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Etwa ein Jahr nach der ersten Begegnung fühlte der Präsident bei Mel vor, ob er geneigt sei, die Leitung der Federal Aviation Agency — die damals noch eine Kommission war und erst später eine Behörde wurde — zu übernehmen. Zu irgendeinem Zeitpunkt während Kennedys zweiter Amtsperiode, die, wie jeder annahm, automatisch folgen würde, sollte der jetzige Leiter der FAA, Hala-by, mit anderen Aufgaben betraut werden. Was Mel wohl davon halte, einige der Maßnahmen, die er als Außenstehender empfohlen hatte, im Rahmen der Regierung durchzuführen. Mel hatte erwidert, daß ihn das sehr interessiere, und deutlich zu verstehen gegeben, er werde annehmen, wenn man ihm ein Angebot machte.

Das sprach sich herum, zwar nicht durch Mel, aber durch andere, die es von ganz oben her wußten. Damit gehörte Mel »dazu« — war ein entsprechend honoriertes Mitglied des inneren Kreises. Sein schon früher hohes Ansehen stieg noch höher. Der Airport Operators Council wählte ihn wieder zu seinem Präsidenten. Der Verwaltungsrat seines eigenen Flughafens bewilligte ihm eine beträchtliche Gehaltserhöhung. Gerade erst Ende Dreißig, wurde er als der aufsteigende junge Stern im Luftfahrt-Management angesehen.

Sechs Monate später unternahm John F. Kennedy seinen schicksalsschweren Besuch in Texas.

Wie andere war Mel zuerst benommen. Später weinte er. Und viel später erst erkannte er, daß die Kugel des Meuchelmörders zurückgeprallt war und auch das Leben anderer getroffen hatte, darunter sein eigenes. Er entdeckte, daß er in Washington nicht länger »dazu« gehörte. Najeeb Halaby dagegen wohl, er stieg sogar auf, von der FAA auf einen wichtigen Posten als Vizepräsident bei der Pan American — aber Mel wurde nicht sein Nachfolger. Inzwischen hatte sich die Macht verschoben, waren Einflüsse geschwunden. Mels Name stand, wie er später erfuhr, nicht einmal auf Präsident Johnsons kurzer Kandidatenliste für die Leitung der FAA.

Mels zweite Amtsperiode als Präsident der AOC verlief ereignislos, und ein anderer fähiger junger Mann wurde sein Nachfolger. Er reiste nicht mehr nach Washington. Sein öffentliches Auftreten beschränkte sich auf lokale Veranstaltungen, und in gewisser Weise empfand er Erleichterung über die Veränderung. Seine Verantwortung auf Lincoln International Airport war angewachsen, da sich der Luftverkehr weit über die Erwartungen der meisten hinaus entwickelte. Planungen nahmen ihn stark in Anspruch sowie die Versuche, den Verwaltungsrat des Flughafens zu seinen Ansichten zu bekehren. Er hatte über sehr vieles nachzudenken, unter anderem auch über seine häuslichen Schwierigkeiten. Seine Tage, Wochen und Monate waren ausgefüllt.

Und trotzdem nagte an ihm das Gefühl, daß die Zeit über ihn hinweggegangen und seine Chance verpaßt sei. Andere hatten das erkannt. Wenn sich nicht etwas Dramatisches ereignete, argwöhnte Mel, dann würde seine Karriere wohl weiterlaufen und genau dort enden, wo er jetzt war.

»Kontrollturm an Mobil eins — geben Sie Ihre Position bekannt.« Der Anruf über Sprechfunk unterbrach Mels Gedanken und zog ihn unvermittelt in die Gegenwart zurück. Er drehte den Ton lauter und meldete sich. Inzwischen näherte er sich wieder dem Hauptempfangsgebäude, dessen Lichter deutlicher wurden, obwohl es nach wie vor stark schneite. Er bemerkte, daß der Abstellbereich für die Maschinen ebenso dicht besetzt war wie bei seiner Abfahrt, und noch eine Reihe gelandeter Flugzeuge darauf wartete, daß Plätze an den Verladepositionen frei wurden.

