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Und wieder war es still, bis eines Tages die hohen

Schornsteine, die die radioaktiven Gase in alle Winde streuten, zu qualmen begannen. An diesem Tage war aus Thüringen der deutsche Atomphysiker Dr. Ewald v. Kubnitz in Nowo Krasnienka eingetroffen, ein etwa fünfzigjähriger, schlanker kleiner Mann mit hoher Stirn und den durchgeistigten Zügen eines Menschen, der sein Leben ganz in den Dienst einer Idee zu stellen vermag. Er wußte selbst nicht, wo die Reise hinging, als man ihn in Erfurt morgens aus dem Bett holte und mitsamt seiner Familie drei Wochen durch Rußland fuhr, bis er die Riesenhallen von Nowo Krasnienka auftauchen sah. Dort empfing ihn Prof. Dr. Kyrill wie einen guten Freund, umarmte den blassen, zitternden Mann und nannte ihn seinen Bruder.

«Wir werden die Welt umgestalten!«sagte er und küßte Frau v. Kubnitz, an die sich die beiden Kinder ängstlich festklammerten, die Hand.»Ihr Mann und ich werden eine neue Zeit gebären. Man hat Sie, Gnädigste, wohl ein wenig unsanft zu Mütterchen Rußland gebracht, aber Sie werden es nie zu bereuen haben.«

Dr. v. Kubnitz durfte eine wunderschöne, geräumige Villa am Njemda beziehen. Ein Park lag um sie herum, sogar ein Tennisplatz, auf dem Dr. v. Kubnitz oder seine Frau mit Dr. Peter Baumann spielten, einem kriegsgefangenen Stabsarzt, der die Betreuung der im Atomwerk beschäftigten Plennys übertragen bekommen hatte. Es mangelte ihnen an nichts… ihre Wünsche wurden ihnen alle erfüllt, bis auf einen, den größten — die Rückkehr nach Deutschland.

An diesem Tag hatte Nowo Krasnienka hohen Besuch aus Moskau. Der Volkskommissar für die technische Kriegsführung in Moskau war selbst hinausgekommen, und es mußte in der Tat etwas Wichtiges sein, denn seine Mienen waren ernst und verschlossen, als er Prof. Kyrill und Dr. v. Kubnitz gegenübersaß. Dr. Iwanow Tenuschkow, der Werksassistent, servierte Wodka in Wassergläsern und brannte die Papyrossi an, die der Volkskommissar mitgebracht hatte.

«Haben Sie gestern abend den Rundfunk gehört?«fragte er. Und als er sah, daß die Herren sich erstaunt ansahen, nickte er.»Ganz recht, ich sagte Rundfunk. Amerika brachte eine Durchsage, die in Moskau einen Alarm auslöste. Prof. Dr. Paerson ist verletzt worden.«

«Na, und?«meinte Dr. Kyrill und zuckte mit den Schultern.

«Bei der Entdeckung einer neuen Kettenreaktion, meine Herren.«

«Was?!«Dr. Kyrill sprang auf.»Man will in Los Alamos weiter sein als wir?! Das ist unmöglich, Genosse Kommissar!«

«Sagen Sie das nicht, Dr. Kyrill. Während Sie noch mit Uran 238 und Uran 235 experimentierten, erfanden die Amerikaner schon das Plutonium! Jetzt haben Sie das Plutonium und entwickeln aus dem Helium eine Superbombe, aber schon ist der Amerikaner wieder weiter als Sie und arbeitet an neuen Kettenreaktionen. Man ist in Moskau sehr unzufrieden mit Ihnen, Genosse.«

Prof. Dr. Kyrill sog erregt an seiner Zigarette. Dr. v. Kubnitz trank ruhig seinen Wodka, während Dr. Tenuschkow blaß geworden war.

«Wenn es sich um eine neue Kettenreaktion handelt, kann sie nur vom Plutonium ausgehen«, meinte Dr. v. Kubnitz langsam. Dr. Kyrill sah ihn erstaunt an.

«Wieso denn?«

«Sie wissen, daß es bisher dem Menschen gelungen ist, nur 0,1 Prozent der Energie einer Materie durch Spaltung mit Neutronen freizubekommen. Es gibt da einen Weg, nur kennen wir nicht den äußeren Mantel, das Bremsmaterial, das verhindert, daß die Atome unter sich bleiben und nicht in Form einer Explosion sich unserer Kontrolle entziehen. Das ist das Geheimnis von Los Alamos, glaube ich.«

«Dann suchen Sie diesen Mantel!«rief der Volkskommissar erregt.

