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Jedoch auf Lincoln International stand eine Klärung bald bevor. Sie mußte kommen. In den vergangenen Wochen hatte Mel die Vorzeichen erkannt, und wenn es dazu kam, war die Wahl klar — zwischen der Weiterentwicklung auf dem Boden, die dem jüngst Erreichten in der Luft entsprach, oder ohnmächtigem Zurückbleiben. In der Luftfahrt gab es niemals einen Status quo.

Noch ein weiterer Faktor spielte mit.

Ebensosehr wie die Zukunft des Flughafens stand Mels persönliche Zukunft auf dem Spiel. In welche Richtung die Politik des Flughafens auch gesteuert wurde, durch sie würde sein eigenes Ansehen bei den Stellen, auf die es am meisten ankam, gefördert oder gemindert werden.

Vor kurzem noch war Mel ein im ganzen Land anerkannter Sprecher für die Bodenlogistik der Luftfahrt gewesen, war als das aufsteigende junge Genie in der Organisation der Luftfahrt gepriesen worden. Dann hatte unvermittelt ein einziges schmerzliches Ereignis die Änderung herbeigeführt. Heute, fünf Jahre später, lag die Zukunft nicht mehr klar vor ihm, und andere zweifelten und stellten Fragen nach Mel Bakersfeld, ebenso wie er selbst.

Das Ereignis, das die Änderung herbeigeführt hatte, war die Ermordung von John F. Kennedy gewesen.

»Wir sind am Ende der Startbahn, Mr. Bakersfeld. Fahren Sie mit uns zurück, oder was machen Sie?« Die Stimme des Fahrers der Schneeschleuder störte Mel aus seinen Träumereien auf.

»Wie?«

Der Mann wiederholte seine Frage. Vor ihnen blitzten wieder Warnleuchten auf, und die Conga-Kette verlangsamte ihr Tempo. Die halbe Breite der Startbahn war auf der einen Seite geräumt worden, und auf dem Weg zurück kam die andere Hälfte dran. Einschließlich der Verzögerungen durch Aufenthalte und Anfahren dauerte es fünfundvierzig Minuten bis eine Stunde, eine einzige Startbahn zu fegen und zu streuen.

»Nein«, antwortete Mel. »Ich steige hier wieder aus.«

»In Ordnung, Sir.« Der Fahrer richtete eine Signallampe auf den Wagen des stellvertretenden Vormanns, der sich sofort aus der Formation löste. Wenige Augenblicke später, als Mel ausstieg, wartete sein Wagen schon auf ihn. Von den anderen Pflügen und Lastwagen stiegen die Männer aus und eilten zum Kaffeewagen.

Während Mel zum Flughafengebäude zurückfuhr, rief er über Sprechfunk die Schneekontrolle an und bestätigte Danny Farrow, daß Startbahn Eins-Sieben links in Kürze betriebsbereit sei. Dann schaltete er sich in die Bodenkontrolle ein und stellte die Lautstärke so weit zurück, daß die gedämpften eintönigen Stimmen nur noch eine Begleitmusik zu seinen Gedanken waren.

Im Führerhaus der Schneeschleuder war ihm das Ereignis ins Gedächtnis zurückgerufen worden, das ihn von allen, an die er sich erinnerte, mit der größten Härte getroffen hatte.

Es war vor fünf Jahren gewesen.

Aufgestört fragte er sich, ob es tatsächlich schon so lange her sei? Waren fünf Jahre seit dem grauen Novembertag vergangen, als er benommen das Mikrofon der Lautsprecheranlage über den Schreibtisch an sich gezogen hatte — das Mikrofon, das er so selten benutzte, das alle anderen ausschaltete — und die Ankündigung einer eintreffenden Maschine unterbrochen hatte, um auf den Wandelgängen, über die sich sofort eine beklommene Stille legte, die niederschmetternde Nachricht zu verkünden, die er Sekunden vorher als Blitzmeldung aus Dallas erhalten hatte.

Während er damals sprach, wären seine Augen auf die Fotografie an der gegenüberliegenden Wand gerichtet, die Fotografie mit der Widmung: Meinem Freund Mel Bakersfeld in der gemeinsamen Sorge um die FlugsicherheitJohn F. Kennedy. Die Fotografie war erhalten geblieben, ebenso viele Erinnerungen.

Die Erinnerungen begannen für Mel mit einem Vortrag, den er in Washington gehalten hatte.

Damals war er nicht nur Generaldirektor des Flughafens gewesen, sondern auch Präsident des Airport Operator Council — der jüngste Führer, den diese kleine, aber einflußreiche Körperschaft, die die wichtigsten Flughäfen der Welt verband, je gehabt hatte.

