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«Mein Vater hat Ihnen schon geantwortet?«

Zanewskij schüttelte den Kopf.»Nein. Unser Schreiben kommt erst heute in seine Hände. «Er lächelte verbindlich.»Sie mögen uns für Gauner halten — wenn Ihr Vater oder Dr. Bouth sich weigert, werden Sie sehen, daß wir sogar Mörder sein können, aber ich stehe auf dem Standpunkt, daß dieses Mittel der Freiheitsberaubung immer noch das beste ist. Sehen Sie, da hat man von Moskau aus unter einem gewissen Yakowiew einen großen Spionagering in Amerika aufgezogen. Unser berühmter Fachmann A. A. A. — «Zanewskij lachte leise vor sich hin —»der gute Arthur Alexandrowitsch Adam spann sein Netz über ganz USA, nur zu dem Zweck, um hinter die Canons von Los Alamos zu blicken. Man schickte den kleinen, dicken Chemiker Harry Gold nach Santa Fe, man brachte ihn mit dem Dr. Klaus Fuchs zusammen, einem der drei Engländer, der Einblick in die amerikanische Atombombengeheimnisse besaß, man scheute keine Mittel, man spielte mit den raffiniertesten Tricks. Und der Erfolg? Man bekam so etwas wie einen Teil der Atombombe in die Hand, eine Zündeinrichtung, eine Mantelprobe, ein wenig technische Zeichnungen über die

Innendekoration… Dinge, die jetzt alle veraltet sind und deshalb wertlos. Und dafür der Riesenaufwand, dafür die Opfer auf dem elektrischen Stuhl, dafür der Kampf gegen den starken General Leslie Groves, der Los Alamos bewachte. «Zanewskij drückte seine Zigarette an der feuchten Mauer aus. Es zischte leise.»Heute spielen wir ein offeneres Spiel, primitiver, aber wirksamer: Ihr Tod oder das Geheimnis!«

Der letzte Satz riß Mabel Paerson empor.»Sie wollen mich umbringen?«

«Ihr Vater wird es tun, wenn er nicht auf unsere Vorschläge eingeht«, sagte Gregoronow gemein und fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen, als bereite ihm dieser Gedanke einen kulinarischen Genuß.

«Sie Tier!«Mabel Paerson wandte den Kopf zur Seite, damit andeutend, daß sie nicht mehr gewillt war, auf die Fragen der Russen zu antworten.

Zanewskij warf Gregoronow einen wütenden Blick zu und nickte mit dem Kopf zur Tür. Widerwillig ging Gregoronow aus dem Raum und schloß hinter sich die Bohlentür.

«Miß Paerson?«Zanewskij trat einen Schritt näher. Mabel fuhr herum und verkrampfte die Finger ineinander.

«Rühren Sie mich nicht an«, zischte sie.

«Keinesfalls. Diese Absicht habe ich nicht. Ich möchte mich mit Ihnen nur allein unterhalten. Gregoronow ist ein Affe. «Er setzte sich auf einen Hocker, der neben der Gummiwanne stand.»Es wäre schade«, sagte er eindringlich,»wenn eine Frau wie Sie für immer verschwinden würde.«

«Mein Vater wird mich erlösen.«

«Aber nur gegen sein Geheimnis.«

«Das wird er nie preisgeben!«

«Auch nicht um den Preis seiner Tochter?!«

«Auch um den nicht!«Sie sah ihn starr an.»Ich würde es selber nicht wollen!«

«Sie sprechen leichtsinnig über Ihr Leben, Miß Paerson.«

«Weil ich weiß, daß Dr. Bouth Sie jagen wird, und wenn es sein muß rund um die Welt!«

Zanewskij lächelte zynisch.»Unterschätzen Sie den jungen Mann da nicht ein wenig? Hinter mir steht Moskau.«

«Und hinter Dr. Bouth steht der Glaube an das Gute!«

Zanewskij lachte.»Merken Sie nicht, daß dies ein bißchen dumm klingt? Etwas sehr dramatisch? So wie im Film, wenn Errol Flynn seinen Degen zieht, Flynn, der edle Ritter! Das wahre Leben, Miß Paerson, ist grausamer. Sie kennen es noch nicht — was Sie heute erleben, ist nur eine kleine Ouvertüre. Spätestens morgen abend werden wir Ihren Vater sprechen. Ganz unromantisch in der Nacht in einem Waldstück. Sagt er ja, sind Sie frei — sagt er nein…«Zanewskij schwieg und betrachtete seine Fingernägel.»Wie gesagt — «, er hatte die Stimme gesenkt,»- ich würde es rein menschlich sehr bedauern, Miß Paerson.«

Mabel schauderte unter ihren drei Decken zusammen. Sie sah plötzlich, daß die Worte des Russen keinerlei Drohung mehr enthielten, sondern sie mit der Zukunft, die sie zu erwarten hatte, nüchtern und kalt bekannt machte. Sie wußte plötzlich, daß es keinen Ausweg mehr gab, daß kein Reden mehr nützte, keine Vorhaltungen, kein Flehen und Erbarmen… Dieser Mensch war kalt und leblos wie das Gestein über und neben ihr. Er war eine seelenlose Maschine, die man in Moskau aufzog und die nun ablief, präzise, mit der Genauigkeit eines feinmechanischen Uhrwerkes. Gregoronow war ein Tier, triebhaft und ohne Skrupel… aber dieser Zanewskij wußte, was er sagte, er wog die Worte ab und gab ihnen den eindeutigen Sinn, gegen den es keine Polemik mehr gab. Er war die Intelligenz, die zum Verbrecher wurde.

