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Es schien so, als würden sie durch eine endlose Säulenhalle fahren eine dämmrige Halle mit dunklen, seltsam gewundenen Säulen. Die Kronen der Mangrovenbäume vereinigten sich über der Flußrinne zu einem dichten Gitter, so daß man den Himmel gerade noch als kleine Lichtpunkte wahrnehmen konnte.

Die Luft war feucht und schwül, und in dem Buchenwald herrschte ständig Dämmerlicht. Es war keine grünliche Halbdämmerung wie in einem richtigen Urwald, sondern graubraune Düsternis, die unheimlich und feindselig wirkte.

Hin und wieder ließen sich Schildkröten von irgendeinem Wurzelgewölbe ins Wasser fallen. Ab und zu erhob sich ein Nachtreiher mit heiserem Schrei und flatterte wie ein riesiger Nachtfalter davon. Oft sahen die Indianer, wie Augen und Nasenspitze eines Krokodils aus dem Wasser auftauchten und nach kurzer Zeit wieder lautlos versanken.

Den Männern war nicht wohl zumute. Sie hatten das Gefühl, eine feindselige, in dem Wurzelgewölbe verborgene Macht verfolge sie ohne Unterlaß mit den Augen.

Drei Stunden waren vergangen, und die Sonne hatte ihren höchsten Stand bereits überschritten, als sie endlich einen helleren Schimmer vor sich gewahrten. Ein grüner Blattwerkvorhang hing fast bis auf das Wasser herab. In der Mitte der Flußrinne befand sich eine Öffnung, einer Pforte gleich.

Das Kanu glitt durch diese Pforte auf einen vom Wind gekräuselten See mit hellgrünen Schilfdickungen. Am jenseitigen Seeufer reckte sich hoher Urwald, und dahinter sah man blaue Berge.

Die Indianer stießen einen tiefen Seufzer der Erleichterung aus. Ihnen war zumute, als wären sie soeben aus einem muffigen, dunklen Keller in frische Luft und Sonnenschein gekommen.

Ganze Wolken schreiender Reiher erhoben sich flügelschlagend, als das Kanu durch das Schilfröhricht dahinschoß. Ibisse, Wildenten und große weiße Störche mit schwarzen Hälsen und ebensolchen Schwungfedern flogen rechts und links von ihnen auf, während Sumpfhühner und Jacanavögel über Teppiche von Wasserrosenblättern davonliefen und im Rohr Zuflucht suchten.

Ein paarmal hörten sie es in den verfilzten Wasserpflanzen plantschen, wenn ein Krokodil oder eine große Sumpfschildkröte nur eine Lanzenlänge von dem Kanu entfernt untertauchte.

Sägefisch stand auf und hielt sich geschickt im Gleichgewicht, während er nach allen Seiten Ausschau hielt.

„Ich vermag nicht das geringste Anzeichen zu entdecken, daß sich hier Menschen befinden", sagte er. „Wir gehen an dem anderen Seeufer an Land. Dort fischen wir, kochen Essen und ruhen uns aus. Und wenn es auf den Abend zugeht, paddeln wir an die Mündung zurück. Wenn wir Glück haben, finden wir Holz, das sich für Fackeln eignet, so daß wir die Rochen beim Feuerschein speeren können."

Seine Begleiter waren einverstanden.

Als sie weiterfuhren, richtete Adlerauge den Blick auf die Wolke der schreienden Vögel.

„Wir wollen hoffen, daß hier wirklich keine Menschen wohnen", sagte er leise. „Sonst dürften diese längst wissen, daß wir in der Nähe sind bei dem Lärm, den die Vögel machen."

Als sie an einer kleinen Insel vorbeikamen, schossen plötzlich zwei lange, schmale Kanus aus dem Schilf geradeswegs auf sie zu. Sägefisch legte das Paddel aus der Hand und hielt beide Hände in die Höhe.

„Wir kommen in Frieden!" rief er auf arowakisch.

Die fremden Kanus glitten heran und hielten zu beiden Seiten der Neuankömmlinge, etwa fünfzehn Meter von ihnen entfernt. In jedem saßen acht Männer. Es waren untersetzte, kräftige Burschen, die bunte Hüfttücher und Halsbänder aus runden Schneckenhäusern trugen. Außerdem hatten alle glänzende Ringe durch die Nase gezogen. Einer von ihnen, der einen Kopfschmuck, gleich einer Krone, aus langen blauen Federn trug, sah die Männer in dem Kriegskanu scharf an.

„Woher kommt ihr?" fragte er in gebrochenem Arowakisch.

„Aus dem Dorf am Reiherfluß", antwortete der Häuptling. „Wir haben es vor einigen Mondzeiten verlassen, als die Kariben kamen." „Wenn ihr Arowaken seid — wie kommt es dann, daß ihr ein karibisches Kanu und karibische Waffen besitzt?" fragte der Mann mit dem Federschmuck weiter.

