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Schließlich war die Benbow ein Kriegsschiff und konnte auf die zarteren Gefühle ihrer Insassen keine Rücksicht nehmen.

XII Befehl vom Flaggschiff

Den Hut fest unter einen Arm geklemmt, betrat der Ehrenwerte Leutnant Oliver Browne die große Achterkajüte und blieb wartend stehen, bis Bolitho von seinen Papieren aufblickte.

«Ja?»

Brownes weltläufige Züge blieben unbewegt, als er meldete:»Segel in Nordwest gesichtet, Sir. «Aus Erfahrung wußte er, daß Bolitho den Ruf aus dem Ausguck längst gehört hatte.

«Danke.»

Bolitho rieb sich die müden Augen. Sie hatten über eine Woche gebraucht, um den Treffpunkt mit dem Rest des Geschwaders zu erreichen. Zwei schnellen Segeltagen mit frischem achterlichem

Wind waren schlechtere Tage gefolgt, in denen immer wieder Segel und Rahen neu getrimmt werden mußten, weil der Wind umsprang; unzählige Male mußten die müden Toppsgasten aufentern, um in einer plötzlichen Sturmbö die Segel zu kürzen, und kaum waren sie unten an Deck, hieß es wieder aufentern zum Ausreffen, weil der Wind nachgelassen hatte.

Ihr Kurs hatte sie erst nach Westen auf den Atlantik hinaus geführt und dann nach Norden, an der Küste Portugals entlang. Ab und zu hatten sie ein fremdes Schiff gesichtet, aber wegen der Schwerfälligkeit der beiden großen Linienschiffe und wegen der großen Entfernung war nähere Rekognoszierung unterblieben. Jetzt warf Bolitho seinen Stechzirkel aus Messing auf die Seekarte und erhob sich.»Was für ein Schiff könnte das sein?»

Und welche Neuigkeiten würden ihn bei seinem kleinen Geschwader erwarten? Ganymede sollte inzwischen mit jedem der patrouillierenden Schiffe Kontakt aufgenommen und angekündigt haben, daß die Flagge des Konteradmirals bald wieder über dem Geschwader wehen würde.

«Angeblich eine Fregatte, Sir«, antwortete Browne.

Ihre Blicke trafen sich. Das ließ auf Phalarope schließen, es sei denn, sie hatten ein französisches Schiff vor sich, das unbemerkt durch die Blockade geschlüpft war.

«Darf ich mich erkundigen, welches Ihre Pläne sind, Sir?«forschte Browne.

«Zuerst werde ich mit Emes sprechen.»

Im Geist hörte er noch Herricks Worte: >Überlassen Sie ihn, mir, Sir. Ich erledige ihn ein für allemal.< Herrick war zwar loyal, aber voreingenommen. Und wie mochte Adam die Sache beurteilen? Schon zweimal hätte er beinahe einen frühen Tod gefunden, weil er den guten Namen seines Onkels verteidigte. Aber nein, Emes dünkte Bolitho nicht der Mann, der Adams Karriere opfern würde, um seinen eigenen Hals aus der Schlinge zu ziehen. Vor einem Kriegsgericht allerdings waren schon die unvermutetsten Wendungen eingetreten.

Draußen hörte er Herricks Schritte näher kommen; Ozzard beeilte sich, ihm die Lamellentür zu öffnen, und Bolitho bat Browne, sie allein zu lassen.

Herrick stürzte in die Kajüte und nahm kaum wahr, daß der Flaggleutnant an ihm vorbei hinauseilte.

«Nehmen Sie Platz, Thomas«, wies Bolitho ihn an.»Und beruhigen Sie sich.»

Noch geblendet vom gleißenden Sonnenlicht, sah Herrick sich nervös in der Kajüte um.

«Ich mich beruhigen, Sir? Das ist viel verlangt. «Er verzog das Gesicht.»Es ist doch tatsächlich Phalarope.«Fragend hob er die Augenbrauen.»Das überrascht Sie nicht, Sir?»

«Nein. Während unserer Abwesenheit hatte Kapitän Emes hier das Kommando. Er ist ein erfahrener Kommandant. Wäre da nicht sein früheres Mißgeschick, hätte sein Verhalten bei der Ile d'Yeu kaum Kritik ausgelöst. Nicht einmal von Ihnen, Thomas.»

Herrick rutschte auf seinem Stuhl herum.»Das bezweifle ich.»

Bolitho trat zu den Heckfenstern und beobachtete die Möwen, die über dem Kielwasser kreisten; der Koch hatte wahrscheinlich Abfälle über Bord geworden.

