagte Sägefisch endlich. „Wir sollten unsere Stammesbrüder am Mangrovensee nicht allein mit den

Kariben kämpfen lassen. Sie ahnen noch nicht, was wir bereits wissen, daß der Karibe kein besserer Krieger ist als der Arowake. Aber es genügt nicht, daß nur wir über Waffen verfügen. Wir müssen auch Bogen und Pfeile für unsere Stammesbrüder mitnehmen."

„Bogen können wir machen", erwiderte Adlerauge. „Steinmesser und auch Fregattvogel wissen genau, wie dabei zu verfahren ist. Aber wir

brauchen Pfeile, Schäfte und auch Spitzen. Fünf oder sechs Pfeile für jeden Bogen sind das mindeste, wenn es zum Kampf kommen sollte."

„Das sind freilich viele Pfeile", sagte Sägefisch nachdenklich. „Woher sollen wir so viele Schäfte und Rochenstacheln nehmen? Hier gibt es ja sowenig Stachelrochen. Über Korallengrund fühlen sich diese Tiere nicht wohl, sie wollen Sand und Schlamm."

„Ich kenne eine Stelle, wo es massenhaft Rochen gibt", sagte Grauer Reiher, „aber sie ist weit von hier. Im nördlichen Teil der Meeresbucht, unmittelbar vor dem Wald-der-im-tiefen-Wasser-wächst, gibt es große Mengen von diesen Untieren. Dort ziehen sich Rinnen entlang, die genau den Grund haben, den die Rochen lieben. Ich weiß das, denn vor ein paar Jahren bin ich mit meinem Vater dort fischen gewesen."

Sägefisch saß eine Zeitlang schweigend da und sah ins Wasser, das seinen Korallenblock umspülte.

„Du meinst also, wir sollten es wagen, zum Festland hinüberzufahren?" fragte er dann. „Aber wenn man uns nun entdeckt?"

„Wir nehmen das Kanu der Kariben. Wenn sie das in großer Entfernung sehen, werden sie nicht mißtrauisch werden. Wir müssen unser sechs sein, so daß sie glauben, wir seien Klapperschlange und seine Krieger, und mit sechs guten Paddlern können wir ihnen auch entkommen, wenn es nötig sein sollte. Wenn sie uns in der Bucht sehen, verschwinden wir einfach in den Wald-der-im-tiefen-Wasser-wächst. Wenn wir dort ein Kanu mit Verfolgern nicht abschütteln können, dann sollten wir besser die Namen wechseln und uns allesamt Dummschnuten nennen."

Sägefisch nickte.

„Dann machen wir es so, wie du gesagt hast. Nun gilt es nur noch die Männer auszuwählen, die wir mitnehmen. Feuersteinherz natürlich und Lange Lanze auch, aber wer soll der sechste sein?"

„Haifischzahn", schlug Adlerauge vor.

„Können wir uns auf den verlassen?" fragte der Häuptling mit gedämpfter Stimme. „Vergeßt nicht, er ist Halbkaribe!"

„Das ist er freilich, und gerade darum glaube ich nicht, daß er zum Volk seines Vaters zurück möchte. Die hielten ihn ja fast wie einen Sklaven, und bei uns geht es ihm gut. Außerdem brauchen wir ihn, weil er Karibisch versteht. Er hat Feuersteinherz und mir einiges davon beigebracht, aber doch nicht genug."

„Haifischzahn wird uns nicht verraten", sagte Grauer Reiher. „Wir haben doch den Bogen des Kriegsgottes."

„Ich hoffe, du hast recht. In vier Tagen ist das Fest für Feuersteinherz vorbei, und am Tag darauf machen wir uns früh im Morgengrauen auf die Reise."

Der-Wald-der-im-tiefen-Wasser-wächst

Das lange, schlanke Kriegskanu kam mit dem Wind auf Mangle zugeschossen, die innere Insel, die fast in der Mitte zwischen Ceysén und dem Festland liegt. Es war jedoch ein gutes Stück vom Kurs abgekommen.

Die See zeigte sich während eines großen Teiles des Tages sehr bewegt, und die Paddler waren müde. Anstatt den direkten Kurs zu halten, waren sie gezwungen gewesen, von Insel zu Insel zu fahren, und einige Stunden hatten sie nur gegen die Wogen steuern müssen, ohne voranzukommen. Nun war bereits der Nachmittag angebrochen, und noch immer schimmerte das Festland nur wie ein schwach blauer Streifen herüber.

