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Ein Blitz in der Nacht Asiens.

Wegen drei lächerlicher Zähne.

Wegen nichts.

Nichts!

Er warf sich auf das Bett, mit dem Gesicht nach unten. Es würgte in seinem Hals. Er ekelte sich vor sich selbst.

Durch den Boden, getragen durch die Stahlbeine des Bettes, spürte er das Vibrieren des Bodens unter den Maschinen in den Felsen. Es war ein Zittern, das durch seinen ganzen Körper rann.

Mit der Ablösung der Nachtschicht ließ sich auch Heinz Behrenz aus Los Alamos hinausfahren. Wieder passierte er die Kontrollen, nannte seinen Namen — James Nichols — erhielt einen Stempel in den falschen Paß und verließ den Sperrgürtel der Atomstadt. Am Rand von Santa Fe setzte man ihn von dem Lastwagen ab. Dann entfernten sich die roten Rücklichter.

Die warme Sommernacht war um ihn. Über dem Himmel der Stadt stand der fahle Widerschein der Lampen. Um ihn herum dehnte sich das flache Sandplateau mit den bizarren Kakteen.

Frei, dachte er glücklich. Endlich wieder frei. Erlöst. Gerettet.

Er breitete die Arme aus und atmete die Luft ein.

Wie ein Vogel, der den ersten Flug wagt, wiegte er die

Arme auf und ab.

Wie soll ein neues Leben aussehen, dachte er. Arbeiter auf einer Farm, oder Fahrer eines Lastwagens, oder Kumpel in einer Erzgrube? Egal — es gibt so manchen Dollar in Amerika, den man verdienen kann, wenn man will.

Er wanderte durch die Nacht. In den Taschen klimperte der Lohn von zwei Tagen.

Vierundzwanzig Dollar.

Zweitausendvierhundert Cents.

Kerls, was kostet die Welt!

Er schlug die Straße nach Las Vegas ein, wo in den Hügeln der Wagen der Zentrale wartete. Das Auto mit dem Funkgerät nach Nagoi.

Als er beim Morgengrauen die Hügelkette liegen sah, atmete er auf. Jetzt noch ein Funkspruch, und alles ist erledigt, dachte er. Ich werde Dr. Hakanaki sagen, daß ich nicht schuldig sein will an den Tränen von Millionen.

Ich will ihm sagen…

Und dann verbrenne ich das Gerät… Das Gerät und mein bisheriges Leben…

Mit schnellen Schritten eilte er Las Vegas entgegen.

*

Der Marokkaner Kezah ibn Menra hatte in dieser Zeit Santa Fe noch nicht verlassen. Er saß noch immer in der Herberge für reisende Kaufleute und lebte den sorglosen Tag eines Händlers, der auf seinen Zügen einen guten Abschluß gemacht haben mußte. Er ging viel spazieren, immer in der Stadt, saß in den Cafes herum und las in den

Tageszeitungen und Journalen. Er fiel nicht auf, er war einer von den vielen Tausenden, die täglich durch Santa Fe gingen und das Wohlleben der Stadt bewunderten.

Aber er war nicht untätig. Was Heinz Behrenz und Gregoronow nebst Zanewskij als erste Aufgabe gestellt bekamen, nämlich Verbindungen zu suchen, fiel bei ibn Menra fort. Er kannte innerhalb von vier Stunden alle altspanischen Geschäfte Santa Fes, die sich wehrten, im Amerikanismus unterzugehen und treu zum alten Mutterland hielten, er wußte innerhalb sechs Stunden die Adressen spanischer Emigranten und einer Gruppe Männer, die Verbindung hatten zu Ingenieuren von Los Alamos. Er suchte spanische Wirtschaften auf, ließ sich bei einem spanischen Friseur rasieren und erfuhr aus vielen Einzelheiten das, was Behrenz und die Russen vergeblich suchten. Er war einer der ersten außerhalb des engen Kreises in Los Alamos, der von der Entführung Mabels wußte und der mit einer angeborenen Intelligenz, ohne in Tanarenia anzufragen, beschloß, sich in dieses Spiel der Kräfte einzuschalten.

Still. Unauffällig. Aus dem Dunkel heraus.

Während Gregoronow und Zanewskij noch in ihrer Höhle am Fuße des Emmons Peak saßen und mit Nowo Krasnienka funkten, während Heinz Behrenz auf der Straße nach Las Vegas wanderte, ein neuer Mensch mit dem Vorsatz, alles hinter sich abzubrechen, saß ibn Menra vor einem Telefon und sprach mit einem spanischen Fellhändler in Salt Lake City.

