Er berichtete:»Der Kutter ankerte etwas abseits von den anderen, Sir. Ich ließ zwei gute Schwimmer außenbords gehen und die Ankerleine durchschneiden, damit der Kutter mit dem Wind auf mein Boot zutrieb. In dieser Nacht hatten wir Sturm, und mein Boot nahm eine Menge Wasser über. «Er grinste in der Erinnerung, und damit verschwand die Anspannung aus seinem Gesicht.»Ich wußte, wir mußten diesen verdammten Fischkutter erobern — oder uns schwimmend auf die Suche nach Rapid machen.»
«Gab es einen Kampf?»
«Der Kutter hatte vier Soldaten an Bord, was ich vorher nicht wußte, Sir. Sie erschossen den armen Miller und schlugen Thompson bewußtlos, ehe wir die Oberhand gewannen. Das Ganze war schnell vorbei.»
«Ich bin stolz auf Sie. «Seltsam, er dachte an den toten Miller wie an einen alten Bekannten.»Und niemand hat Alarm geschlagen?»
«Nein, Sir, da bin ich mir ganz sicher. «Searle fügte noch hinzu:»Ich ließ die Leichen in der Dunkelheit über Bord gleiten, auch Miller. Vorher ließ ich sie mit Ballast beschweren, was so zur Hand war, damit sie schnell untergingen. Sie werden bestimmt nirgendwo angetrieben, um ihr Schicksal zu verraten.»
«Ich danke Ihnen, Mr. Searle.»
Aber der Leutnant sprach zögernd weiter.»Wie ich hörte, planen Sie, den Kutter gegen den Feind einzusetzen, Sir. Wenn dem so ist, möchte ich mich dafür freiwillig melden.»
«Wer hat Ihnen das erzählt?»
Unter Bolithos scharfem Blick errötete der junge Mann.»Ich — das habe ich vergessen, Sir.»
Bolitho mußte lächeln.»Macht nichts, ich kann es mir denken. Ich ernenne Sie mit Freuden zum Anführer der Kutterbesatzung. Offensichtlich sind Sie ein einfallsreicher junger Mann. Mit Ihnen und dem schon unheimlichen Talent meines Flaggleutnants, immer recht zu behalten, sollte die Aktion ein voller Erfolg werden.»
Beide wandten sich um, weil Herrick an Deck erschien. Bolitho informierte ihn:»Es geht heute abend los. Sagen Sie Major Clinton, daß ich vier seiner besten Scharfschützen mit der Prisenmannschaft losschicken will. Und einen guten Steuermannsmaat werden sie auch brauchen. Sorgen Sie dafür, daß uns Mr. Grubb den besten Mann gibt, den er hat, und nicht den, der sich am ehesten entbehren läßt.»
Herrick zog ein Gesicht, als wolle er protestieren, überlegte es sich aber anders.
Bolitho wandte sich wieder an den Leutnant.»Ich werde Ihnen noch Ihre Befehle geben, möchte Sie aber schon jetzt darauf aufmerksam machen, daß Ihre Sache hoffnungslos ist, wenn Sie in
Gefangenschaft geraten.»
«Das weiß ich, Sir. «Er grinste vergnügt.»Auch alle meine Leute sind Freiwillige.»
Wieder blickte Bolitho zum Fischkutter hinab. Jetzt wurde ihm manches klar. Er hatte sich Vorwürfe gemacht, weil er Menschenleben aufs Spiel setzte, aber dieser junge Teufel war ihm ehrlich dankbar dafür. Dankbar für die Chance, sich auszuzeichnen — eine der seltenen guten Gelegenheiten, auf die der junge Offizier sehnsüchtig wartete. War er in seiner Jugend nicht genauso gewesen? Er ordnete an:»Bringen Sie die Gefangenen an Bord und schicken Sie noch mehr unserer Leute hinüber, die Mr. Browne bei der Durchsuchung helfen können. «Mit einem Blick zum Himmel, der sich schon verdunkelte, und zu den Mastspitzen, die das letzte Tageslicht einfingen, fügte er noch hinzu:»Herrgott, Thomas, das Warten auf einen Eröffnungszug des Feindes hängt mir zum Halse heraus. Es wird Zeit, daß wir sie aus ihrem Bau schDeauncnhefnie!«l ihm Allday auf, der auf dem Backbord-Seitendeck stand. Seltsam gespannt und wie erstarrt blickte er auf das Fischerboot hinab. Wenigstens blieb Allday die Teilnahme an diesem tollkühnen, riskanten Unternehmen erspart, dachte Bolitho.
Er wartete an Deck, bis die kleine Schar ihrer Gefangenen herbeigeschafft war, an der Spitze die drei französischen Soldaten. Hinter ihnen kam einer von Clintons Seesoldaten und trug mit angewidertem Gesicht eine blutige französische Uniform über dem Arm. Ihr vorheriger Besitzer hatte keine Verwendung mehr für sie.
Erst als es schon ganz dunkel war und die Schiffe für die Nacht Segel refften, kehrte Browne auf die Benbow zurück.
