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Midshipman Stirling, der mit seiner roten Wollmütze eher wie ein Pirat aussah, fragte:»Wie dicht gehen wir ran, Sir?»

Browne konnte aus der Frage des Jungen keine Furcht heraushören. Sie klang eher ungeduldig, als könne er es nicht abwarten, daß endlich etwas geschah.

«So dicht wir es wagen.»

Searle meinte:»Wenigstens ist der Wind stetig: Nordost. Wenn wir unbemerkt unter die anderen Fischkutter gelangen, ist das Ärgste überstanden. Die Franzosen werden uns nicht anpreien, wenn sie erst Sie gesehen haben. «Er grinste.»Soldaten sind allen Fischern der Welt verhaßt, ebenso wie Zöllner, die Marine und sogar ein biederer Gendarm.»

Ein Seemann, der lang ausgestreckt im Bug lag und Ausschau hielt, rief heiser:»Zwei Boote an Steuerbord voraus!»

Hoblin ergänzte:»Fischkutter, ebenfalls unterwegs nach Hause.»

Die Besatzung eilte an Schoten und Fallen, aber Browne bremste sie:»Langsam, Männer! Ihr seid Fischer, nicht Matrosen der Kriegsmarine. Also laßt euch Zeit!»

Grinsend stießen sie einander an, als sei alles nur ein Possenspiel.

Searle befahclass="underline" »Legt sie auf den anderen Bug! Aber haltet euch in Luv von den beiden. «Er wandte sich um, während die Segel laut zu killen begannen und sich auf dem neuen Schlag dann wieder mit Wind füllten.»Belle Ile muß nördlich von uns liegen.»

Der Steuermann nickte und schielte auf den Kompaß.»Höchstens zwei Meilen entfernt, Sir. «Niemand focht sein Urteil an, und das freute ihn. Schließlich war er bei weitem der Älteste an

Bord.

«Verdammt, jetzt fängt's auch noch an zu regnen.»

Browne nickte unbehaglich und versuchte, die rauhe französische Uniform am Hals enger zusammenzuziehen. Fast noch schlimmer als der Fischgestank war der Geruch nach altem Schweiß, den ihr Vorbesitzer hinterlassen hatte.

Große, schwere Regentropfen fielen erst vereinzelt, dann zischend wie ein Hagelschauer und peitschten die Wasseroberfläche, das Boot und seine geplagten Insassen.

Browne stöhnte.»Ich werde nie wieder über Fisch lästern! Die Männer, die ihn fangen, verdienen jeden Penny, den sie dafür kriegen!»

Langsam und widerwillig kroch das erste Tageslicht durch die schwere Wolkendecke und die Regenschleier. Rundum nahmen immer mehr Boote Gestalt an. Sowie sie in Sicht kamen, verteilten sie sich, um in gebührendem Abstand voneinander die Netze auswerfen zu können.

Searle befahclass="underline" »Wir steuern weiter genau Ost. «An Browne gewandt, fügte er hinzu:»Damit behalten wir die Luvposition und kommen gleichzeitig näher ans Festland heran. «Durch den Regen starrte er Browne an.»Bald müssen wir ungefähr dort sein, wo Ganymede auf Sie stieß.»

«Ja.»

Browne wischte sich den Regen aus den Augen. Er konnte immer noch nicht darüber sprechen, außer mit Bolitho. Ihm fühlte er sich durch dieses schreckliche gemeinsame Erlebnis verbunden.

Dann spähte er zum Großmast mit seinem uralten, verschlissenen Rigg hinauf.

«Wie war's mit einer Kletterpartie, Mr. Stirling?»

Der Midshipman zog seinen Gürtel enger.»Aye, Sir. Was soll ich machen?»

«Gute Idee«, sagte Searle und klopfte Browne auf die Schulter.»Entern Sie auf, nehmen Sie Segelhandschuh und Nadel mit, als hätten Sie oben etwas zu reparieren. Obwohl ich bezweifle, daß die Fischer Teleskope an Bord haben.»

Stirling glitt behende am Mast in die Höhe und war oben bald scheinbar in seine Arbeit vertieft.

Corporal Coote, einer der vier Soldaten, die den Gestank und die Unbequemlichkeit der Fischlast aushaken mußten, reckte hoffnungsvoll den Hals, spähte übers Süll und blickte die beiden Leutnants fragend an.

«Na, Corporal?«erkundigte sich Browne.

«Wir haben in einer alten Kiste hier unten ein paar Weinflaschen gefunden, Sir. «Sein Gesicht war ein Bild reiner Unschuld.»Wenn wir im Einsatz sind, lassen uns die Offiziere sonst immer einen Schluck trinken.»

Browne nickte.»Ich nehme an, das geht schon in Ordnung.»