Den Vortrag hatte er vor einem nationalen Kongreß für Planung gehalten.

Die Luftfahrt, hatte Mel Bakersfeld dargelegt, sei das einzig wirklich erfolgreiche internationale Unternehmen. Sie überschreite ideologische Grenzen ebenso wie die rein geographischen. Da sie ein Mittel sei, die verschiedensten Völker bei ständig sinkenden Kosten zusammenzubringen, biete sie das praktischste Mittel, eine Verständigung der Welt herbeizuführen, das die Menschen je ersonnen hätten.

Noch bedeutsamer sei der Lufthandel. Der Frachttransport durch die Luft, der schon ungeheuer angewachsen sei, würde sich weiterentwickeln. Die neuen Düsenriesen, die Anfang der siebziger Jahre in Dienst gestellt werden sollten, würden die schnellsten und billigsten Transportmittel in der Geschichte der Menschheit sein. Innerhalb eines Jahrzehnts mochten Ozeandampfer reine Museumsstücke werden, ihrer Aufgabe beraubt, so wie die Passagierflugzeuge die Queen Mary und Queen Elizabeth verdrängt hatten. Daraus konnte eine neue, große, weltumspannende Handelsflotte entstehen, die jetzt notleidenden Völkern Wohlstand brachte. Vom derzeitigen Stand der technischen Entwicklung her gesehen, hielt Mel seinen Zuhörern vor Augen, bot die Luftfahrt diese Möglichkeiten den Menschen an, und mehr noch, bereits zu Lebzeiten der heute Vierzigjährigen konnten sie verwirklicht werden.

Doch während die Flugzeugkonstrukteure aus dem Stoff, aus dem Träume gemacht sind, reale Gewebe wirkten, so hatte er fortgefahren, blieben die Bodenanlagen und Einrichtungen zum größten Teil Ergebnisse der Kurzsichtigkeit oder fehlgeleiteter Hast. Flughäfen, die Systeme von Start- und Landebahnen, Empfangsgebäude, blieben dem Gestern verhaftet mit nur geringer — falls überhaupt irgendwelcher — Vorsorge für das Morgen. Was nicht erkannt oder einfach ignoriert wurde, war die ungeheuerliche Geschwindigkeit, mit der die Fliegerei weiterentwickelt wurde. Flughäfen wurden stückweise angelegt, so individuell wie Rathäuser und oft mit ebenso geringer Phantasie. Im allgemeinen wurde zuviel für eindrucksvolle Empfangsgebäude und zuwenig für den Betriebsbereich aufgewendet. Koordination, Planung auf höchster Ebene — weder bei einzelnen Staaten noch international — waren nicht vorhanden.

Auf der lokalen Ebene, wo die Politiker den Problemen der Zufahrt zu den Flughäfen apathisch gegenüberstanden, sei die Situation ebenso mißlich oder noch schlimmer.

»Die Schallmauer haben wir durchbrochen«, erklärte Mel, »die Bodenmauer aber nicht.«

Er führte verschiedene Gebiete an, die untersucht werden müßten, und drängte auf internationale Planung — geführt von den USA und im Auftrag des Präsidenten — für die Probleme der Luftfahrt auf dem Boden.

Der Vortrag fand nachhaltigen Beifall und weitverbreitete Beachtung. So verschiedenartige Organe wie die Times in London, die Prawda in Moskau und The Wallstreet Journal stimmten ihm zu.

Am Tag nach dem Vortrag wurde Mel ins Weiße Haus eingeladen. Die Begegnung mit dem Präsidenten verlief gut. Es war ein entspanntes, gutgelauntes Gespräch in der Privatbibliothek im ersten Stock des Weißen Hauses. Wie Mel feststellte, teilte J. F. K. viele seiner Ansichten.

Später folgten weitere Gespräche, auch »Brain-Trust«-Sitzungen, in Anwesenheit von Kennedys Beratern, im allgemeinen dann, wenn sich die Regierung mit Luftfahrtfragen befaßte. Nach einer Reihe von Besprechungen dieser Art mit formlosen Nachspielen, fühlte Mel sich im Weißen Haus zu Hause und war davon weniger überrascht als darüber, daß er dort überhaupt Zugang gefunden hatte. Mit der Zeit entwickelte sich eines jener unbefangenen Verhältnisse zum Präsidenten, die J. F. K. bei Leuten, die ihm fachkundigen Rat zu bieten hatten, förderte.