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Zuweilen bekam eine von ihnen das Übergewicht, wenn sie eine Schnecke vom Meeresboden heraufholen wollte, und kam mit den Beinen nach oben. Das machte ihnen jedoch nicht das geringste aus,• denn sie alle konnten schwimmen wie Ottern.

Sie lachten bloß über ihre nassen Purzelbäume und rangen das Meerwasser aus ihrem langen schwarzen Haar.

Da sah die Schwägerin des Häuptlings, Lachauge, einige besonders große und schöne Schnecken, die im tieferen Wasser lagen. Die wollte sie natürlich gern haben, um diese dann oben auf die anderen im Korb legen zu können.

Lachauge stieß sich mit den Beinen ab und tauchte weit hinaus.

Durch das kristallklare Wasser konnten die anderen Frauen sehen, wie sie mit jeder Hand eine riesengroße Schnecke packte.

Im selben Augenblick stieß Strandlilie einen lauten Schrei aus: „Barracuda!"

Ein langer, schmaler Fisch kam aus dem tieferen Wasser herangeschossen, geradewegs auf die tauchende Frau zu. Alle sahen, daß es ein Barracuda war, einer von den großen Pfeilhechten mit den dunklen Querstreifen, die wohl die gefräßigsten und raubgierigsten aller Fische des Meeres sind.

Ein ausgewachsener Barracuda kann dem Menschen ebenso gefährlich werden wie ein Hai, und dieser war wenigstens zwei Meter lang. Die Frauen schrien aus Leibeskräften und schlugen mit den Handflächen auf die Wasseroberfläche, daß es klatschte, um den Raubfisch zu vertreiben. Aber der Barracuda ist nicht feige und nicht so leicht zu erschrecken wie die meisten Haie. Er ließ sich nicht verjagen, sondern machte eine jähe Wendung und grub seine langen, scharfen Zähne in das eine Bein der Tauchenden.

Mehrere Männer hatten das Schreien gehört und kamen mit erhobenen Harpunen angerannt. Einer von ihnen stürzte sich ins Wasser und bekam das Mädchen am Arm zu fassen, als dieses in einem Strudel blutigen Schaums an die Oberfläche kam.

Der Barracuda riß und zerrte an seinem armen Opfer wie ein ausgehungerter Wolf.

Mit vereinten Kräften gelang es zwei Männern, die Verletzte in flacheres Wasser zu ziehen. Erst dann ließ sie der große Raubfisch los und schwamm ins tiefe Wasser hinaus.

Steinmesser und Habichtfeder schleuderten ihm ihre Harpunen nach, aber sie trafen ihn nicht.

Lachauge war sehr böse zerbissen. Sie hatte mehr als zwanzig tiefe Wunden, die ihr die furchtbaren wie derbe Nägel aussehenden Hauzähne geschlagen hatten. Aus der einen Wade war ein großes Stück Fleisch herausgerissen.

Der Medizinmann lief so schnell herbei, wie ihn seine alten Beine trugen, murmelte Beschwörungen und legte Verbände von Heilkräutern auf die Wunden. Schließlich gelang es ihm, das Blut zu stillen; aber die arme Lachauge kam bei diesem Abenteuer nur mit knapper Not mit dem Leben davon.

Aber damit nicht genug.

Als einige Frauen und zwei Männer am nächsten Morgen hinaus-wateten, um Schnecken zum Frühstück zu holen, kam der Barracuda wie ein Speer angeschossen, noch ehe sie eine Tiefe von einem Meter erreicht hatten.

Glücklicherweise erblickten sie ihn rechtzeitig, so daß sie sich auf eine Sandbank retten konnten; aber das Untier wollte sich nach seinem mißglückten Überfall nicht davonmachen. Die Indianer sahen, wie der Barracuda im tieferen Wasser hin und her schwamm, als warte er nur auf eine neue Gelegenheit.

Sägefisch und Habichtfeder fuhren auf einem kleinen Floß hinaus und nahmen ihre besten Harpunen mit, aber der Barracuda schien zu ahnen, daß sie gefährlich waren, und zeigte sich nie in Wurfweite. Er schwamm jedoch viel schneller hin und her, als die Männer das schwerfällige Floß hantieren konnten.

Stumpfnase nahm eins von den anderen Flößen und versuchte ihn mit seinem besten Knochenhaken und einem lebenden Fisch als Köder zu angeln.

