Выбрать главу

»Ist der Fahrer in Ordnung?«

»Er war bewußtlos unter dem Schnee. Sein Motor lief, und wir nehmen an, daß er etwas Kohlendioxid abbekommen hat. Aber wir haben ihn mit Sauerstoff behandelt, und er wird keinen Schaden zurückbehalten.«

»Gut. Ich gehe jetzt aufs Flugfeld hinaus und überzeuge mich selbst, wie es da aussieht. Ich rufe von dort über Sprechfunk wieder an.«

»Packen Sie sich gut ein«, riet Danny. »Soviel ich gehört habe, ist es lausig kalt draußen.«

Tanya saß noch am Tisch, als Mel zurückkam, machte sich aber bereit zu gehen.

»Warten Sie«, sagte Mel. »Ich komme mit.« Sie zeigte auf sein unberührtes Sandwich. »Und was wird aus dem Abendessen? Falls das eines gewesen sein sollte.«

»Das muß im Augenblick genügen.« Er nahm einen Mundvoll, spülte mit Kaffee hastig nach und griff nach seinem Mantel. »Ich esse auf jeden Fall heute abend noch in der Stadt.«

Als Mel ihre Rechnung bezahlte, kamen zwei Angestellte der Trans America in die Kaffeestube. Der eine war der leitende Mann beim Abfertigungsschalter, mit dem Mel schon vorhin gesprochen hatte. Als er Tanya bemerkte, kam er herüber.

»Entschuldigen Sie, Mr. Bakersfeld . . . Mrs. Livingston, der Bezirksverkehrsleiter sucht Sie. Er hat wieder mal ein Problem.«

Mel nahm das Wechselgeld von der Kassiererin entgegen und steckte es ein. »Lassen Sie mich raten. Es hat wieder jemand mit Flugplänen um sich geworfen.«

»Nein, Sir.« Der Mann grinste. »Wenn so etwas heute abend noch einmal geschieht, bin ich es wahrscheinlich. Hier geht es um einen blinden Passagier. Auf Flug 80 von Los Angeles.«

»Ist das alles?« Tanya war erstaunt. Blinde Passagiere auf Flugzeugen — das gab es bei allen Gesellschaften und war selten ein Anlaß zu ernstlicher Sorge.

»Nach dem, was ich gehört habe, ist der, um den es sich handelt, etwas bescheuert. Es liegt ein Funkspruch des Kapitäns vor, und eine Sicherheitswache ist hinausgefahren, um das Flugzeug zu empfangen. Aber was auch immer los ist: man sucht Sie, Mrs. Livings-ton.« Mit einem freundlichen Kopfnicken ging er zu seinem Kollegen zurück.

Mel trat mit Tanya aus der Kaffeestube in die Haupthalle hinaus. Vor dem Fahrstuhl, mit dem Mel in die unterirdische Garage fahren wollte, um seinen dort parkenden Wagen zu holen, blieben sie stehen.

»Fahren Sie vorsichtig da draußen«, warnte sie, »und kommen Sie keinem Flugzeug in die Quere.«

»Wenn das passiert, werden Sie es bestimmt erfahren!« Er zog sich seinen dicken Mantel an. »Ihr blinder Passagier klingt interessant. Ich will versuchen, noch einmal vorbeizukommen, ehe ich gehe, um zu erfahren, was hinter der Geschichte steckt.« Er zögerte, ehe er noch hinzufügte: »Das gibt mir auch einen Vorwand, Sie heute abend noch einmal zu sehen.«

Sie standen nahe beieinander. Mit einer gleichzeitigen Bewegung reichten sie sich die Hände. »Wer braucht dazu einen Vorwand?« fragte Tanya leise.

Als Mel im Fahrstuhl nach unten fuhr, spürte er noch die glatte Wärme ihrer Haut und hatte ihre Stimme im Ohr.

4

Joe Patroni befand sich — wie Mel Bakersfeld erfahren hatte — auf dem Weg von seinem Heim in Glen Ellyn zum Flughafen. Der untersetzte Italo-Amerikaner, Leiter der Wartungsabteilung der TWA auf dem Flughafen, hatte seinen vorstädtischen, im Ranchstil erbauten Bungalow vor etwa zwanzig Minuten mit dem Auto verlassen. Er kam nur außergewöhnlich langsam vorwärts, wie Mel bereits vermutet hatte.

Im Augenblick wurde Joe Patronis Buick Wildcat durch eine Verkehrsstauung aufgehalten. Vor und hinter ihm standen, so weit er sehen konnte, andere Fahrzeuge. Während Patroni wartete, zündete er sich im Schein der Rückleuchten des Wagens vor ihm eine frische Zigarre an.

Um Joe Patroni hatte sich ein Kranz von Legenden gebildet; manche beschäftigten sich mit seiner Arbeit, andere galten ihm privat.

Seine berufliche Laufbahn hatte er als Abschmierer in einer Autowerkstatt begonnen. Bald darauf nahm er die Werkstatt seinem Arbeitgeber beim Würfeln ab, so daß nach dem Spiel die Rollen vertauscht waren. Dadurch erbte der junge Joe auch eine Anzahl nicht einziehbarer Außenstände, durch die er unter anderem Besitzer eines alten, abgeklapperten Waco-Doppeldeckers wurde. Mit Hilfe seiner Erfindungsgabe und seines technischen Geschicks reparierte er das Flugzeug und flog es dann erfolgreich — wenn auch ohne in den Genuß von Flugunterricht gekommen zu sein, weil er sich die Stunden nicht leisten konnte.

