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Sie spannten ihre Bogen zur Hälfte und warteten dann reglos. Der Köder schwamm kaum einige Minuten auf dem Wasser, als der Barracuda auch schon wie ein Torpedo herangeschossen kam. Der Blutgeruch schien ihn angelockt zu haben. Ein paarmal strich er dicht an der Lockspeise vorbei. Dann machte er eine jähe Wendung und schnappte zu. Für einen Augenblick war sein Rücken über dem Wasser zu sehen.

„Jetzt!"

Zwei Bogensehnen klatschten gegen das Holz, zwei lange Pfeile flogen durch die Luft. Sägefischs Pfeil kratzte den großen Fisch nur am Rücken und riß ihm ein paar Schuppen aus, die im Wasser langsam zu Boden tanzten. Aber Läufer war geübter und hatte besser gezielt. Sein Pfeil fuhr dem Fisch tief in die Seite, ungefähr eine Handbreit hinter der Kiemenspalte.

Der Barracuda sprang senkrecht in die Luft und fiel mit einem gewaltigen Geplätscher wieder ins Wasser zurück. Dann versuchte er davonzuschießen, aber das ging nicht so schnell wie sonst.

Der Pfeilschaft ragte aus dem Wasser heraus und wirkte wie eine Bremse, so daß er nur in großen Kreisen herumschwimmen konnte, und die Schnur hielt ihn in der Nähe des Floßes.

„Am besten, wir ziehen den Pfeil heran und schießen wieder, sobald der Fisch an die Oberfläche kommt", flüsterte Läufer voll Eifer. Der Häuptling war einverstanden. Er war jetzt genauso bei der Sache wie der Junge. Als der Barracuda zum zweitenmal in der Nähe des Floßes auftauchte, bekam er den Pfeil des Häuptlings in den Rücken, und nun war er nahezu hilflos. Nach einigen Minuten lag er längsseits an dem Floß und biß tückisch um sich.

Läufer schlug ihn mit der Steinaxt auf den Kopf. Dann zogen sie ihn auf das Floß.

Gab das einen Jubel auf der Insel, als die beiden Bogenschützen den langen Fischkörper an Land schleiften!

Alle wollten sich nun die neuen Waffen genauer ansehen, und alle lobten Sägefisch und seinen jungen Kameraden.

Schließlich kam auch der Medizinmann hinunter an den Strand. Er hob einen Zweig auf, berührte damit den Barracuda; dann warf er den Zweig ins Meer. Wenn die bösen Zauberer der Feinde den Fisch geschickt hatten, dann war der Zauber jetzt gebrochen.

„Dieser Fisch kann gegessen werden", sagte er ruhig. Dann wandte er sich an die Fänger.

„Hast du also doch karibische Bogen gemacht, du Schlingel!" sagte er und drohte Läufer mit seinem Stock. Er versuchte eine empörte Miene aufzusetzen, was ihm jedoch nicht ganz gelang.

„Nein, Großvater", antwortete der Häuptling, „das hier sind ganz und gar arowakische Bogen und Pfeile."

„Hm, hm", sagte der Medizinmann, „was für ein Unsinn! Wer hat je von arowakischen Bogen und Pfeilen gehört? Kannst du mir eine ordentliche Antwort auf diese Frage geben?"

„Das hier sind natürlich die ersten", räumte Sägefisch ein. „Aber du siehst doch selber, Großvater, daß sie ganz anders sind als die Bogen der Kariben — (Das war natürlich nicht ganz überzeugend, denn weder der Häuptling noch der Medizinmann wußten, wie ein karibischer Bogen aussah.) —, und da sie von einem Arowaken erfunden und angefertigt worden sind, so ... Übrigens hat Großvater Mummel ja selber gesehen, wie gut man damit Fische schießen kann, sogar karibische Zauberfische."

„Hm, hm, mag schon sein, wie du sagst. Aber nun soll Läufer selber antworten und sich nicht hinter dem Rücken des Häuptlings verkriechen. Was hast du dir denn noch ausgedacht, Junge?"

Der Bursche zögerte mit der Antwort, aber schließlich mußte er doch sagen, was er noch auf dem Herzen hatte.

„Großvater, hast du vor einiger Zeit nicht selbst gesagt, daß es gut wäre, wenn es ein arowakisches Kanu gäbe?"

„Ein arowakisches Kanu, Junge? Hm, wie sollte so ein Ding denn aussehen?"