«Dieses Boot stinkt wie eine Kloake, Sir! Und die Mannschaft auch!»
«Haben Sie etwas gefunden?»
Browne nickte.»Der Kutter stammt aus Brest, nicht hier aus der Gegend. Wir hatten Glück. Ich habe den Skipper überzeugen können, daß wir ihn später laufenlassen, wenn er uns die Wahrheit sagt. Und daß er im anderen Fall von der Rah baumeln wird. Er hat mir glaubhaft versichert, daß hier ein ganzes französisches Geschwader stationiert ist — mit dem einzigen Auftrag, die Invasionsflotte zu schützen. Und es klang mir so, als sei Konteradmiral Remond der Oberbefehlshaber. «Browne sah, daß Bolitho die Augen zusammenkniff.»Ich wußte ja, daß wir ihm noch einmal begegnen, Sir.»
«Ja. Wollen Sie immer noch an dieser Aktion teilnehmen, Oliver? Wir sind jetzt unter uns, also sprechen Sie offen. Sie kennen mich inzwischen gut genug, um zu wissen, daß ich es Ihnen nicht verübeln würde, wenn Sie es sich anders überlegten.»
«Ich möchte aber mitfahren, Sir, jetzt noch mehr als vorher. Vielleicht wegen Remond und wegen Styx und auch, weil ich Ihnen dann endlich eine wirkliche Hilfe sein kann, statt Ihnen dauernd nur Depeschen zu reichen und Signale zu notieren.»
Bolitho berührte kurz seinen Arm.»Ich weiß es zu schätzen, Oliver. Danke. Aber jetzt müssen Sie sich fertigmachen.»
Als Browne davoneilte, trat Herrick zu Bolitho.»Er ist keine Kämpfernatur, Sir«, sagte er.
Überrascht und gerührt, daß Herrick sich um Browne zu sorgen schien, den er bisher immer nur kritisiert hatte, blickte Bolitho seinen Freund an.»Vielleicht nicht, Thomas. Aber er besitzt Mut, den er auch einmal beweisen muß.»
Herrick blickte stirnrunzelnd Wolfe entgegen, der mit einer Namenliste auf ihn zukam.»Verdammt, gibt es immer noch Unklarheiten?»
Lächelnd wandte Bolitho sich zum Gehen. Fast zu beiläufig sagte er noch:»Ich habe ein Signal an Phalarope abzusetzen. Das schreibe ich jetzt aus, damit es im ersten Tageslicht übermittelt werden kann.»
Dickfellig wie immer blickte Wolfe auf und erkundigte sich bei Herrick:»Gibt's Ärger, Sir?»
«Bin mir nicht sicher. «Herrick konnte seine Unruhe nicht verbergen.»Tausendmal lieber als dieses Katz-und-Maus-Spiel wäre mir das Krachen der Breitseiten in einem ehrlichen GeWche. «mußte grinsen.»Sir, zu den Leuten, die zur Beförderung anstehen…»
Die geflickten Segel steif wie Bretter, arbeitete sich der Fischkutter durch den rauhen Seegang; das Lee-Schandeck schnitt ständig unter.
Leutnant Searle, wie die meisten seiner Männer in Ölzeug und hohen Stiefeln, wie die Fischer sie trugen, befahl scharf:»Bleibt hoch am Wind, verdammt!»
Neben Searle balancierte Browne und kämpfte um sein Gleichgewicht, während das Boot unter ihm stampfte und bockte. In seinem französischen Soldatenrock mit dem weißen Brustriemen war er vollauf damit beschäftigt, seine Würde zu wahren.
Der Morgen dämmerte schon herauf, aber der Himmel blieb bewölkt, und hier unten wirkte die See sehr viel gefährlicher und wilder, als vom hohen Achterdeck der Benbow aus gesehen.
Sie hatten die Nacht durchgearbeitet, um das Boot für ihre Zwecke herzurichten; die ganze Fischereiausrüstung war über Bord gegangen. Aber gegen den Fischgestank ließ sich nichts unternehmen. Brownes einziger Trost war, daß er sich oben in frischer Luft aufhalten konnte, während die meisten seiner Männer sich in der stinkenden Fischlast zusammendrängen mußten. Der Steuermann — Mr. Grubb hatte ihnen seinen Stellvertreter mitgegeben — an der Pinne warnte:»Feindliche Küste direkt voraus,
Sir.»
Browne schluckte unwillkürlich.»Danke, Mr. Hoblin.»
Er mußte dem Mann blind vertrauen, denn sehen konnte er nichts; aber Grubb hatte ihm vor dem Ablegen versichert:»Mr. Hoblin hat die richtige Nase, Sir!»
Eiskalte Gischt flog übers Dollbord und klatschte auf Searles Kopf und Schultern nieder, der die Zähne zusammenbiß und hervorpreßte:»Ich bezweifle, daß die Franzosen so früh schon ein Wachboot patrouillieren lassen; die sind bestimmt nicht scharf auf ein kaltes Bad.»