Es war ein reines Privatgespräch, das er führte. Der Händler war ein guter Bekannter, und ibn Menra freute sich, ihn jetzt wieder einmal hören zu können.

So erfuhr er ganz nebenbei und begünstigt von einem unvorstellbaren Glück, daß man am Ufer des Salzsees, bei

Ogdon, in einer Höhe von 1200 Metern die Trümmer eines verbrannten Flugzeuges gefunden habe, dessen Herkunft nicht mehr festzustellen sei. Die Polizei von Nevada rätselte herum und habe die Trümmer beschlagnahmt.

Kezah ibn Menra war wie elektrisiert. Er notierte sich die Angaben fieberhaft und verglich sie auf einer Karte.

Die Aleuten. Alaska. Kalifornien. Großer Salzsee. Santa Fe. Los Alamos. Es mußte stimmen, es gab gar keine andere Lösung. Es war das Flugzeug der Russen, die Mabel entführten. Und wo das Flugzeug war, mußten auch die Männer sein, mußte sich das Lager befinden, in dem man Mabel Paerson gefangen hielt.

Wie zufällig zeigte der Finger ibn Menras auf den Emmons Peak.

Die Augen des Marokkaners verengten sich. Sie wurden klein, schmal, kalt.

Seine Hand griff nach dem Telefon.

«Bitte, Los Alamos«, sagte er langsam, jedes Wort betonend.»Herrn Dr. Bouth oder Prof. Dr. Paerson. Die Nummern kenne ich nicht. Es eilt, Fräulein, es eilt sehr.«

Dann hängte er ein und wartete, trank seinen Kaffee und las weiter in der Zeitung, als sei in den letzten fünf Minuten nichts Besonderes geschehen.

Auch als der Apparat schellte, hatte er keine Eile, sondern legte die Zeitung bedächtig hin und warf noch einmal einen Blick nach der Karte.

Dann erst nahm er den Hörer ab.

Die Atomstadt Tanarenia, Spanien, griff in das Spiel ein.

*

In der Höhle unterhalb des Emmons Peaks standen Wassilij Gregoronow und Piotre Zanewskij vor Mabel Paerson.

Das Mädchen saß auf dem Feldbett und starrte die beiden Russen an, als erwarte sie jeden Augenblick einen Anfall. Sie hatte die drei Decken eng um ihren Körper gewickelt und die Beine angezogen. Es war trotz der Sommerhitze in den Bergen innerhalb der Höhle feucht und kalt. Das moosige Gestein atmete Fäulnis aus.

Zanewskij betrachtete Mabel Paerson mit dem breiten Grinsen eines Mannes, der im Augenblick über jeder Situation steht. Er stand, gegen die feuchte Felswand gelehnt, und rauchte eine Zigarette. Gregoronow kaute an den Knochen eines Koteletts und wischte sich dann die Finger an einem Handtuch ab, das er um den Hals gelegt hatte. Seine Blicke tasteten Mabel Paerson ab — sie waren hungrig nach Schönheit und blondem Erleben.

Zanewskij blies den Rauch gegen die Decke.»Nachdem Sie getobt haben, Mabel, werden Sie sicherlich einsehen, daß es sinnlos ist, sich mit uns anders zu unterhalten als vernünftig. Es läßt sich nicht leugnen, daß wir im Augenblick den Vorteil auf unserer Seite haben und alles versuchen werden, ihn auszunützen.«

«Was wollen Sie eigentlich von mir?«Mabel Paerson sah Zanewskij haßerfüllt an. Aber in ihrem Blick lag mehr Verachtung und Ekel als Wut.»Sie haben mich mit Chloroform betäubt und in diese Höhle geschleppt. Sie haben mir dumme Fragen gestellt, auf die ich Ihnen keine Antwort geben kann.«

«Will!«sagte Gregoronow hart.

Zanewskij winkte ab. Schweig, sollte das heißen. Zu einem Verhör braucht man Intelligenz. Deine Stärke kommt erst, wenn Worte nicht zu überzeugen vermögen.

Er schnippte die Asche von seiner Zigarette. Er sah elegant aus, überlegen. Unheimlich sicher in diesem Augenblick.

«Sie mögen recht haben, Mabel Paerson. Sie wissen nichts. Aber Ihr Vater weiß es, und Dr. Bouth weiß es auch, nämlich das, was wir wissen wollen. Da es aussichtslos ist, sich mit diesen beiden Herren privatim zusammenzusetzen, haben wir aus der Klamottenkiste politischer Machtkämpfe die größte und älteste Klamotte genommen: Entführung zum Zwecke der Erpressung! Es bewahrheitet sich auch hier, daß die guten, alten Hausmittel doch immer die besten sind.«