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«Hier befinden wir uns«, sagte ibn Menra.»Und dort, in unserer Nähe, hundert Kilometer nordwestlich, liegt der Emmons Peak. Sie können ihn mit Ihrem robusten Studebaker in zwei Stunden bequem erreichen. Hier, am Emmons Peak, müssen sich die Russen versteckt haben. Die Gegend wimmelt von ausgewaschenen Höhlen. Auf jeden Fall sind sie in den Uinta Mountains. Bei Ogdon, in den Bergen am Salzsee, hat man die Trümmer ihres Versorgungsflugzeuges gefunden. Das Flugzeug verunglückte nicht, es wurde gesprengt.«

«Und Sie glauben, daß Mabel auch am Emmons Peak ist?«Dr. Bouth umklammerte die Karte, als sehe er Mabel schon vor sich, nur getrennt durch eine Macht, gegen die er im Augenblick noch keine Waffe besaß.

Ibn Menra rollte die Karte wieder zusammen und steckte sie in die Tasche.»Es ist möglich, daß Gregoronow und Zanewskij nach dem Scheitern der Verhandlungen mit Ihnen den ersten Ort verlassen haben und die vier Tage, die Sie Ihnen gewährten, an einem vielleicht besseren Platz verbringen. Auf jeden Fall sind sie hier in der Nähe, wenn sie mit Ihnen eine neue Unterredung bei Gleenwood Springs abgesprochen haben.«

Dr. Bouth bemächtigte sich einer großen Unruhe. Mabel hier in der Nähe. Und wir sprechen, wir versäumen wichtige Stunden. Jede Minute leidet sie, jede Minute kann sie auch das Leben kosten.

Er drängte auf Abfahrt. Heinz Behrenz und ibn Menra teilten sich das Fahren. Dr. Bouth saß auf dem Rücksitz und reinigte die staubigen Waffen. Er ahnte, daß der Kampf um Mabel in seiner Endphase wirklich ein Kampf sein würde. Aber er kannte keine Furcht, es kam ihm nie der Gedanke, daß er dabei fallen könnte, daß er Mabel nie mehr sehen würde, wenn einer der Russen besser zielte als er.

Der Wagen schlängelte sich durch die Canons. Gut gefedert schwang er sich über die holprige Straße. Der robuste Motor brummte beruhigend gleichmäßig.

Ibn Menra, der am Steuer saß, richtete sich plötzlich im Sitzen auf. Man war drei Stunden gefahren, der Weg senkte sich. Im Tal blinkte ein weißes Band auf.

Die Bundesstraße. Die Gefahr. Er sah zu Heinz Behrenz.

«Wollen Sie weiterfahren?«

«Warum?«

«Ich habe drei Menschen getötet… gestern. Ich konnte nicht anders. Ich mußte durch. Ich durfte keine Rücksicht nehmen.«

«Ich weiß. Deswegen können Sie doch fahren.«

Ibn Menra trat auf die Bremsen. Der Wagen stand.»Ich möchte nie wieder Autofahren«, sagte er leise.»Verstehen Sie das? Ich habe noch nie einen Menschen getötet. Ich habe nie daran gedacht, es zu tun! Und plötzlich geht es nicht anders… plötzlich muß man es. Sie fielen unter meine Räder und wurden zermalmt. Wenn man mich zur Rechenschaft zieht, wird man sagen: Dreifacher Mord! Aber ich bin kein Mörder, ebensowenig wie Sie. Und darum… darum möchte ich jetzt nicht fahren. Jetzt nicht und nie mehr.«

«Steigen Sie aus«, sagte Heinz Behrenz still.

Sie wechselten die Plätze. Dr. Bouth reichte von hinten die geputzten und geladenen Waffen herüber. Jeder erhielt vier Reservemagazine, die er in die Rocktasche steckte.

Dann fuhren sie weiter. Rauschend mahlten die Räder auf dem Asphalt der Bundesstraße. Der Wagen schoß vorwärts, dem kleinen Vernal entgegen.

Brummend zog der Wagen über die kleine Brücke, die den Yampa überquerte. Am Straßenrand sah man Holzgerüste und Baumstämme liegen. Es waren die Reste der in der vergangenen Nacht wieder abgebauten Straßensperre. Ibn Menra lächelte grimmig. Der Polizist sah dem großen Wagen mit der New Yorker Nummer interessenlos nach.

Dr. Bouth hatte einen Augenblick die Versuchung, die Tür aufzureißen und um Hilfe zu rufen. Doch dann dachte er an Mabel und ließ sich in das Polster zurücksinken. Erst Mabel, sagte er sich. Haben wir sie gefunden, wird sich alles Weitere ergeben.

Er rückte den Verband um seine Stirn zurecht. Die Platzwunde brannte wieder. Wenn es bloß keinen Wundbrand gibt, dachte er. Bloß kein Fieber.

