«Unglaublich. «Dr. Bouth beugte sich über das Bett und studierte die Formeln.»Das bedeutet«, sagte er leise,»daß wir hier eine Hyperspaltung haben, die es ermöglicht, das Gleichgewicht der Erde zu stören, wenn wir die Energie auf einen Punkt konzentrieren.«
«Ja, Dr. Bouth!«Paerson richtete sich etwas auf.»Wir haben das Mittel in der Hand, innerhalb von zehn Sekunden diesen Stern Erde auszulöschen!«
«Grauenhaft!«Mabel war aufgesprungen. Ihr Gesicht war weiß, in ihm brannten die Augen, als habe sie Fieber.»Und um dieses Grauen zu bringen, forschst du? Um dieses Elend Wahrheit werden zu lassen, gibst du keine Ruhe? Weißt du denn, was das bedeutet, wenn man es draußen in der Welt erfährt? Dein Name wird verachtet werden, man wird dich verfluchen, dich, den größten Wissenschaftler, der den größten Mord in seiner Retorte sott: den Mord an 4,5 Milliarden Menschen!«Dr. Bouth war aufgesprungen und wollte etwas sagen, aber eine Handbewegung Mabels ließ ihn schweigen.»Ich bin hierhin gekommen, voll Freude, meinen Vater zu sehen. Ich wollte dich pflegen. «Mabel fiel vor dem Bett in die Knie und umklammerte seine Hände.»Vater, es war doch eine Warnung, dieser Unfall. Hör auf diese Stimme! Laß es sein, neues Grauen zu erfinden! Vater, woran denkst du denn, wenn du siehst, daß du Sonnen herstellen kannst? Denkst du dann an mich, die auch einmal unter deiner künstlichen Sonne verbrennen kann, wenn irgendein anderes Land diese Atome über uns bringt?«
«Mabel!«Prof. Paerson sank in die Kissen zurück.»Es geht um eine Entdeckung, die alle Lebensgesetze umgestaltet.«
«War die Welt nicht schön genug, bevor ihr zu forschen anfingt?«Sie schlug die Hände vor die Augen.»Damals war die Sonne noch eine Sonne, und man konnte durch die blühenden Wiesen gehen ohne die Angst im Nacken, daß aus geheimnisvollen Fernen ein Strahl mit 55.000.000 Grad Hitze die Erde wieder flüssig macht. Was habt ihr dabei gewonnen? Ihr wißt, daß sich Atome verändern; ihr erschließt Dinge, die nie ein Mensch in die Hand bekommen sollte, und ihr entdeckt das Geheimnis der Natur, um den Menschen zu bedrohen, um Herr zu werden über die, die hilflos unter eurer Macht verbrennen wie die 80.000 Japaner in Hiroshima und die 50.000 Unschuldigen in Nagasaki!«
«Die Angst der Menschheit wird unser Frieden sein. «Dr. Bouth wandte sich zu Mabel um.»Wenn diese Macht in der Hand der Menschen ist, die Frieden lieben, wird es nie mehr Krieg geben von denen, die im Krieg ihr Element sehen. Es wird keine Staaten mehr geben, keine Politik, kein Ost oder West — es wird nur Menschen geben in der Gemeinschaft einer Menschheit!«
«Und du glaubst, daß nur du oder Vater oder die Handvoll Wissenschaftler hier in Los Alamos den Stein der Weisen besitzen? Glaubst du, man schläft in Rußland? Oder in England? Oder in Japan? Oder sonstwo auf der Welt? Was ist, wenn zwei Staaten das Atom in der Hand haben? Dann ruft ihr den heiligen Atomkrieg aus — und das, was dann übrig bleibt, eure besungene Menschheit, hat Platz unter einer Eiche! Ein schönes Ziel! Edel und gut!«Sie wandte sich ab.»Ich verstehe euch nicht mehr.«
Prof. Paerson sah Dr. Bouth groß an. Er nickte und setzte sich in den Kissen hoch.
«Das ist, Dr. Bouth, was ich Ihnen und allen anderen sagen wilclass="underline" Baut eine Mauer um diese neue Entdeckung. Laßt sie niemanden wissen! Es gibt auf der Welt nur fünf
Männer, die meine neue Kettenreaktion kennen: Ich, Dr. Fermi, Dr. Oppenheimer, Dr. Balz und morgen früh Sie, Dr. Bouth! Bei diesen fünf wird es bleiben. Das verspreche ich dir, Mabel.«
«Und was nutzt dir dieses Wissen?«
Prof. Paerson richtete sich auf — es sah aus, als wolle er sich im Bett aufrecht stellen.
«Ich will die Welt unabhängig machen von allen Zufällen der Natur. Ich will den Menschen zum Geschöpf Nummer 1 im Weltall machen.«
Dr. Bouth sah zu Boden. Ihm verschlug es die Stimme.
Das Geschöpf Nummer 1, dachte er nur. Der Mensch — ein kleiner Gott.