Das Flugzeug und seine technische Funktion absorbierten Joe Patron! völlig — in einem solchen Maß, daß er seinen früheren Arbeitgeber zu einem neuen Würfelspiel verleitete und ihn die Werkstatt zurückgewinnen ließ. Darauf gab Joe seine Stellung auf und nahm eine als Flugzeugmechaniker an. Er besuchte eine Abendschule, wurde Erster Mechaniker, dann Abteilungsleiter und stand in dem Ruf, absolute Spitzenklasse beim Ausfindigmachen und Beheben von Pannen zu sein. Seine Gruppe konnte einen Motor schneller auswechseln, als die Hersteller angaben, und das mit absoluter Zuverlässigkeit. Bald hieß es, wenn Not am Mann war oder eine schwierige Reparatur vorgenommen werden mußte: Holt Joe Patroni.

Ein wichtiger Grund für seinen Erfolg lag darin, daß er niemals Zeit auf Diplomatie verschwendete. Statt dessen kam er immer sofort zur Sache, sowohl im Umgang mit Menschen als auch mit Flugzeugen. Er besaß eine völlige Mißachtung für jeden Rang und trat gegenüber jedem rückhaltlos offen auf, die leitenden Männer der Fluggesellschaft eingeschlossen.

In einem Fall, von dem bei den Fluggesellschaften immer noch gesprochen wurde, wenn man Erinnerungen austauschte, verließ Joe Patroni, ohne jemand vorher zu fragen oder auch nur ein Wort zu sagen, seinen Arbeitsplatz und nahm ein Flugzeug nach New York. Er hatte ein Paket bei sich. Nach seiner Ankunft fuhr er mit Bus und U-Bahn zu den olympischen Höhen der Gesellschaft mitten in Manhattan und marschierte dort ohne vorherige Anmeldung oder eine Vorrede in das Büro des Präsidenten. Er öffnete sein Paket und breitete auf dem makellosen Schreibtisch des Präsidenten einen verölten, auseinandergenommenen Vergaser aus.

Der Präsident, der von Joe Patroni nie etwas gehört hatte und den niemand ohne vorher festgelegten Termin erreichte, war einem Schlaganfall nahe, doch Joe erklärte ihm: »Wenn Sie ein paar Flugzeuge in der Luft verlieren wollen, können Sie mich rauswerfen. Wenn nicht, dann setzen Sie sich, und hören Sie zu.«

Der Präsident setzte sich — während Joe Patroni sich eine Zigarre anzündete — und hörte zu. Später rief er den technischen Vizepräsidenten zu sich, der anschließend einige mechanische Veränderungen anordnete, die die Vereisung von Vergasern beim Flug betrafen, auf die Patroni seit Monaten auf der unteren Ebene erfolglos gedrängt hatte.

Später erhielt Patroni eine öffentliche Belobigung, und aus dem Vorfall wurde eine weitere Episode in dem bereits wachsenden Bestand an Geschichten über Patroni. Bald danach wurde Patroni zum Oberinspektor befördert und erhielt wenige Jahre später den wichtigen Posten als Leiter des Wartungsdienstes auf dem Lincoln International.

Auf der persönlichen Ebene besagte ein anderer Bericht, daß Joe Patroni in den meisten Nächten mit seiner Frau Marie schlief, etwa so, wie andere vor dem Abendessen einen Aperitif genießen. Das entsprach den Tatsachen. Tatsächlich war er gerade damit beschäftigt, als die telefonische Nachricht vom Flughafen über die festgefahrene Düsenmaschine der Aereo Mexican kam, die wiederflott-zumachen die TWA gebeten worden war.

Ein weiteres Gerücht hielt sich hartnäckig: Patroni schliefe mit seiner Frau so, wie er auch alles andere tat — mit einer langen, dünnen Zigarre im Mundwinkel. Das stimmte nicht, jedenfalls jetzt nicht mehr. Nachdem Marie in ihren ersten Ehejahren verschiedentlich mit brennenden Kopfkissen hatte fertig werden müssen — wobei sich beim Löschen ihre Ausbildung als Stewardess der TWA als nützlich erwies —, hatte sie sich weitere Zigarren im Bett nachdrücklich verbeten. Joe fügte sich dem Spruch, weil er seine Frau liebte. Er hatte Grund dazu. Als er sie heiratete, war sie wahrscheinlich die bekannteste und schönste Stewardess sämtlicher Fluggesellschaften, und zwölf Jahre später, mit drei Kindern, konnte sie es immer noch mit den meisten ihrer Nachfolgerinnen aufnehmen. Es gab Leute, die sich verwundert fragten, warum Marie, die von Kapitänen und Ersten Offizieren heiß umworben worden war, überhaupt Joe Patroni gewählt hatte. Aber Joe hatte schon damals, als sie sich kennenlernten, als junger Vorarbeiter im Wartungsdienst, das gewisse Etwas an sich und hatte Marie seither immer zufriedengestellt — auf jedem wichtigen Gebiet.