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Klimaanlage strömte wohltätige Luft in den heißen Raum. Das Radio spielte leise, fast zärtlich.

Es war ein schöner Tag, wenn man wußte, daß man die Wüste verlassen konnte.

Mabel ließ ihren Kopf auf die Schulter Ralfs sinken.

«Du«, sagte sie leise.

«Ja, Baby?«

«Ich liebe dich, Ralf.«

«Wirklich?«

«Ja. Und ich bin glücklich.«

«Das ist schön. «Dr. Bouth streichelte schnell über ihre blonden, seidigen Locken, ehe er wieder das Steuer ergriff und mit großer Geschwindigkeit über die Straße jagte.»Wann heiraten wir?«fragte er nach einer Weile stummer Fahrt.

«Wann du willst, Ralf.«

«In sechs Wochen, Baby?«

«In sechs Wochen… «

Sie küßte ihn auf die Wange und streichelte ihm über die Schulter.

«Wie sicher du fährst, wie kraftvoll. Und wie deine Hände das Steuer halten. Weißt du, daß ich in deine Hände verliebt bin?«

«Nur in meine Hände?«

«In den ganzen Kerl Dr. Bouth! In den Herrn Assistenten von Prof. Paerson. In den Mann, der mit Atomen spielt, und der Sonnen in der Hand hält. Das wolltest du doch hören, Ralf?!«

«Spotte nicht, Mabel. «Dr. Bouth lächelte.»Ich bin nur eine kleine Nummer unter den Größen wie Dr. Fermi, Prof. Oppenheimer, Prof. Wheeler, und wie sie alle heißen. Und das ist schön so, Baby, denn sonst hätte ich überhaupt keine Zeit mehr, dich zu küssen.«

Er hielt mit einem Ruck und nahm Mabel in seine Arme.

Die Wüste um sie herum flimmerte feindlich.

Der Wind trieb Staub um sie.

Doch wenn zwei Menschen sich küssen, gibt es weder Wüste noch Wind…

Zwei Stunden später rollten sie vor eine Tankstelle am Rand der Straßenkreuzung Carrizozo.

Die Tankstelle war gleichzeitig ein Rastplatz für die großen Oberland-Transporter und bestand aus einer langen, breiten Halle, in der es an einer Milchbar eisgekühlte Drinks gab, einem Schlafsaal und der eigentlichen Tankstelle, die nach der Sitte amerikanischer Psychologie-Reklame als Dach die Nachbildung eines riesigen Cowboyhutes trug, auf dessen Rand zwei Scheinwerfer des Nachts den Fahrern den Weg zu dem Rastplatz wiesen.

Als Mabel und Ralf in die Tankstelle einfuhren, lärmten drei Lautsprecher mit Jazzmusik ihnen entgegen. Ein Wärter rannte herbei, spritzte mit einem Schlauch den weißen Staub von der Karosserie, während ein anderer schon den Benzintank aufschraubte und den Schlauch ansetzte.

«Wir haben jetzt eine halbe Stunde nichts zu sagen«, meinte Ralf und stieg aus.»Gehen wir an die Bar, Baby.«

Sie saßen dann in bequemen Korbsesseln an den breiten Glasfenstern und blickten hinaus auf das Treiben. Die Kreuzung der beiden Regierungsstraßen brachte ein buntes Leben in diese einsame Gegend, die nur für wenige zum Mittelpunkt des allgemeinen Weltinteresses wurde, als am 16. Juli 1945, 05.30 Uhr westamerikanischer Zeit, in der

Wüste von Alamogordo die erste Atombombe an einem 30 Meter hohen Stahlmast explodierte und das Atomzeitalter geboren wurde.

Dr. Bouth hatte die Autokarte vor sich ausgebreitet und zeigte Mabel den Weg, den sie noch bis Santa Fe fahren mußten.»Wir werden erst spät in der Nacht in Los Alamos ankommen«, meinte er.»Aber wie ich deinen Vater kenne, wird er dann noch in seinem Labor sein und am Cyclotron die Spaltung von Uran beobachten. «Er rollte die Karte zusammen und legte sie nach hinten auf einen freien Stuhl.»Seit er an seiner neuen Theorie arbeitet, kennt er kaum noch Schlaf. «Er legte Mabel die Hand auf den Arm.»Du darfst nicht erschrecken, Liebes, wenn du deinen Vater wiedersiehst. Er ist zusammengefallen, er sieht alt aus. Er verzehrt seine letzten Kräfte für seine Idee, die ihm keiner glaubt. Er will über das hinaus, was wir als Grenze unserer Möglichkeiten ansehen. Was wir heute an Atomkernspaltung leisten, die Energien, die wir durch eine Beschießung des Atomkerns mit Neutronen freilegen, sind nur ein Tausendstel von dem, was an Energie in den Atomen enthalten ist. Dein Vater will über 1/1000 hinaus, — er will vordringen zu 20 oder gar 25 Prozent aller Atomenergie, ein Plan, den alle als unmöglich bezeichnen. «Dr. Bouth zuckt mit den Schultern.»Aber du kennst ja deinen Vater! Er hat seine Idee, — und er will sie durchsetzen.«