Aber der Steuermann an der Pinne fuhr mit lauter Stimme dazwischen:»Du bist dir wohl für keine Lüge zu schade, Coote! Ich weiß genau, was eure Offiziere erlauben und was nicht.»

Zerknirscht verschwand der Corporal außer Sicht, und Hoblin murmelte:»Vermaledeite Kommißköppe! Halten zu Gnaden, meine Herren, aber die würden einem Krüppel noch das Holzbein klauen, um Feuer damit zu machen!»

Browne warf Searle einen Blick zu und grinste.»Dabei hätte ich selber einen Schluck gebrauchen können.»

Searle wandte sich wortlos ab. Browne war zwar ranghöher als er, hatte aber offenbar nicht die harte Schule der unteren Decks durchlaufen — oder der Kasernen. Er lockerte den Säbel an seiner Seite. Das wäre ein schönes Ende ihrer Unternehmung gewesen, wenn sie mit einer Mannschaft, die zur Hälfte aus Betrunkenen bestand, auf den Feind gestoßen wären!

Er befahclass="underline" »Noch einen Strich höher an den Wind! Und haltet scharf Ausschau, alle!»

Soweit Browne sehen konnte, bestand die Fischereiflotte aus zirka dreißig Fahrzeugen. Geschickt hielt ihr Steuermann sie abseits von den anderen, während die Seeleute sich auf dem unordentlichen Deck mit Netzen und Taljen beschäftigten, als seien sie ihr Lebtag lang auf Fischfang gegangen.

«Ich sehe keine Soldaten, jedenfalls nicht an Deck. «Searle schlug frierend die Hände gegeneinander.»Wenn ich's doch nur wagen könnte, ein Fernglas zu benutzen!»

Hoch über Deck hing Midshipman Stirling schwingend auf seinem luftigen Sitz, starrte zu den anderen Fischerbooten hinüber und ließ die Beine im Regen baumeln. Wie die meisten jugendlichen Seekadetten war er schwindelfrei. Er sah zu, wie der Regen sich vor dem Bug teilte und das Nachbarboot einhüllte, das etwa eine Kabellänge entfernt an Steuerbord segelte. Dabei täuschte er weiter Ausbesserungsarbeiten vor, obwohl er die Segelnadel gleich in den ersten Minuten auf seinem unsicheren Sitz verloren hatte.

Unter ihm sackte das Boot wieder in ein Wellental ab, und Stir-ling hörte einen Taljenblock quietschen, als er auf seinem Bootsmannstuhl wie ein Kartoffelsack gegen den Mast geschleudert wurde.

Und da sah er sie: Sie leuchteten selbst noch im grauen Morgenlicht, ihr Rigg und die gekreuzten Rahen glänzten vor Nässe.

«Backbord voraus, Sir!«rief er nach unten.»Fünf, nein, sechs Linienschiffe vor Anker!«Vor Aufregung hätte er fast gestottert.

An Deck wechselten Hoblin und die beiden Leutnants fragende Blicke. Der Steuermann sagte:»Vor zwei Tagen waren die aber noch nicht hier, Sir. Müssen heimlich von Lorient gekommen sein. Sonst wären sie gesichtet worden.»

Browne rief zu Stirling hinauf:»Noch mehr?»

«Kann ich nicht sagen, Sir. Drüben geht wieder eine Regenbö nieder. Aber ich bin fast sicher, daß dort noch kleinere Schiffe vor Anker liegen.»

Browne sah Searle an.»Das ist Remonds Feuerwehr, möchte ich wetten. Seine schnelle Einsatztruppe. «Er packte seinen neuen Freund am Arm.»Seltsam. Wir wollten ja unbedingt rekognoszieren, aber jetzt, da wir sie entdeckt haben, ist der Schock groß.»

«Was nun?»

Browne starrte über die Gischt nach vorn. Stirling mußte gute Augen haben, dachte er. Denn er selbst konnte nichts anderes sehen als die endlos auf sie einstürmenden weißen Wellenkämme.

«Wir müssen zurück zum Geschwader. Konteradmiral Bolitho muß erfahren, daß die Franzosen von Lorient ausgebrochen sind.»

«Vorsicht, Sir!»

Ein Seemann deutete mit teerschwarzem Daumen auf einen Fischkutter dichtbei, der ihnen bisher nicht aufgefallen war. Jetzt aber befand er sich auf konvergierendem Kurs, und zwischen den Regenschleiern erkannte Browne an Bord zwei Uniformierte, schlimmer noch: ein Drehgeschütz im Bug.

Searle befahl heiser:»Weitersagen: nicht beachten!»

Browne bemerkte einen sofortigen Stimmungswechsel an Bord. Sogar Stirling oben hatte einen Arm um den Mast geschlungen, als wolle er in Deckung gehen.