Zuerst schien der große Fisch argwöhnisch zu sein, aber als der Köder weit genug von dem Floß des Anglers fortgetrieben war, schoß der Barracuda plötzlich heran und schnappte nach ihm. Er hätte den Indianerjungen beinahe kopfüber ins Wasser gerissen, als er mit dem Haken im Rachen davonschnellte. Vorsorglich hatte Stumpfnase das freie Ende der Angelschnur an einen der Floßstämme gebunden, und so brauchte er die Schnur nur behutsam anzuziehen und wieder loszulassen, so daß der Barracuda sich selbst müde arbeitete.

Trotz seiner Jugend war Stumpfnase ein geschickter und erfahrener Angler, der schon große Fische gefangen hatte.

Lange war die Schnur gespannt wie eine Geigensaite, und das Floß wurde hin und her gezogen, während der Barracuda sich bald oben an der Wasseroberfläche tummelte und meterhoch heraussprang, um sich loszureißen, bald in die Tiefe hinabstieß und sich am Meeresboden zwischen den Korallenfelsen zu verstecken suchte.

Der Indianerjunge zog und nickte aus Leibeskräften an der Schnur, aber zunächst war der Fisch noch stärker als er.

Plötzlich fiel die gespannte Schnur schlaff zurück. Stumpfnase holte sie mit finsterer Miene ein. Er ahnte, was geschehen war.

Der Haken war fort. Die scharfen Zähne des Barracuda hatten die Schnur unmittelbar über dem Knoten abgebissen.

Wie der Fisch sich dann von dem knöchernen Haken befreien konnte, ist schwer zu sagen. Vielleicht gelang es ihm, diesen an einem Korallenast auszubrechen. Jedenfalls war er während der nächsten zwei bis drei Stunden verschwunden. Dann kam er wieder.

Nun biß er nicht mehr auf Köder, aber man brauchte nur einige Meter vom Strand ins Wasser zu waten, um ihn wie einen Blitz heranschießen zu lassen. Es sah fast so aus, als sei er entschlossen, sich wegen des Fangversuchs zu rächen.

Der Medizinmann schaute bekümmert drein. Die wichtigsten Bestandteile der täglichen Nahrung hatten sie ja doch gerade dadurch gewonnen, daß die Männer hinauswateten und angelten oder die Frauen verschiedene Arten von Tieren vom Meeresboden auflasen.

Nun war das nicht mehr möglich. Es war lebensgefährlich, in tieferes Wasser hinauszuwaten oder -zuschwimmen, solange sich dieses Untier in der Nähe befand.

Die Männer konnten natürlich auch weiterhin Fische von den Flößen aus angeln und harpunieren. Aber für etwa vierzig Menschen brauchte man schon große Mengen von Fischen. Das Essen wurde noch einförmiger, als man nicht mehr nach Muscheln, Schnecken und Krebsen zu tauchen wagte.

Der Fischfang war ebenfalls ungewöhnlich schlecht. Er sah aus, als ob der raubgierige Barracuda nicht nur die Menschen bedrohte, sondern auch die der Ernährung dienenden Fische aus der Nähe der Insel vertrieb.

So lagen die Dinge, als Sägefisch nach Ceysén hinüberpaddelte, um nach Läufer zu sehen.

Sie hatten nicht wieder miteinander gesprochen, seitdem sie sich vor mehreren Wochen am Strand getrennt hatten. Der Junge war wie vom Erdboden verschluckt, niemand auf der kleinen Insel hatte ihn auch nur flüchtig gesehen oder bemerkt, wenn man von dem Rauch seines Kochfeuers absah.

Nun wollte der Häuptling wissen, was aus seinem geheimnisvollen Plan geworden war.

Es dauerte nicht lange, und er hatte den Jungen gefunden. Läufer hatte ein kleines Feuer angebrannt und war gerade dabei, sich aus Strandmuscheln eine Suppe zu kochen, als Sägefisch aus dem dichten Gebüsch trat und sich ihm gegenüber auf den Stamm eines umgefallenen Baums setzte.

Beide schwiegen eine Zeitlang.

„Nun", fragte endlich der Häuptling, „hast du gefunden, was du gesucht hast?"

Läufer antwortete nicht sogleich, aber er hob den Kopf. Nun sah der Häuptling, daß er sich sehr verändert hatte. Innerhalb so kurzer Zeit

fast in einem erschreckenden Grade. Er war so abgemagert, daß ihm die Rippen herausstanden wie Weiden aus einem Korb. Das lange schwarze Haar hing ihm struppig und ungekämmt um die Schultern. Das Hüfttuch bestand nur noch aus Fetzen auf dem Leibe, als habe er versucht, Faden um Faden herauszuziehen.