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Dr. Bouth schaute auf die Leuchtziffern seiner Armbanduhr.»So genau hält man das nicht, Professor Shuster«, entgegnete er.»Wer lange wartet, wird weich. Das ist ein alter Trick.«

«Es ist eine Hundsgemeinheit!«

«Von Ihrer Warte aus, bestimmt. Unsere RendezvousPartner sind darin anderer Ansicht.«

Prof. Dr. Shuster brummelte etwas Unverständliches vor sich hin. Er dachte an die zurückliegenden Stunden, und eine dumpfe, verzweifelte Wut klomm in ihm empor.

Als der Brief in Los Alamos eintraf, jener gemeine Brief

Piotre Zanewskijs, der den Tod Mabel Paersons androhte, falls man nicht das Geheimnis der neuen Spaltung verriet, war Prof. Paerson zusammengebrochen. Nach einer tiefen Ohnmacht, der ein Nervenfieber folgte, hatte er wie ein Tier geschrien, hatte mit den Händen um sich geschlagen und unverständliche Laute ausgestoßen. Erst nach drei Stunden war das Bewußtsein wiedergekommen, ein stumpfes, resignierendes, gleichgültiges Bewußtsein. Er hatte Dr. Bouth angesehen und mit schwacher Stimme, in der kein Leben mehr war, gesagt:»Machen Sie das alles, Ralf… ich… ich will nicht mehr.«

Dr. Bouth hatte dann mit Washington gesprochen. Den Vorschlag, den Russen falsche Formeln zu geben, mußte er als unmöglich ablehnen, da jeder Physiker sofort erkennen mußte, daß es sich um eine Täuschung handelte. Und man wußte nicht, ob Zanewskij oder Gregoronow Physiker waren und an Ort und Stelle die Formel überprüften.

General McKinney verschloß sich diesen Argumenten nicht und willigte ein, die Form der Hinhaltung und der Verzögerung zu wählen, um in der Zwischenzeit der FBI und den aufgebotenen Militärformationen die Gelegenheit zu geben, den Standpunkt der Agenten ausfindig zu machen.

Dr. Bouth warf die Zigarette weg. Sie glühte noch ein wenig auf dem Boden, ehe sie erlosch. Prof. Shuster knöpfte seinen Mantel auf. Ihm wurde es warm vor Erregung. Seit er nach Los Alamos kam, um das dortige Hospital zu leiten, hatte er eine solche erregende Nacht nicht wieder gehabt. Aber als bester Freund Prof. Paersons, als Studienkamerad und Vertrauter ließ er es sich nicht nehmen, an dieser entscheidenden Wende des Lebens seines Freundes teilzunehmen und vielleicht auch einzugreifen.

Die beiden Männer fuhren herum. Von der Seite rollten Steine über den Weg. Ein tastender Schritt kam näher. Er verhielt hinter einer Buschreihe. Der Unsichtbare schien zu lauschen, vorsichtig, witternd wie ein Reh, das aus den Stangen auf die Wiese tritt. Dann bogen sich die Zweige auseinander und ein dunkler Schatten glitt auf den schmalen Hohlweg des Canons.

«Hallo?«fragte eine gedämpfte Stimme.

«Ja. «Dr. Bouth und Prof. Shuster kamen ein paar Schritte näher. Der Unbekannte wich zurück.

«Bitte, bleiben Sie stehen«, zischte er.»Wir können uns mit etwas Abstand auch verständlich machen. Darf ich fragen, mit wem ich spreche?«

«Mit Dr. Bouth.«

«Und Prof. Shuster«, sagte der Alte laut.

«Die Prominenz von Los Alamos. Das freut mich. Mein Name ist Piotre Zanewskij. «Der Russe nahm die Hände aus der Tasche, wo er zwei Revolver umklammert hielt.»Sie haben meinen Brief genau durchgelesen?«

«Er war deutlich genug. «Dr. Bouth ballte hinter dem Rücken die Fäuste. Diese Entehrung, diese Blamage, sich hier in der Nacht in einem kleinen Canon mit einem Verbrecher unterhalten zu müssen.»Was wollen Sie von uns?«stieß er wütend hervor.

Zanewskijs Stimme war höflich und glatt. Es klang, als konversiere er in einer der besten Gesellschaften über ein aktuelles, interessantes Thema.

«Auch das haben wir Ihnen genau geschrieben. Ein seltener Glücksumstand führte uns Ihr Fräulein Braut in die Hände. Wir wollten es selbst nicht, Herr Bouth. Wir hatten gehofft, Sie oder Herrn Prof. Paerson zu treffen. Es wäre dann alles leichter gekommen, unkomplizierter, denn wir hätten Mittel gefunden, Ihre Schweigsamkeit zu brechen. Aber einer Frau gegenüber — Herr Dr. Bouth, ich gestehe es ein — einer schönen Frau auch noch, bin ich ein wenig wehrlos und nicht zu Taten fähig, die ich bei Ihnen angewandt hätte.«

«Schuft «sagte Prof. Shuster unbeherrscht. Zanewskij lachte.