Schweigend verließ er den Raum und ließ Vater und Tochter allein. Vor dem Haus wehte der Nachtwind durch seine Haare. Er spürte die Kälte nicht. Er sah nur die Unendlichkeit, die offen vor ihm lag.
Kapitel 2
Prof. Dr. Kiyoto Hakanaki beugte sich über den großen Tisch und las noch einmal die Zeilen durch, die ihm sein Assistent Dr. Tojo Yamamaschi vor einer Stunde überreicht hatte.
Vor ihm, in einem tiefen Sessel, saß der greise General Tayo Simanuschi und starrte mit unbewegtem Gesicht die beiden Männer vor sich an.
«Es läßt sich nicht leugnen, Exzellenz«, sagte Dr. Hakanaki leise und blickte auf, direkt in die kühlen Augen des Greises.»Der Amerikaner scheint uns einige Schritte voraus zu sein. Die Radiomeldung über den Unglücksfall des Dr. Paerson wirft neue Probleme auf. Wenn Paerson wirklich eine neue Spaltung entdeckte, so bedeutet das, daß Amerika in der Lage ist, das nationale Unglück Japans
— Hiroshima und Nagasaki — in den Schatten zu stellen.«
«Es scheint nicht nur so — es ist so, Dr. Hakanaki. «Der General Simanuschi blickte auf seine runzeligen Greisenhände. Sein kahler, weißgelber Schädel war gesenkt. Die Adern unter der Kopfhaut waren deutlich wie blaue Striche sichtbar.»In Los Alamos ist man weiter als hier. Das ist traurig, Dr. Hakanaki. Das ist eine Tatsache, unter der unser armes Volk leidet.«
«Wir tun alles, was in unseren Kräften steht, Exzellenz. «Dr. Yamamaschi hob beide Hände.»Wir haben in der Kürze der Zeit, die uns zur Verfügung steht, mehr geleistet, als Amerika in all den Jahren. Wir wissen, wie man Plutonium spaltet, wir haben das Geheimnis des Atombombenmantels erkannt, wir können sogar hinter die Forschungen blicken, mit denen Amerika das Helium angeht.«
«Und trotzdem, Dr. Yamamaschi…«Simanuschi zuckte die schmächtigen Schultern.»Vergessen Sie nicht, was Japan erlitt. «Seine Augen sanken nach innen. Es war, als spräche einer der Toten, der aufersteht, um den Überlebenden sein Leid zur Aufgabe zu machen.»Wir haben als erste die Kamikaze eingesetzt… sie halfen nichts. Wir haben den lebenden Torpedo gebaut… er versagte. Wir haben die ersten Fischmenschen auf das Meer geschickt… sie versanken. Und als wir 10.000 Todesflieger sammelten, als unser Volk bereit war, sich zu opfern, da fielen in Hiroshima und Nagasaki zwei Blitze vom Himmel und töteten in einer Sekunde über 100.000 Menschen! Verbrannten die Erde, machten sie unfruchtbar für immer, ließen eine Wüste zurück. «Er blickte auf und sagte leise:»Wir waren zu langsam.«
Das Gespräch fand in einem unterirdischen Zimmer statt, inmitten eines Werkes, das man in die Felsen von Hondo gesprengt hatte. Was asiatischer Fleiß und japanische Zähigkeit schaffen konnten, war innerhalb weniger Monate heimlich, unter den Augen der amerikanischen Besatzungstruppen, in die Felsen getragen worden. Nachts, unter Einsatz aller Mittel, hatten Ingenieure Stollen in die Berge getrieben, und hier, im Innern der Insel Hondo, entstand die japanische Atomstadt Nagoi, entstand im kleinen das asiatische Los Alamos. Hier gab es keine Riesencyclotrone und keine Hanford-Brenner, verbissen, mit dem Willen, das eigene Leben nicht zu achten, versuchten die Physiker Japans mit primitiven Mitteln die Kernspaltungen zu erforschen, rasten die Neutronen zwischen den zu einer Kuppel gestapelten, mit Uran gefüllten Graphitblöcken hin und her und spalteten aus dem Element 235 das neue Element Plutonium. Hier saßen die Wissenschaftler nicht hinter meterdicken Blei- und Betonmauern, sondern in einfachen
Bleischürzen standen sie an den Brennern, ungeachtet der Strahlen, die unsichtbar auf sie einwirkten. Die Liste der Toten schwoll an… sie wurden aus den Felsen getragen, heimlich verbrannt und ihre Asche in die Tempel getragen, wo sie neben den alten, berühmten Samurais standen und wo das Volk in langen Reihen kniete und betete.
Nagoi… niemand kannte diese Stadt unter der Erde. Dunkel und still lagen die Felsen von Hondo. Ab und zu sonnte sich ein amerikanischer GI auf den Felsen am Meer, schwamm hinaus in die Brandung oder lag mit seiner Liebsten in den Gräsern und träumte von San Francisco oder New Orleans.