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»Äh«, Werner klingt verlegen, als ob Babuschka irgendetwas gesagt hätte, was ihm ein bisschen peinlich ist, »nein, äh, also, ich freue mich, wenn Sie uns begleiten. Sie sind doch unser Ehrengast! Außerdem kann Kira gern mitkommen – ein so wohlerzogenes Kind habe ich immer gern dabei.«

Jetzt strahlt Anna Werner an und ich wünsche mir, Odette würde mich so ansehen. Babuschka hingegen zuckt mit den Schultern, sie scheint anderer Meinung zu sein. Mir unbegreiflich – sind denn wohlerzogene Kinder in diesem Russland so anders? Dazu sagt Babuschka aber leider nichts. Stattdessen ringt sie sich endlich mal zu einem Lächeln durch.

»Gutt, gutt. Dann komm ich mit. Vielen Dank, Herr Professor, für Einladung!«

»Klasse! Dann hole ich meine Jacke und sage Kira Bescheid.« Werner trabt aus der Küche, ich trabe hinterher. Im Wohnzimmer sitzt sie nicht mehr, also laufen wir weiter zu ihrem Zimmer. Kurz bevor wir es erreichen, bilde ich mir ein, Kiras Stimme zu hören – als ob sie mit jemandem redet. Und zwar ziemlich aufgeregt. Werner klopft kurz an, Kira öffnet. Außer ihr ist niemand da. Merkwürdig. Seit wann führt Kira Selbstgespräche? Werner scheint sich allerdings überhaupt nicht zu wundern. Was wiederum mich nicht wundert. Wahrscheinlich hat er es gar nicht gehört. Menschen haben ein wirklich grottenschlechtes Gehör. Jedenfalls im Vergleich zu uns Katzen.

»Hallo, Kira! Zur Feier des Tages lade ich euch zu meinem Lieblingsitaliener ein. Der macht die beste Pizza der Stadt. Wir wollen gleich los.«

»Herr Hagedorn, sind Sie böse, wenn ich hierbleibe? Ich bin ein bisschen müde.« Kira guckt sehr treuherzig und reibt sich tatsächlich die Augen. Komisch, wo kommt denn dieser plötzliche Schwächeanfall her? So kenne ich Kira gar nicht, normalerweise ist die um diese Uhrzeit immer fit wie ein Turnschuh!

Werner schüttelt den Kopf. »Na, ich finde es natürlich schade – aber wenn du müde bist, geh lieber früh ins Bett. Der Italiener läuft nicht weg, dann nehme ich dich ein anderes Mal mit.«

»Ja, genau. So werde ich es machen. Ich schmier mir schnell ein Brot und dann geht’s ab in die Falle.« Sie gähnt geräuschvoll.

»Alles klar. Dann gute Nacht!«

»Danke! Und Ihnen guten Appetit!«

Werner zieht den Kopf wieder aus dem Zimmer und schließt die Tür.

Seit ich Kira kenne, habe ich noch nie erlebt, dass sie freiwillig früh ins Bett geht. Vor allem nicht, wenn die Alternative eine leckere Pizza wäre. Hier stimmt etwas nicht. Und zwar ganz gewaltig!

Die Suche beginnt!

»Winston, sind sie weg?« Vorsichtig steckt Kira ihren Kopf durch den Spalt ihrer Zimmertür und lugt auf den Flur. Ich maunze laut – das soll heißen: Ja, Werner, Anna und Babuschka haben die Wohnung eben verlassen. Kira versteht mich anscheinend, jedenfalls kommt sie sofort aus ihrem Zimmer und kniet sich neben mich. »Bist du bereit für ein Abenteuer, Dicker?«

Erstens: Dicker??? Zweitens: Natürlich!!!

»Tom hat eben angerufen«, erklärt sie mir dann. Ach, darum hat Kira laut geredet! Das war gar kein Selbstgespräch – sie hat mit Tom telefoniert. »Emilias Mutter hat sich bei ihm gemeldet. Sie hat sich für unseren Besuch heute bedankt und gesagt, dass sie sich freut, wenn wir ihr helfen. Aber heimlich. Emilias Vater und die Polizei dürfen nichts davon wissen. Und deswegen müssen wir jetzt schnell zum Haus der Stettens. Weil Herr Stetten heute Abend nämlich nicht da ist.«

Heilige Ölsardine! Und das, obwohl ich es mir eigentlich gerade auf dem Sofa bequem machen wollte! Ich seufze. Innerlich. Kira muss ja nicht wissen, dass meine Abenteuerlust für heute ziemlich aufgebraucht ist.

»Oder willst du gar nicht mitkommen, Agent Winston?« Mist. Sie hat’s trotzdem sofort gemerkt. So ein Agentenleben ist aber auch beschwerlich. Ich recke mich in die Höhe und miaue höchst energisch. Natürlich komme ich mit!

