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Mel brauchte eine viertel Stunde, bis er die Kreuzung erreichte, an der die Startbahn Drei-Null von der 707 der Aereo Mexican blockiert wurde. Vorher hatte er sich von dem Strom der anrollenden Flugzeuge getrennt, die zum Start auf beiden anderen offenen Startbahnen bestimmt waren.

Er hielt den Wagen an und stieg aus. In der Dunkelheit und Einsamkeit hier draußen erschien der Sturm noch eisiger und heftiger als in der Nähe des Hauptgebäudes. Der Wind heulte über die leere Startbahn. Wenn heute nacht Wölfe auftauchen, dachte Mel, wäre das nicht überraschend.

Eine schattenhafte Gestalt rief ihn an. »Sind Sie es, Mr. Patroni?«

»Nein, aber er ist auf dem Weg hierher.« Mel stellte fest, daß er schreien mußte, um sich bei dem Wind verständlich zu machen.

Der andere kam näher. Er war in einen Anorak gehüllt, das Gesicht blau vor Kälte. »Wir sind wirklich froh, wenn er kommt, obwohl ich mir auch nicht vorstellen kann, was er noch unternehmen will. Wir haben alles Erdenkliche versucht, um das Mistding frei zu kriegen.« Er deutete auf das Flugzeug, das verschwommen hinter ihm aufragte. »Die sitzt gründlich fest.«

Mel gab sich zu erkennen und fragte dann: »Wer sind Sie?«

»Mein Name ist Ingram, Sir. Ich bin der Leiter des Wartungsdienstes der Aereo Mexican. Im Augenblick wäre ich aber froh, wenn ich einen anderen Job hätte.«

Während die beiden Männer sich unterhielten, gingen sie näher an die festgefahrene Boeing 707 heran und suchten instinktiv Schutz unter den Tragflächen und dem Rumpf über ihnen. Unter dem Bauch der großen Düsenmaschine blinkten rhythmisch rote Warnleuchten. In ihrem Schein erkannte Mel den Schlamm unter dem Schnee, in den das Fahrwerk der Maschine tief eingesunken war. Auf der Startbahn und dem angrenzenden Taxistreifen stand, eng zusammengedrängt wie besorgte Verwandte, eine Ansammlung von Lastwagen und Versorgungsfahrzeugen, darunter ein Tankwagen, Gepäckkarren, ein Postwagen, zwei Busse für die Arbeitskräfte und ein lautdröhnendes Generatorfahrzeug.

Mel klappte den Mantelkragen hoch und schloß ihn fest. »Wir brauchen dringend diese Startbahn — noch heute abend. Was haben Sie bisher unternommen?«

In den vergangenen zwei Stunden, berichtete Ingram, Waren vom Hauptgebäude altmodische Einstiegsleitern herbeigeschafft, von Menschenhand an die Maschine herangebracht und die Passagiere über sie aus dem Flugzeug gebracht worden. Es war eine langwierige, schwierige Aufgabe, weil die Stufen ebenso schnell wieder vereisten, wie sie vom Eis befreit worden waren. Eine ältere Frau war von zwei Mechanikern die Stufen heruntergetragen worden. Babys waren in Decken gehüllt von Hand zu Hand weitergegeben worden. Inzwischen waren alle Passagiere fortgebracht worden — in Bussen, zusammen mit den Stewardessen und dem Zweiten Offizier. Der Kapitän und der Erste Offizier waren geblieben.

»Haben Sie versucht, die Maschine fortzubewegen, seit die Passagiere weg sind?«

Ingram nickte zustimmend. »Haben die Motoren zweimal wieder angelassen. Der Kapitän hat soviel Dampf wie möglich gegeben. Aber sie kam nicht frei. Sie scheint nur noch tiefer einzusinken.«

»Und was geschieht jetzt?«

»Wir erleichtern sie noch weiter und hoffen, daß das hilft.« Der größte Teil des Treibstoffs, fügte Ingram hinzu, war von Tankwagen übernommen worden — eine schwere Ladung, da die Maschine für den Start vollgetankt hatte. Gepäck- und Frachtraum im Rumpf waren ausgeräumt worden, ein Fahrzeug der Post übernahm die Postsäcke wieder.

Mel nickte. Die Post mußte auf jeden Fall ausgeladen werden, das war ihm bekannt. Das Postamt auf dem Flughafen überwachte die Flugpläne der Gesellschaften bis auf die Minute. Dort wußte man genau, wo die Postsäcke jeweils waren, und sobald Verzögerungen eintraten, wurde die Post von Postbeamten sofort von einer Linie auf eine andere transferiert. Die Post der festgefahrenen Düsenmaschine war jedenfalls besser daran als die Passagiere. In spätestens einer halben Stunde befand sie sich an Bord einer anderen Maschine, wenn notwendig auf einer anderen Route.

