«Ich werde mich mit Major Kenneth in Verbindung setzen. Er wird als Militärattache neue Nachrichten haben. Ich werde ihm unsere Hilfe anbieten. Das lenkt ihn auch ab von unseren Projekten. «Er blickte zu Dr. Hakanaki hin.»Übrigens weiß er nichts von den Spaltungen. Es wäre sinnlos, ihn hier eingehend zu befragen. «Das faltige Greisengesicht lächelte.»Sie können den >Verhandlungsraum< wieder ausräumen lassen, Dr. Hakanaki.«
«Wie Sie wünschen, Exzellenz. «Der Physiker hielt noch immer das Blatt mit der Meldung in den Händen.»Ich werde versuchen, mit unserem Mann in Los Alamos in Verbindung zu treten. Er soll versuchen, Gregoronow und Zanewskij zu finden. Unsere Zentrale in New York wird sofort verständigt.«
In Tanarenia war die Wirkung der Meldung, die man durch Zufall auf einer amerikanischen Wellenlänge entdeckte, von weniger großer Wirkung.
Dr. Sebaio und Dr. Ebberling lasen sie durch und sahen sich dann kurz an.
«Der Kampf beginnt«, meinte der Spanier und zerknüllte den Zettel mit der Meldung.»Dr. Paerson wird noch viel zu ertragen haben.«
Ebberling nickte und sah hinüber in das große Labor und durch die Fenster hinaus auf die schlanken Schornsteine des unterirdischen Werkes.
«Ein Segen, daß man Tanarenia nicht kennt und unsere Versuche. Ich bedauere Professor Paerson, Dr. Sebaio. Er ist ein genialer Kopf. Mit seiner Tochter Mabel hat man ihn jetzt abgeschlagen. Er wird uns nicht mehr gefährlich werden.«
«Und Sie haben keine Tochter?«fragte Dr. Sebaio vorsichtig.»Nein. «Eine steile Falte grub sich in die Stirn des Deutschen.»Meine Frau und drei Kinder kamen bei einem Bombenangriff auf Bremen um. Ich habe sie nicht wieder gesehen.«»Verzeihung«, sagte Dr. Sebaio leise und wandte sich ab.
In Nowo Krasnienka hockte Prof. Kyrill vor dem Empfänger. Sein asiatisches Gesicht war gerötet, als triebe Fieber durch seinen Körper.
Hin und her flogen die Worte zwischen Nowo Krasnienka und der Schlucht unterhalb des Emmons Peaks. Dr. v. Kubnitz hockte daneben, und seine Augen lagen tief in den Höhlen.
Gregoronow funkte. Mabel Paerson war erwacht.
«Was tun«, rief er durch den Äther.»Mabel Paerson tobt. Sie erleidet einen Schreikrampf. Zanewskij hat ihr eine Beruhigungsspritze gegeben.«
Prof. Kyrill schaltete um auf Sendung.
«Warten«, sagte er laut, indem er mit geübter Hand die Zahlen funkte.»Warten. Wir werden euch von Moskau die Befehle geben.«
In seinen Augen stand feuriger Triumph, als er den Kopfhörer abnahm und auf den Tisch legte. Dr. v. Kubnitz schwieg.
Kapitel 3
Heinz Behrenz, unter seinem neuen Namen James Nichols als Schlepper in Werk VI eingesetzt, wusch sich in der langen Waschkaue unter der Erde. Mit ihm standen fünfzig andere Arbeiter unter den warmen Brausen und seiften sich die nackten, beschmierten Körper ab. Der Dampf des heißen Wassers und der herumspringenden Leiber legte sich auf die Zunge.
Heinz Behrenz hustete und trat aus dem gekachelten Raum in ein Nebenzimmer, wo seine Kleider, ähnlich wie in den Kohlengruben, an langen Ketten unter der Decke hingen und durch ein paar Züge herabgeholt werden konnten.
Er trocknete sich ab und zog sich an. Man fragte ihn nicht, wo er herkam, wie er hieß. Er war ein Neuer, mochte der Boß im Personalbüro wissen, wer der Mann war. Ein paar sahen zu ihm hin und zogen sich dann weiter an. Wird wohl ein Ersatz für den Nichols, das alte Saufloch, sein, dachte man. Ist ja einfach weggeblieben, der Kerl. Schuldet noch fünf Dollar und fünfzehn Cents vom Pokern. Na ja, laß sie sausen… man verdient hier ja genug in der Stunde.
Heinz Behrenz sprach nicht von selbst mit seinen Arbeitskameraden. Er hielt nur die Augen offen, wo er auch hinkam, betrachtete genau die Cyclotronen, zu denen er Uran 235 schleppen mußte, beobachtete die Stapelung der Graphitblöcke in den Hanford-Brennern und besah sich genau das Kühlsystem und die Bremsvorrichtung für die schnellen Neutronen. Er hatte seine Blicke überall, wo er Wissenswertes zu entdecken glaubte, und er stellte Vergleiche an zu Nagoi, wo unter den Felsen von Hondo ein Atomwerk arbeitete, das ein Zwerg war gegen den Riesen von Los Alamos.