»Dann aber los! Das ist die perfekte Gelegenheit – bei diesem Italiener sind Mama und die anderen bestimmt zwei Stunden beschäftigt. Die werden niemals merken, dass wir gar nicht da sind.« Sie läuft zur Garderobe, greift sich ihre Jacke und öffnet die Wohnungstür. Ich folge ihr.

Als wir unten auf der Straße ankommen, fällt mir ein, dass ich Kira unbedingt noch in den Plan der vier Muskeltiere einweihen muss. Genau genommen muss ich ihr sogar erst mal erklären, dass es die vier Muskeltiere gibt. Auch wenn ich Spike und Karamell gegenüber das Maul ziemlich vollgenommen habe, was die Verständigung zwischen Kindern und Katzen anbelangt: So richtig einfach wird das wohl nicht werden. Packen wir’s an!

Ich laufe vor Kira her und biege in den Hof ab.

»Hey, Winston! Nicht in den Hof! Dafür haben wir keine Zeit, denn irgendwann kommen Mama, Werner und Babuschka wieder, und wenn wir dann nicht zu Hause sind, gibt es bestimmt RICHTIG Ärger. Komm jetzt!«

Hm, wie mache ich Kira bloß klar, dass wir Odette, Spike und Karamell auf alle Fälle mitnehmen müssen? Ich setze mich erst mal und miaue lautstark.

Kira kommt zu mir. »Winston! Wir müssen schnell zu Stettens! Pauli und Tom sind auch schon unterwegs, wir wollen die doch nicht warten lassen. Aber wenn du nicht willst, dann bleib hier. Ich sammle dich auf dem Rückweg wieder ein.«

MAUNZ! Wieder einmal wünsche ich mir, Kira könnte noch meine Gedanken lesen. Das war wesentlich praktischer. Jetzt muss es irgendwie anders gehen. So gut ich kann, versuche ich, mich auf den Hinterbeinen sitzend aufzurichten und mit meiner Pfote mal Richtung Hof, mal Richtung Straße zu zeigen.

Kira fängt an zu lachen. »Was machst du da? Was soll das? Auf alle Fälle sieht es irre komisch aus!«

Okay. Nächster Versuch. Ich laufe weiter in die Hofeinfahrt, miaue laut und deutlich, drehe einen Kreis und laufe dann wieder zu Kira. Wahrscheinlich würde ich an ihrer Stelle auch nicht verstehen, was ich damit meine, aber etwas Besseres fällt mir auf die Schnelle nicht ein.

»Hm«, überlegt Kira, »was willst du denn bloß?«

Sie guckt in den Hof, der schon im Dunklen liegt. Ob sie draufkommt, wenn ich zum Unterstand laufe? Immerhin weiß sie, dass das der Treffpunkt der Hofkatzen ist. Von denen ist zwar leider niemand zu sehen, aber vielleicht versteht es Kira trotzdem. Ich sprinte also zu den Mülltonnen, mache einen Satz auf den Unterstand, maunze dort in alle Richtungen, springe wieder hinunter und laufe zurück zu Kira.

»Tja, also …«, Kira sieht richtig angestrengt aus, »du willst … ähm … ich soll …«, sie kratzt sich am Kopf, dann erhellt ein Lächeln ihr Gesicht, »du willst, dass wir deine Freunde mitnehmen? Ist es das?«

BINGO! Volltreffer! Ich schnurre sofort los, damit Kira gleich weiß, was Sache ist.

»Also das ist es tatsächlich! Aber warum denn nur?«

Ohgottohgottohgott! Bei meinen Schnurrhaaren! Wie erkläre ich das jetzt? Unseren gesamten komplizierten Katzen-Plan von den Ermittlungen in der Schule kann ich hier nicht auch noch vortanzen. Kann mir Kira nicht einfach vertrauen? Ich maunze noch einmal und deute wieder mit meiner Pfote Richtung Hof. Kira seufzt.

»Na gut, wenn es unbedingt sein muss! Aber wir können nicht stundenlang warten, dass deine Freunde aufkreuzen. Entweder sie kommen gleich, wenn ich sie rufe – oder wir gehen ohne sie los. Klar?«

Miau. Klar wie Kloßbrühe.

Kira geht mit mir zum Unterstand und schlägt mit der flachen Hand auf das Dach.

»Odette! Katzen! Wo seid ihr? Kommt mal her!«

Ich maunze ebenfalls: »Los, Kollegen! Auf geht’s, das Abenteuer ruft!«

Ganz langsam kommt Odette zum Unterstand geschlichen. »Hey, Winston! Sag bloß, du hast Kira wirklich unseren Plan erklärt.«