»Haben Sie genug Hilfe?« fragte Mel.

»Ja, Sir — für alles, was wir im Moment tun können. Ich habe den größten Teil unseres Personals von der Aereo Mexican hier — ein Dutzend Leute. Im Augenblick wärmt sich die Hälfte in einem der Busse auf. Vielleicht will Patroni noch mehr Leute. Es hängt davon ab, was er beabsichtigt.« Ingram drehte sich um und betrachtete düster die stumme Maschine. »Aber wenn Sie mich fragen, ich fürchte, es ist eine langwierige Arbeit, für die wir schwere Kräne, Hebegeräte und aufpumpbare Säcke brauchen, um die Tragflächen anzuheben. Für das meiste müssen wir warten, bis es wieder hell ist. Die Geschichte kann den größten Teil des morgigen Tages in Anspruch nehmen.«

Mel erwiderte scharf: »Das ist unmöglich. Wir können nicht einmal die Nacht opfern. Die Startbahn muß geräumt werden . . .« Er brach unvermittelt ab, er schauderte mit einer Plötzlichkeit, die ihn erschreckte. Diese Intensität kam unerwartet, beinahe gespenstisch.

Mel schauderte erneut. Was war das? Er beruhigte sich selbst: das Wetter — der scharfe, beißende Wind über dem Flugfeld, der den Schnee vor sich herwirbelte. Trotzdem war es seltsam, denn seit er aus dem Wagen ausgestiegen war, hatte sein Körper sich doch an die Kälte gewöhnt.

Von der anderen Seite des Flugfeldes konnte er trotz des Windes das Dröhnen der Düsenmotoren hören. Sie steigerten sich zu einem Crescendo und verklangen dann, nachdem die Maschine vom Boden abgehoben hatte. Wieder folgte eine, dann noch eine. Dort drüben war alles in Ordnung. Und hier?

Es stimmte doch, oder nicht? Für den Bruchteil einer Sekunde hatte er eine Vorahnung gehabt. Ein Hauch, nicht mehr; eine Intuition; die Ahnung von drohender größerer Gefahr. Selbstverständlich sollte er das alles ignorieren: Impulse, Vorahnungen hatten dort keinen Platz, wo nüchtern und sachlich gearbeitet wurde. Hatte er nicht schon einmal, vor langer Zeit, das gleiche Gefühl gehabt — die Überzeugung, daß sich Ereignisse zusammenbrauten und einem katastrophalen, unvorstellbaren Ende zustrebten. Mel erinnerte sich an das Ende, das abzuwenden er völlig machtlos gewesen war.

Er sah wieder zu der 707 hinauf. Sie war jetzt schneebedeckt, ihre Umrisse verschwammen. Nüchterner Menschenverstand sagte ihm: Von der Sperrung der Startbahn und den Ungelegenheiten durch die Starts über Meadowood abgesehen, war die Situation harmlos. Es hatte ein Mißgeschick gegeben, ohne Verletzte, anscheinend ohne Schaden. Sonst war nichts geschehen.

»Gehen wir zu meinem Wagen«, forderte er den Mann der Aereo Mexican auf. »Wir setzen uns ans Funkgerät und stellen fest, was vorgeht.«

Unterwegs fiel ihm ein, daß Cindy ihn in Kürze ungeduldig in der Stadt erwarten würde.

Mel hatte die Wagenheizung nicht abgestellt, und in dem Wagen war es behaglich warm. Ingram grunzte angenehm überrascht. Er öffnete seinen Anorak und beugte sich vor, um seine Hände in den warmen Luftstrom zu halten. Mel schaltete sein Funksprechgerät auf die Frequenz der Wartungsabteilung des Flughafens.

»Mobil eins an Schneekontrolle. Danny, ich bin bei der blockierten Kreuzung der Drei-Null. Rufen Sie bei TWA an, und fragen Sie nach Joe Patroni. Wo er steckt. Wann er kommt. Kommen.«

Danny Farrows Stimme knisterte durch den Lautsprecher am In-strumentenbrett. »Schneekontrolle an Mobil eins. Verstanden. Außerdem hat Ihre Frau angerufen, Mel.«

Mel drückte auf den Mikrofonknopf. »Hat sie eine Nummer hinterlassen?«

»Allerdings.«

»Mobil eins an Schneekontrolle. Rufen Sie sie bitte an, Danny, sagen Sie ihr, es täte mir leid, aber ich würde mich etwas verspäten. Fragen Sie aber zunächst mal nach Patroni.«