«Ich brauche jeden erfahrenen Offizier, Thomas. Wenn einer davon versagt, dann trifft seinen Kommandanten die Schuld. Und wenn ein Kommandant sich als zu schwach erweist, dann liegt die Verantwortung dafür beim Admiral. «Er lächelte säuerlich.»In Emes' Fall also bei mir. «Erhob die Hand.»Nein, lassen Sie mich ausreden, Thomas. Viele Offiziere meines Geschwaders sind noch unerfahren. Wenn sie bisher auf zornigen Widerspruch stießen, dann kam er von keinem höheren als dem Master oder dem Ersten Offizier. Habe ich recht?»

«Kann schon sein, Sir.»

Bolitho lächelte.»Das ist nicht gerade eine begeisterte Zustimmung, Thomas, aber für den Anfang reicht's. Wenn wir, wie es meine Absicht ist, diese französischen Schiffe angreifen und vernichten wollen, werde ich von meinen Kommandanten das Äußerste verlangen müssen. Inzwischen steht fest, daß wir auf Verstärkung nicht hoffen können, auch Sir John Studdart hatte keine Anweisung, eines seiner eigenen Schiffe zu unserer Unterstützung abzustellen. «Bolitho bemühte sich gar nicht erst, die Verbitterung in seinem Ton zu verbergen.»Nicht mal ein armseliges Mörserboot!»

Oben an Deck erklang Wolfes durch den Schalltrichter verstärkte Stimme, gefolgt vom Klappern der Blöcke und Knirschen der Fallen, als die Männer seinen Befehlen nachkamen.

Herrick erhob sich.»Wir gehen auf den anderen Bug, Sir.»

«Lassen Sie sich nicht aufhalten, Thomas. Wenn Sie so weit sind, drehen Sie bitte bei und rufen Sie Kapitän Emes an Bord. Er wird schon damit rechnen.»

«Trotzdem glaube ich. «Herrick verschluckte den Rest und grinste bedauernd.»Aye, aye, Sir.»

Kurz darauf erschien Browne wieder in der Kajüte und meldete:»Wir signalisieren Phalarope, daß der Kommandant an Bord des Flaggschiffs erwartet wird. «Seine Stimme klang verwundert.»Ich hätte gedacht, daß Sie auch Ihren Neffen kommen lassen, Sir?»

«Ich möchte ihn sehr gern sehen. «Bolitho blickte zu den Decksbalken auf, als oben nackte Füße über die Planken hasteten.»Und ich komme mir schäbig vor, weil ich mich seiner bediene.»

«Inwiefern bedienen Sie sich Pascoes, Sir?»

«Emes ist Kommandant der Phalarope und kann entscheiden, ob er als freundliche Geste mir gegenüber seinen Ersten Offizier mitbringt oder nicht. Tut er es nicht, beherrscht er das Feld allein und hat keinen Widerspruch zu befürchten, zumal er der erste Kommandant ist, den ich hier anhöre. Andererseits — wenn er meinen Neffen mitbringt, riskiert er, daß Adam gegen ihn spricht.»

Brownes Gesicht hellte sich auf.»Das ist ein kluger Schachzug,

Sir.»

«Man lernt dazu, Oliver. Auch wenn's schwerfällt.»

Das Deck krängte stark und die Rahen ächzten, als die Benbow schwerfällig beidrehte. Achteraus sah Bolitho die Nicator Segel kürzen und etwas zurückfallen, um besser über ihre Begleitschiffe wachen zu können.

Browne meldete sich ab.»Ich gehe an Deck, Sir.»

«Ja. Halten Sie mich auf dem laufenden.»

Mit der Hand schon auf der Klinke, sagte Browne zögernd:»Und wenn Kapitän Emes Sie enttäuscht, Sir…»

«Dann expediere ich ihn mit dem nächsten Schiff vors Kriegsgericht. Wie ich schon zu Kapitän Herrick sagte, brauche ich dringend jeden guten Offizier, aber ich schicke Phalarope lieber unter dem Kommando eines Kadetten gegen den Feind, als noch mehr Menschenleben zu opfern, weil ich den guten Onkel spielen will!»

Browne nickte zufrieden und trollte sich.

Als er blinzelnd ins Sonnenlicht trat, fiel Herrick über ihn her:»Und womit vertreiben Sie sich die Zeit, Mr. Browne?»

«Ich war beim Admiral, Sir. Er hat mir seine Einschätzung der Lage dargelegt, Punkt für Punkt, wie ein Maler ein Bild komponiert.»

«Hm. «Herrick wandte sich der alten Fregatte zu, die jetzt mit backstehenden Segeln in den Wind drehte, um ein Boot auszusetzen.»Hoffen wir, daß niemand den Rahmen zerbricht, ehe das Bild fertig ist«, fügte er trocken hinzu, und als er Brownes überraschtes Gesicht gewahrte:»O ja, Mr. Browne mit e, auch andere Leute haben Grips im Kopf, müssen Sie wissen.»

Browne verkniff sich ein Grinsen und ging nach Lee hinüber, als Major Clinton, dessen Gesicht fast so rot war wie sein Uniformrock, auf Herrick zumarschiert kam und fragte:»Ehrenwache,