«Wie Sie wünschen. «Dr. v. Kubnitz lächelte.»Ich verstecke in der Taiga einen Rubel. Irgendwo. Bitte, Genosse Kommissar… suchen Sie ihn…«Er wies nach draußen, wo die endlose Steppe am Horizont als brauner Streifen an den Himmel stieß.

Der Volkskommissar biß sich auf die Lippen. Er schaute auf sein Wodkaglas und brannte sich noch eine Papyrossi an. Mit bebenden Fingern rauchte er sie in kurzen, hastigen Zügen.

«Wir müssen in Los Alamos unsere Agenten einsetzen«, sagte er nachdenklich.»Gregoronow und Zanewskij könnten es tun. Wir dürfen keine Mittel scheuen, dieses Geheimnis Prof. Paersons in die Hand zu bekommen… und wenn es der Amerikaner selbst ist!«

Dr. Kyrill und Dr. Tenuschkow beugten sich über die Karte, die auf einem der langen Tische lag. Die neuen Flutlichtlampen, die den unterirdischen Raum erhellten, machten die Gesichter leichenfahl.

«Es ist das beste, wenn Gregoronow und Zanewskij über Alaska nach Kalifornien einsickern und dann quer durch die Rockies nach New Mexico fahren. Es liegt dann an Ihnen, Genosse Kommissar, dafür zu sorgen, daß an der Grenze Kanadas, bei Cordova, ein Flugzeug steht, das die beiden nach Salt Lake City in Nevada bringt, wo ein Wagen wartet, der sie weiterträgt nach Santa Fe. Über einen Kurzwellensender könnten wir dann direkt von hier aus die nötigen Anweisungen geben.«

«Wir werden für alles Sorge tragen. «Der Volkskommissar nickte.

Nach einem Rundgang durch die Werke verabschiedete er sich und fuhr nach Moskau zurück.

In dieser Nacht geschah etwas, was weder Dr. Kyrill noch jemand in Nowo Krasnienka ahnte.

Durch die Parktür seiner Villa schlich Dr. v. Kubnitz hinaus in den nahen Wald, wo versteckt unter Blättern in einer kleinen Erdhöhle, ein altes Fahrrad lag. Er schwang sich auf den Sattel, fuhr langsam den holprigen Waldweg herunter, bog auf eine schmale Landstraße ab und fuhr sie in gerader Richtung entlang. Er trat heftig auf die Pedalen, Schweiß rann ihm über die Stirn, seine Brust keuchte.

Die geheimen Wachen, die das Haus des deutschen Physikers zu beobachten hatten, sahen zufrieden zu den Fenstern empor. Sie waren erleuchtet. Radiomusik tönte in den Park. Wie immer seit anderthalb Jahren gab Dr. v. Kubnitz nicht Anlaß, eine Meldung zu machen.

Die drei Mongolen, die im Schatten der Parkbäume standen, brannten sich eine Zigarette an. In ihren geschlitzten Augen lag Müdigkeit.

Immer dieses Wachen. Der Deutsche… wohin sollte er schon flüchten? Aus Nowo Krasnienka? Er würde nicht weit kommen.

Die Nacht war dunkel und warm.

Noch immer fuhr Dr. v. Kubnitz. Die Steppe lag weit vor ihm. Endlich, nach einer Stunde Fahrt, hob sich aus dem Dunkel ein dunkler Fleck ab. Eine der Kolchosen lag inmitten der Steppe und beherbergte die großen Herden, mit denen die Arbeiter von Nowo Krasnienka gespeist wurden.

An dem äußeren Zaun hielt v. Kubnitz an und sprang vom Rad. Er schob es leise den Zaun entlang bis zu einem Lattentor, drückte es auf und schlich um die Ställe herum zum Haupthaus. Hier lehnte er das Rad an einen Balken, klopfte an eine kleine Tür, die seitlich in die Küche führte und wartete.

Der große Komplex der Kolchose lag dunkel und schlafend. Nur aus den Ställen klang ein verschlafenes Brummen und kauendes Mahlen der Rinder.

Wieder klopfte Dr. v. Kubnitz.