Er drehte sich auf seinem Sitz herum und blickte auf die Straße zurück. Verlassen zog sie unter ihm her. Leer. Sie war wie alle diese Überlandstraßen Amerikas, gerade, nüchtern, gepflegt. Eine Straße, wie man sie überall findet.

Doch da… Ein Mensch! Dr. Bouth richtete sich auf und drückte das Gesicht an das breite Rückfenster.

Ein Mensch schwankte aus den Büschen auf die Straße. Er winkte dem vorbeigebrausten Auto nach… ein Mensch, zerrissen, ein Kleid… ein helles Sommerkleid… blonde Haare, flatternd, blonde Haare…

«Mabel!«schrie Dr. Bouth grell.»Mabel! Mabel!«

Er trommelte mit den Fäusten gegen die Scheibe und stieß sich den Kopf an der Decke des Wagens.

Heinz Behrenz und ibn Menra waren zusammengefahren, als der erste Schrei ertönte. Kreischend bremste der Wagen, schleuderte über die Straße, drehte sich um sich selbst und kippte dann in den schmalen Graben am Straßenrand.

Dr. Bouth stürzte aus der Tür und rannte über die Straße. Heinz Behrenz und ibn Menra sahen, wie eine Frauengestalt auf der Fahrbahn zusammensank und nach vornüber fiel.

«Sie ist geflüchtet!«schrie ibn Menra im Laufen.»Die Russen müssen in der Nähe sein!«

Als sie an der Stelle ankamen, wo Mabel Paerson lag, sahen sie Dr. Bouth, wie er den Kopf des ohnmächtigen Mädchens in seinen Schoß gebettet hatte. Die Wunde an ihrem Knie war durch den Fall wieder aufgeplatzt. Schwarz quoll es über die dicken Streifen des geronnenen Blutes. Die Schuhe an ihren Füßen waren zerfetzt und mit Blut besudelt.

«Mabel«, stammelte Dr. Bouth. Er streichelte ihr das Haar, küßte sie auf die wunden Lippen, drückte sie an sich und hielt ihren Kopf an seine Schulter.»Mabel…«Er blickte zu den beiden Gefährten auf.»Wie sie aussieht. «Seine Stimme war voll Grauen und Wut.»Gepeinigt, gehetzt…«Er richtete sich auf, nahm Mabel auf seine Arme und trug sie von der Straße. Er ächzte unter der Last, aber er ließ sie sich nicht abnehmen.»So wahr ich lebe«, sagt er, auf das verfallene Gesicht blickend,»ich gehe nicht mehr nach Los Alamos zurück.«

Sie gingen zum Wagen zurück. Keuchend trug Dr.

Bouth das blutende Bündel Mensch.

Auf dem halben Weg zum Wagen peitschte ein Schuß durch den stillen Morgen. Die Kugel pfiff vorbei und schlug neben Dr. Bouth in den Straßengraben.

«Die Russen!«ibn Menra stieß Dr. Bouth in den Graben und boxte ihn in den Rücken.»Rennen Sie!«schrie er.»Versuchen Sie, den Wagen zu erreichen!«

«Er ist gepanzert. «Heinz Behrenz kniete im Straßengraben und beobachtete die Büsche, die bis an die Straße reichten.

Wieder bellte ein Schuß auf. Die Felswände warfen ihn mit vielfältigem Echo zurück. Dr. Bouth, der den Wagen in wenigen Metern erreicht haben würde, zuckte zusammen und wankte.

«Sind Sie getroffen?«schrie Behrenz erschrocken.

Dr. Bouth schüttelte den Kopf und taumelte weiter. Er erreichte den Wagen, riß die Tür auf, schob Mabel in das Innere und fiel dann selbst zwischen Vorder- und Rücksitz auf den Boden. Aus seiner Schulter sickerte Blut. Das Hemd, die Jacke färbten sich rot. Gierig saugte der Stoff das Blut auf.

Er kroch ganz in den Wagen und zog die Tür hinter sich zu. Stöhnend zog er sich an dem Sitz empor und setzte sich neben Mabel. Er faßte ihren Puls und spürte, wie er schwach schlug.

Glück durchströmte ihn. Unfaßbares Glück. Er küßte wieder die heißen, aufgesprungenen Lippen, stand ächzend auf, nahm Behrenz' Orangensaftflasche und träufelte Mabel ein wenig zwischen die wie nach einem Schrei geöffneten Zähne.

Hinter sich, auf der Straße, hörte er die Schüsse peitschen. Ein paarmal klang es wie ein metallener Schlag gegen den Wagen. Er duckte sich und beugte sich über Mabel. Mit seinem Körper schützte er sie. Sein Kopf lehnte gegen das Polster. Der linke Arm wurde gefühllos, leblos, er hing am Körper, als gehöre er gar nicht dorthin. Warm lief es über die Schulter den Rücken hinab.