„Wir können von Glück sagen, daß wir nicht in ein solches Wetter geraten sind, als wir mit den Flößen davonfuhren", sagte Adlerauge, „wir wären alle umgekommen."

„Es ist wohl das beste, wir gehen hier an Land und ruhen uns aus", erwiderte der Häuptling. „Paddelt im Windschatten hinter die Insel. Dort finden wir schon eine Stelle, wo wir das Kanu an Land ziehen können. Ein Glück, daß wir die Rollhölzer mit haben."

Hinter der Insel Mangle kamen sie in ruhiges Wasser, und Sägefisch steuerte das Kanu geschickt durch die scharfen Korallenriffe dem flachen Strand zu.

Fast die ganze Insel überzog uriger, alter Wald und bildete ein vortreffliches Versteck. Sie hatte nur einen großen Fehler: Es gab hier nicht einen einzigen Tropfen Süßwasser.

„Nichts zu trinken auf der ganzen Insel!" knurrte Lange Lanze, als sie das Kanu in die Büsche gezogen und die Verhältnisse untersucht hatten. „Wir haben nur getrocknete Fische mit, und bei dieser rollenden See können wir keine fangen. Morgen werden wir wohl einen durstigen Tag erleben."

Haifischzahn grinste breit.

„Mag sein, daß die Fische bei der bewegten See nicht auf Haken beißen", sagte er, „aber wenn das Wasser über dem Grund ruhig ist, dann kann ich sicher etwas Eßbares mit dem Wurfnetz fangen."

Er holte ein großes Bündel aus dem Kanu und begann es aufzuwickeln. Die anderen umstanden ihn, um ihm dabei zuzusehen. In den letzten vierzehn Tagen hatte Haifischzahn sich damit beschäftigt, Fäden aus Fasern zu drehen und dieses seltsame Ding zusammenzuknoten; aber niemand wußte, wozu er es benutzen wollte.

Was sie nun sahen, war ein kreisrundes Netz von etwa vier Meter Durchmesser. Die Maschen gingen von einem Mittelpunkt aus, und an der Stelle, wo sie sich vereinigten, befand sich eine Leine aus dikken Fasern mit einer Schlinge an ihrem freien Ende. An der Außenkante war das Netz nach innen umgeschlagen, so daß es dort doppelt auflag, und die Saumleine wurde von Spannfäden der höher liegenden Maschen gehalten. An der Saumleine waren ringsum viele Senkgewichte angebracht.

Haifischzahn zog die Schlinge über das Handgelenk und wickelte die Leine um die Hand. Dann nahm er das Netz zusammen, so daß das Mittelteil herabhing wie eine umgekehrte Tüte, umfaßte es ungefähr fünf Handbreit über dem Boden mit seiner umgewandten Hand und klemmte eines der Senkgewichte zwischen die Zähne. Hierauf schlang cr die Saumleine um den einen Unterarm.

Endlich gab er seinen Kameraden zu verstehen, daß sie bleiben sollten, wo sie waren, hob das Netz und watete ins Wasser — auf eine Stelle zu, wo sich glatter Sandboden befand und wo man zuweilen Fische wie Schatten vorbeischießen sah.

Als Haifischzahn einige Meter von dem Sandboden entfernt bis an die Knie im Wasser stand, begann er das Netz langsam schräg nach hinten zu schwenken. Dann machte er plötzlich eine volle Drehung, schleuderte die Arme in die Luft und ließ das mit den Zähnen festgehaltene Netz los.

Das Netz entfaltete sich, flog wie eine glatte Scheibe durch die Luft und schlug sechs Schritt von dem Werfer entfernt auf die Wasseroberfläche. Die vielen Senkgewichte zogen seinen Rand so schnell nach unten, daß es sich im Wasser zu einer Glocke bildete, und alle Fische, die sich innerhalb des Kreises befanden, waren darin eingeschlossen.

Nun begann der Fischer das Netz langsam zu sich heranzuziehen. Er packte es am Leinenansatz und begann ihn zu drehen, so daß der Kreis der Senkgewichte kleiner und die Ausbuchtung der schlaffen Maschen um den Rand tiefer wurden. Als er die Senkgewichte zu einem einzigen Klumpen zusammengedreht hatte, packte er darüber das Netz, hob es hoch und watete an Land.