Draußen, auf dem Autohof, auf den Auffahrten zu den Tanksäulen, kam Unruhe in die Menge der Fahrer. Man gruppierte sich um einige Wagen, anscheinend um eine Radiomeldung, denn Mabel und Ralf sahen, wie die Fahrer an den Knöpfen drehten. Und plötzlich setzte auch in der Milchbar der Lautsprecher aus und eine klare, nüchterne Stimme füllte den plötzlich still gewordenen

Raum.

«Wir bringen als Sondermeldung eine Durchsage aus Washington. Bei Versuchen einer neuartigen Atomkernspaltung mit selbstkonstruierten Mitteln gelang es Prof. Dr. Paerson, in Los Alamos eine neue Kettenreaktion herzustellen, die das Vielfache der bisher bekannten Atomspaltung darstellt. Bei diesen Versuchen kam Prof. Paerson in ein Kraftfeld von radioaktiven Strahlen und wurde verletzt. Sein Zustand gibt zu keiner Beunruhigung Anlaß. Präsident Truman hat sofort einen Sonderbeauftragten des Weißen Hauses nach Los Alamos entsandt.«

Mabel hatte während der Meldung die Hände vor den Mund gelegt. Entsetzt sah sie Dr. Bouth an.

«Vater…«, stammelte sie.»Ralf, mein Gott, was ist mit Vater geschehen?«

Dr. Bouth sah ernst zu Boden.»Er hat es erreicht. Und er wurde von seiner Entdeckung geschlagen.«

«Wird er sterben? Ralf!«Mabel umklammerte seinen Arm. Ihre Nägel drangen durch den dünnen Stoff des Hemdes in seine Haut.»Ralf, du weißt doch, was das heißt: radioaktive Strahlen. Man sagt doch immer, daß sie einen Menschen sofort töten.«

«Nicht immer. Wir wissen ja nicht, wie und wo sie ihn trafen, wie stark sie waren, und wie es vorkommen konnte. Auf jeden Fall müssen wir sofort nach Los Alamos.«

Dämmerung sank über die Straße und das brummende Auto. Die Berge taten sich auf. Über Canons, die Flüsse und Bäche tief in die Felsen geschnitten, jagte der silberne Pfeil des Wagens.

Las Vegas. Kurzer Aufenthalt. Neu getankt. Noch schlief Mabel. Sie lag ruhig in den Polstern. Dr. Bouth zahlte und schwang sich wieder hinter das Lenkrad.

Noch eine halbe Stunde, und Santa Fe war erreicht. Der Ort, von dem aus man hineinfuhr in das Labyrinth der Felsen, zwischen denen die Wunderwerke moderner Technik entstanden. Die Atomstadt. Die Stadt des Todes.

Nicht mehr so schnell, leise brummend, fuhr Dr. Bouth durch die Nacht. Es wurde kalt im Wagen. Er stellte die Klimaanlage herum, und mollige Wärme durchzog das Innere des Autos. Einmal bewegte sich Mabel. Sie drehte sich herum und legte den Kopf an Ralfs Schulter. Er hielt still, bemühte sich, die Schulter beim Steuern nicht zu bewegen und schaltete mit der linken Hand.

Er umfuhr Santa Fe und bog in eine Straße ein, die schmal und oft gewunden sich durch das Gebirge quälte.

Langsam rollte der Wagen durch die in der Dunkelheit bizarren Schluchten.

Es waren Wege, die nur wenige kannten und an deren Ende die Kette mehrfach hintereinander gestaffelter Militärposten lag.

*

Vierzig-Kilometer von Santa Fe liegt Alamos.

Zuerst war hier nichts. Nichts als Felsen, ein riesiger Canon, bewachsen mit Pappeln, die spanisch Los Alamos heißen und der von den spanischen Entdeckern so getauft wurde. Er war ein Canon wie alle anderen hier in der Gegend, durch abrupte Felsabstürze von über fünfzig Meter Tiefe voneinander getrennte Hochplateaus, deren Anblick zu den schönsten und gewaltigsten Naturbildern gehört, die unsere Erde dem menschlichen Auge zu bieten hat.

Canon Los Alamos ist nur eine Felsenschlucht inmitten der vielen anderen, die nebeneinander von Ost nach West auf den Rio Grande zulaufen. Pajarito, Water, Frijoles, Bayo, Pueblo, Guaje, Valle und Sandia sind Nebentäler, die alle zum Los Alamos gehören und ein Gewirr von Schluchten bilden, in denen sich nur die Eingeweihtesten zurechtfinden.