«Warum sagen Sie mir das alles?«fragte sie leise.

«Sie werden es mir nicht glauben, Mabel — weil Sie mir leid tun! Es wäre mir lieber gewesen, nicht Sie hätten in dem Wagen gesessen, sondern Dr. Bouth. Ich spreche über diese Dinge am Rande des Lebens lieber mit einem Mann als mit einer Frau, die ich insgeheim bewundere. Mit Männern verstehe ich umzugehen… bei Frauen — verzeihen Sie, Mabel — habe ich Hemmungen… als Mann.«

«Und trotzdem wollen Sie mich umbringen?«

Mabel wunderte sich, wie einfach und klar sie dieses schreckliche Wort in dieser Stunde aussprechen konnte, wie glatt es von ihren Lippen kam, ohne das Gefühl der Angst und der Verzweiflung aufkommen zu lassen. Bin ich denn schon so weit, daß mich der Tod nicht scheuen kann? Bin ich schon so gleichgültig gegen alles geworden, was ich im Innern kommen fühle? Kann ein Mensch, der vor einer Ausweglosigkeit steht, so nüchtern werden, daß er sich über sein Ende wie über einen neuen Film unterhält?

Sie steckte die Arme aus den Decken und preßte sie gegen die Stirn und Schläfen.

Zanewskij beobachtete sie und schien zu fühlen, was sie dachte.

«Ich will es nicht, Miß Paerson«, sagte er bedauernd und hob beide Arme, als wolle er diese Feststellung wie beschwörend bekräftigen.»Ich werde es müssen. Man wird in Nowo Krasnienka verlangen, daß alle Zeugen unserer Bemühungen um das Atom in Amerika verschwinden. Wir werden ein Vakuum hinterlassen.«

«Soll das heißen, daß Sie sich auch mit der Bekanntgabe des Spaltungsgeheimnisses nicht zufrieden geben?«

«Allerdings. Ich bewundere Ihre Begabung, meiner Dialektik zu folgen. Nehmen wir an, Ihr Vater löst Sie wirklich aus. Wir erhalten die Formeln und die technischen Daten. Bevor wir sie in Nowo Krasnienka und auf unseren Versuchsfeldern in Sibirien, in den Tschur-Njar-Sümpfen, den Flußniederungen zwischen Markuoka und Ygyetta und der einsamsten Gegend der Welt, dem Plateau südlich des Werinjach-Gebirges unterhalb des nördlichen Polarkreises in Hintersibirien ausprobieren — Sie sehen, ich spreche ganz offen zu Ihnen und nenne Ihnen Orte, die noch keiner kennt außer einer Handvoll russischer Atomphysiker — bevor wir zur Erprobung der Angaben kommen, ist Ihr Vater uns schon wieder voraus! Das wäre also dieses Mal eine genauso sinnlose Spionage wie die der Genossen Dr. Fuchs, Harry Gold und A. A. Adam. «Zanewskij drückte mit dem Zeigefinger gegen die Wand der Gummiwanne und schien sich an dem elastischen Spiel zu amüsieren.»Unsere Aktion hat nur einen Sinn, wenn nach dem Bekanntwerden der neuen Spaltung alle Personen, die darüber wissen, liquidiert werden.«

«Sie wollen meinen Vater töten?«schrie Mabel auf.

«Er wird das Opfer seiner eigenen Erfindung sein. Auch Dr. Bouth wird ihm folgen müssen.«

«Sie Satan!«

«Miß Mabel, Sie überschätzen mich. Ich bin sogar bereit, Sie freizulassen und nicht wieder zu belästigen, wenn wir unsere Aufgabe erfüllt haben! Das ist gefährlich für uns, weil Sie uns kennen, aber ich bin für

Gerechtigkeit. Sie haben uns nichts getan, Sie haben nichts zu verheimlichen. Sie wissen von nichts… warum sollten wir Sie liquidieren? Was die Herren von Los Alamos erleiden, ist Erfinderschicksal. Bei anderen Zweigen ist es die Materie selbst, die vernichtet — denken Sie an die Medizin, die Chemie, die Toxikologie, die Archäologie —, hier ist die Materie personifiziert und hat ihre Handlanger — uns!«