„Wir haben sie im Kampf erbeutet."

„Was sucht ihr hier?"

Sägefisch berichtete in knappen Worten vom Zweck ihrer Reise. Die fremden Indianer hörten ihm interessiert zu. Als er geendet hatte, herrschte eine Zeitlang Schweigen.

„Die Arowaken haben uns nie etwas Böses getan, und die Kariben sind unsere Feinde", sagte endlich der Mann mit dem Federschmuck. „Darum nehmen wir euch in Frieden auf. Kommt mit in unser Lager auf der Insel, dort können wir weiterreden."

Die anderen Männer redeten leise miteinander. Die Arowaken verstanden davon kein Wort, aber es klang nicht unfreundlich, außerdem hatten Sägefisch und seine Begleiter ja auch keine andere Wahl, als ihnen zu folgen. Sie waren ihrer sechs gegen achtzehn und befanden sich in dem Gebiet des Stammes. In jedem Fall hatten sie in einem Kampf nichts zu gewinnen, sondern viel zu verlieren.

Ein Kanu fuhr voraus, das zweite hinter ihnen her. Auf gewundenen Gassen im Schilf gelangten sie schließlich an das Ufer der Insel. Adlerauge, Sägefisch und die anderen betrachteten neugierig die Kanus des Lagunenvolkes. Diese waren ganz flach und so schmal, daß man gerade noch darin sitzen konnte. Die Balken, die sie vorne und hinten begrenzten, waren nicht geschwungen, sondern endeten in waagrechten, glatten Scheiben, daran waren spitze Hölzer befestigt. Das ganze Boot war so lang, daß darin acht Männer sitzen konnten.

In einem solchen Kanu mußte man sehr vorsichtig sein, um es nicht durch eine heftige Bewegung zum Kentern zu bringen; aber dafür konnte es durch das dichteste Schilf gleiten.

„Hm", sagte Grauer Reiher, „die schwächste Dünung würde diese Bohnenschalen zum Sinken bringen."

„Hier auf der Lagune gibt es keine Dünung", erklärte Sägefisch. „Und du siehst ja selbst, wie gut sie durch das Schilf gleiten können. Den Kariben würde es sehr schwerfallen, diese Kanus in den Schilfdickichten einzuholen."

Nun waren sie am Strand angelangt, sprangen aus den Kanus und banden diese mit Baststricken an einige größere Baumwurzeln. Dort lagen bereits mehrere kleinere Kanus, jeweils für zwei oder drei Mann bestimmt.

Weiter oben am Strand befand sich zwischen den Bäumen eine runde Lichtung, und dort sah man eine kreisförmige, schwarze Fläche, auf der ein Lagerfeuer gebrannt hatte.

Der Mann mit dem Federschmuck wandte den Rücken nach der Feuerstelle und kehrte den Arowaken das Gesicht zu. Darauf sagte er etwas zu einem jungen Krieger. Dieser trat vor und machte mit der Hand ein Zeichen.

„Otter, der Häuptling des Eisvogelvolkes, grüßt die Fremden!" sagte er.

Adlerauge trat einen Schritt vor und zeigte auf Sägefisch.

„Sägefisch, der Häuptling vom Reiherfluß, grüßt Otter und das Eisvogelvolk!" erwiderte er langsam und würdig.

Das war gewöhnlich die erste der Zeremonien, wenn sich zwei unbekannte Indianergruppen begegneten. Keiner durfte den eigenen

Namen nennen, sondern mußte ihn von einem anderen sagen lassen.

Sie glaubten, es könnte gefährlich sein, wenn man den eigenen Namen selbst bekanntgab. War er doch ein Teil der eigenen Seele, und wenn

sich in der anderen Gruppe ein zauberkundiger Mann befand, konnte er dem, der seinen Namen selbst nannte, dabei vielleicht Schaden zufügen. Sagte jedoch ein anderer den Namen, dann war es ungefährlich; dann folgte den Worten ja nicht die magische Kraft des eigenen Atems.

Nun, da die Namen gesagt waren, konnten die beiden Häuptlinge miteinander reden. Sie saßen sich gegenüber, und die übrigen Männer bildeten einen weiten Kreis um sie. Sie saßen unbeweglich und lauschten aufmerksam den Worten ihrer Häuptlinge.

Heimlich betrachtete Adlerauge die Waffen des Eisvogelvolkes. Sie hatten nicht Pfeil und Bogen. Dafür war jeder Mann mit einigen Wurfspeeren bewaffnet. Außerdem besaß jeder eine Art leichten, glattpolierten Stock mit einem Haken an dem einen Ende und einem Handgriff an dem anderen. Am äußersten Ende eines jeden Speerschaftes