«Herr Prof. Shuster — Sie mögen ein guter Arzt sein, aber Sie sind ein schlechter Unterhändler. Kein Gegner hat es gern, wenn man ihm unter der weißen Fahne einer möglichen Verständigung ins Gesäß tritt. Immerhin freut es mich, meine Herren, daß Sie gekommen sind.«

«Geben Sie Mabel frei!«knirschte Dr. Bouth.»Sofort! Noch heute nacht. Bitte, händigen Sie mir die gewünschten Pläne aus.«

«Das kann ich nicht. «Dr. Bouths Stimme wurde laut.»Ich habe nicht die Pläne!«

Zanewskij schüttelte den Kopf.»Was denken Sie eigentlich von mir, Herr Dr. Bouth? Halten Sie mich für einen Stümper wie Dr. Fuchs oder Harry Gold? Sie haben die Pläne nicht — wir brauchen also nicht weiterzureden. Ihre Taktik, Zeit zu gewinnen, habe ich längst erwartet. Aber ich möchte nicht warten, Dr. Bouth. Ich habe eine tiefe Aversion gegen elektrische Stühle oder die Gittertüren Ihres berühmten Sing-Sing. Reden wir ein klares Wort: Sie wollen die Pläne nicht geben?!«

«Ich kann es nicht!«

«Wie Sie wünschen. «Zanewskijs Stimme wurde kalt, eisig — sie löste einen Schauer bei Prof. Shuster aus.»Darf ich Ihrer Verlobten noch etwas von Ihnen bestellen, Dr. Bouth? Darf ich ihr sagen, daß Sie sie sehr liebten, aber nicht so sehr, daß Sie mir einige dumme Formeln geben?«Man sah an der Bewegung des Schattens, daß Zanewskij auf seine Uhr blickte.»In vier Stunden, beim Morgengrauen, steht Ihnen Ihre Braut wieder zur Verfügung, Herr Dr. Bouth. Wir werden ihr das Grauen einer Erschießung ersparen, sondern sie mit einem Schlafmittel betäuben, bevor wir abdrücken. Sie sehen, daß wir human, aber fest entschlossen handeln.«

Dr. Bouths Gesicht war verzerrt. Er wußte, daß diese Worte keine leere Drohung waren… hinter ihnen stand die blutige Wahrheit, die Erbarmungslosigkeit des Asiaten. Er riß beide Arme nach vorn, seine Augen waren starr vor Grauen.

«Ich habe die Pläne nicht!«schrie er grell.»Zanewskij, seien Sie doch vernünftig! Auch Prof. Paerson hat sie nicht. Wenn Sie Los Alamos kennen, müßten Sie wissen, daß das Geheimnis der Atomspaltung aufgeteilt ist! Jeder weiß nur ein Teilgebiet, einen kleinen Teil, woran er gerade arbeitet. Wie ein Mosaik ist es, das am Ende unter einem völlig Unbekannten, der aus Oakridge oder sonst woher kommt, zusammengesetzt wird. Wir wissen selbst nicht, wie die Sache läuft!«

Zanewskij schien über diese Mitteilung erschrocken zu sein. Man sah, wie die dunkle Gestalt unruhig wurde. Auch die sichere Stimme wandelte sich in ein gehetztes Fragen.

«Sie lügen, Dr. Bouth!«

«Dann fragen Sie alle Atomwissenschaftler der Welt! Fragen Sie auch in Rußland Ihren Prof. Kyrill! Er wird es Ihnen bestätigen. Gerade aus Gründen der Spionage weiß der einzelne nichts. Nur irgendwo in Washington, im Kriegsministerium oder woanders, hat man ein Gesamtbild dessen, was wir schaffen.«

«Und wer ist das?«

«Dr. Paerson, ich, Dr. Fermi, Prof. Dr. Oppenheimer, Dr.

Dunning, Dr. Abelson, Dr. Alvarez, Dr. McKibben, Dr. Bush, Prof. Bacher, Oberst Warren… wollen Sie noch mehr Namen hören? Es sind ungefähr 150 Männer und Frauen, die an dem großen Projekt arbeiten und alle nur einen kleinen Teil davon kennen.«

«Und wer hat den Gesamtplan?«

«Generalmajor Groves und General McKinney.«

«In Washington?«

«Ja.«

Zanewskij schien nachzudenken. Minutenlanges Schweigen lag zwischen ihnen. Die Stille drückte auf Prof. Shuster — ihm wurde schwach, und er mußte sich an einen Felsen lehnen, um nicht umzusinken. Die Nervenanspannung war zu groß für ihn.

«Gut«, sagte Zanewskij. Seine Stimme war wieder hart.»Wenn General McKinney den Gesamtplan hat, gebe ich Ihnen noch vier Tage Zeit. Sagen Sie bitte McKinney, daß er mir den Gesamtplan durch Sie übergeben lassen soll, andernfalls Miß Paerson doch noch als Repressalie liquidiert wird. Mir ist bekannt, daß General McKinney mit Prof. Paerson befreundet ist — es wäre ein guter Freundschaftsbeweis, wenn er die Tochter seines Freundes auslöst. Eine andere Möglichkeit, Herr Dr. Bouth, sehe ich leider nicht. Ich muß die Pläne haben. Die neue Situation entbindet Sie aller Verantwortung, Dr. Bouth. Sie liegt jetzt allein bei General McKinney. Versuchen Sie, all Ihren Einfluß geltend zu machen. Ich rede ernst mit Ihnen es geht wirklich um das Leben Ihrer Braut.«