Läufer begann in dem Bastbeutel zu suchen, den er an seinem Gürtel hängen hatte. Da waren Fadenreste, einige Angelhaken aus Muschelschalen, in einen Fetzen Tuch eingewickelt, und Wachs- und Harzbrocken. Aber schließlich fand er, was er suchte: ein Päckchen, eingehüllt in ein Stück Baumwollstoff, das er von seinem Hüfttuch abgerissen hatte.

Vorsichtig öffnete er das Päckchen und zeigte ein Kanumodell, das er aus einem Stück Treibholz geschnitzt hatte.

„So soll es aussehen, Großvater", sagte er ruhig.

Sein Gesicht zeigte jetzt keine Spur von Zaghaftigkeit oder Schüchternheit mehr. Er war ein Mann, der mit einem Mann redete.

Der Medizinmann nahm das kleine Modell vorsichtig in seine alten, runzligen Hände und ging an einen kleinen Tümpel zwischen den Felsen, der von der Flut zurückgeblieben war.

Dort setzte er das Kanu auf das Wasser und sah, wie gut es schwamm. Nach einer Weile belud er es mit einigen kleinen Korallenstücken, doch auch durch die Belastung kenterte es nicht.

Schließlich erhob er sich und reichte das Modell zurück. Alle sahen, wie seine schwarzen Augen vor Zufriedenheit funkelten und wie es um seine Mundwinkel zuckte.

„Geh du hin und bau dein arowakisches Kanu! Je früher, je besser", sagte er. „Wenn du einige Männer als Gehilfen brauchst, dann kann Sägefisch das wohl regeln, denn die Sache ist wichtig."

Nun wandte sich der Medizinmann um und ging. Als er einige Schritte zurückgelegt hatte, blieb er stehen und erklärte: „Aber das eine sag ich dir ein für allemaclass="underline" arowakische Kannibalengötter erfindest du mir nicht! Merk dir das, Junge!“

Der Bau des Kanus

Der Bau des arowakischen Kanus war jedoch wesentlich schwieriger als die Herstellung des arowakischen Bogens.

Zunächst einmal mußte man ja einen geeigneten Baum finden, und das war auf den Inseln im Meer nicht leicht, denn der größte Teil der Vegetation bestand dort nur aus verschiedenen Mangrovenarten. Diese Bäume werden selten so stark, daß man sie zu Booten aushöhlen kann. Ihr Holz erweist sich beim Behauen als knochenhart, und außerdem ist es viel zu schwer, um als Holz für ein Kanu zu dienen: es versinkt im Wasser.

Die einzige Möglichkeit, ein Kanu zu bauen, bestand darin, daß man einen großen Baumstamm aushöhlte. Die Indianer besaßen ja keine Baumsägen, auch keine Hobel oder Nägel — sie wußten nicht einmal, was für Dinge das waren. Dazu gehörten sie einem Stamm an, der die Verwendung von Metallen noch nicht kannte. Aus diesem Grunde vermochten sie kein Wasserfahrzeug aus Bohlen zu bauen.

Bretter mit der Hand zurechtzuschnitzen wäre zudem noch mühsamer und schwieriger gewesen, als einen großen Baumstamm auszuhöhlen. Der einzige Baum, dessen Holz für ein Kanu in Frage kam, war der riesige Ceiba, der in der Mitte der größeren Insel auf einem niedrigen Hügel stand.

Der Ceiba war fast zu groß. Vier Männer waren nötig, um den Stamm unmittelbar über den breiten, plankenförmigen Wurzeln zu umspannen, sie konnten gerade noch ihre Fingerspitzen berühren.

„Wie in aller Welt sollen wir diesen Riesen fällen?" fragte Stumpfnase nachdenklich und sah bald an dem gewaltigen Baum hinauf und bald auf seine kleine Steinaxt hinab, die er in der Hand hielt. „Es wird wohl mindestens ein Jahr dauern, bis wir es geschafft haben." „Du redest, wie du es verstehst, Junge!" antwortete der Häuptling. „Wir nehmen natürlich Feuer zu Hilfe."

Sie befolgten die Anweisung von Sägefisch, aber trotzdem ging es recht langsam voran.

Zuerst klopften sie die Rinde von dem Baumstamm und schälten ihn, soweit sie hinauflangen konnten. Dann trugen sie große Mengen dürrer Äste zusammen, schichteten sie um die Wurzeln des Baumes und brannten sie an.

Als das Feuer niedergebrannt war, hatte es die äußerste Schicht des Baumstammes einige Meter hoch verkohlt. Sie konnte abgekratzt oder abgeschlagen werden. Sobald das getan war, wurde erneut Holz gesammelt und Feuer angebrannt.