Einmal sah er ganz kurz einen blonden Lockenkopf durch die hohen Räume eilen. Er blickte ihm nach und vergaß, seine Lore weiterzuschieben. Die Arbeiter um ihn herum grinsten sich an.
«Netter Käfer, was?«sagte einer der Schlepper zu ihm und boxte ihm lachend in die Rippen.
«Ist die Tochter vom Alten! Mabel Paerson.«
«Ach so«, sagte Heinz Behrenz und sah ihr nach. Mabel Paerson, dachte er. Sie ist hübsch, was macht sie hier in der Atomstadt?
«Ist sie öfters hier?«fragte er seinen Nebenmann, während er die Lore weiterschob zum Hanford-Brenner.
«In letzter Zeit ja. Sie ist mit dem Dr. Bouth verlobt.«
«Dr. Bouth?«
«Der Assistent vom Alten. Der Lange.«
«Ach der?!«
«Ja.«
Sie schoben die Lore an die Schüttfläche und rollten das Gestein hinab in den Sammler. Dann schoben sie die leere Karre zurück und luden von den Eisenbahnwaggons neues, schwarzes Uran in die Eisenwannen.
Das war gestern gewesen. Heute hatte er Mabel Paerson vergeblich zu treffen versucht, und auch Dr. Bouth war nirgends zu sehen. Irgend etwas von einem Vorfall sickerte in den acht Stunden durch, die Heinz Behrenz seine Lore hin und her drückte. Auch nachher, im Schlafsaal sieben, drittes Plateau, wußte man nichts Genaues über das, was — man konnte jetzt schon deutlicher sprechen — außerhalb des Canons vorgekommen sein mußte. Nur soviel hatte ein Arbeiter, der wegen einer
Handverletzung zum Lazarett mußte, erfahren, daß Prof. Paerson plötzlich erkrankt war und seit dem Morgen sein Haus nicht mehr verlassen hatte. Dr. Bouth war die ganze Zeit bei ihm.
Heinz Behrenz legte sich auf sein Feldbett und nahm die neueste Ausgabe der Santa Fe Times von dem kleinen Tisch, der neben dem Bett stand. Ein Postdienst, der genau kontrolliert wurde, brachte auch die neuen Illustrierten und Tageszeitungen mit.
Wie kann ich meinen Kurzwellenapparat nach Los Alamos bekommen, dachte er, während er ein Lesen der Zeitung vortäuschte. Und wo soll ich ihn hier, wo jeder Winkel bewacht wird, aufbauen? In den Werken ist es unmöglich, in den angrenzenden Canons liegen die Truppen und die Polizei, und außerdem wäre es ein leichtes, den Sender dann anzupeilen, einen Sender, der wenige hundert Meter vom Funkhaus der Atomstadt entfernt japanische Meldungen funkt!
Er schaute auf seine Armbanduhr. Zweiundzwanzig Uhr dreißig. Jetzt hockt Dr. Hakanaki am Empfänger und sucht den Äther ab. Man wird in Nagoi nicht wissen, was eigentlich los ist mit dem Agenten Heinz Behrenz, Geheimnummer 12 B in den Listen der Militärs. Es muß doch einen Weg geben, den Sender, der in dem schweren Wagen außerhalb Santa Fes in den Hügelketten nahe Las Vegas steht, nach Los Alamos einzuschleppen. Die Zentrale in New York hatte alles pünktlich an die verabredeten Orte gebracht, nur er versagte jetzt, in einem Augenblick, wo es vielleicht um Stunden ging.
Unruhig erhob er sich und brannte sich eine Zigarette an. Ein Arbeiter vom Nebenbett gab ihm Feuer, als er sah, daß er vergeblich in seinen Taschen herumsuchte.
«Danke«, sagte Heinz Behrenz und bot dem Arbeiter eine Zigarette an. Der nickte und setzte sich auf sein knarrendes Bett. Es war ein älterer Mann mit vergilbten Gesichtszügen und einer roten Nase, die weniger wie die eines Trinkers aussah, sondern in einem kalten Winter erfroren sein mußte. Sein Anzug war sauber, aber alt und fadenscheinig. Ein Trauring an der Hand verriet, daß er hier arbeitete, um eine Familie zu ernähren.
«Wo arbeitest du?«fragte er Heinz Behrenz.»In der Strahlabteilung?«
«Nee. Ich bin Schlepper.«
«Block VI?«
«Hm. «Behrenz war vorsichtig und kroch in sich zusammen. Der Alte sog an seiner Zigarette und sah dem Rauch nach.
«Ist 'n komischer Dienst, was? War auch dabei, zuerst, vor zwei Jahren. Aber dann wurde ich zu schlapp und kehre jetzt die Säle aus und die Betonböden neben den Brennern. Immerhin ein Dollar die Stunde. Du kriegst mehr, was?«