»Mobil eins! Anhalten, bis die Maschine der Lake Central North vor Ihnen vorbeirollt, dann der Maschine folgen.«

»Hier Mobil eins. Verstanden.«

Wenige Minuten später lenkte Mel seinen Wagen vorsichtig in die Garage im Keller des Flughafengebäudes. Dicht bei seinem Parkplatz war ein Kasten mit einem Diensttelefon. Er öffnete den Kasten mit seinem Hauptschlüssel und wählte die Nummer der Schneekontrolle. Danny Farrow meldete sich. »Gibt's was Neues mit der festgefahrenen Maschine der Aereo Mexican«, fragte er.

»Nein«, berichtete Danny. »Und vom Dienstleiter im Kontroll-turm soll ich Ihnen sagen, daß der Verkehr noch immer um fünfzig Prozent verzögert ist, weil er Startbahn Drei-Null nicht einsetzen kann. Außerdem bekommt er jedesmal neue Beschwerden aus Meadowood, wenn eine Maschine über den Ort startet.«

»Meadowood muß das aushallen«, erwiderte Mel grimmig. Ob die Gemeindeversammlung stattfand oder nicht, gegenwärtig konnte nichts geschehen, um den Lärm über dem Wohnort zu verhindern. Im Augenblick war es das Wichtigste, die eingetretenen Verzögerungen im Flugbetrieb wieder aufzuholen. »Wo ist Joe Patroni jetzt?«

»Immer noch an der gleichen Stelle von der Verkehrsstauung aufgehalten.«

»Wird er es auch bestimmt schaffen herzukommen?«

»TWA behauptet es. Er hat ein Telefon in seinem Auto, und sie stehen mit ihm in Verbindung.«

»Sobald Joe hier ist, möchte ich benachrichtigt werden«, ordnete Mel an. »Egal, wo ich gerade bin.«

»Das wird vermutlich in der Stadt sein.«

Mel zögerte. Eigentlich bestand kein Anlaß dazu, heute abend noch länger auf dem Flughafen zu bleiben. Doch wieder hatte er dieses unerklärliche Gefühl einer Vorahnung, das ihn schon auf dem Flugfeld draußen beunruhigt hatte. Er erinnerte sich an das Gespräch, das er vorher mit dem Dienstleiter des Kontrollturms geführt hatte, an die Reihe der draußen auf der Rampe wartenden Flugzeuge. Er traf eine spontane Entscheidung.

»Nein, ich werde nicht in der Stadt sein. Wir brauchen die Startbahn dringend, und ich fahre nicht, bevor ich ganz sicher weiß, daß Patroni draußen auf dem Flugfeld ist und die Leitung der Bergung übernommen hat.«

»In diesem Fall«, sagte Danny, »würde ich empfehlen, daß Sie sofort Ihre Frau anrufen. Sie ist unter folgender Nummer zu erreichen.«

Mel notierte die Nummer, drückte dann auf die Telefongabel und wählte anschließend die angegebene Nummer. Er verlangte Cindy zu sprechen, und nach einer kurzen Wartezeit hörte er ihre Stimme scharf fragen: »Mel, warum bist du noch nicht hier?«

»Es tut mir leid, ich wurde aufgehalten. Wir haben auf dem Flughafen Schwierigkeiten. Es herrscht ein ziemlich starker Sturm . . .«

»Verdammt noch mal, komm sofort her!«

Aus der Tatsache, daß seine Frau die Stimme dämpfte, schloß Mel, daß andere Personen in Hörweite waren. Trotzdem gelang es ihr, in überraschendem Maß giftig zu klingen.

Manchmal versuchte Mel, die Stimme der Cindy von heute mit jener Cindy in Verbindung zu bringen, an die er sich aus der Zeit vor seiner Ehe, vor fünfzehn Jahren, erinnerte. Ihm schien es, als sei sie damals ein sanfterer Mensch gewesen. Tatsächlich war ihre Sanftheit eine der, Eigenschaften gewesen, die Mel zu ihr hingezogen hatten, als er sie auf Urlaub von der Navy und von Korea in San Francisco kennenlernte. Damals war Cindy Schauspielerin, allerdings eine unbedeutende, denn zu der Karriere, die sie sich erhofft hatte, war es noch nicht und würde es auch ganz eindeutig nie kommen. Sie hatte eine Reihe ständig kleiner werdender Rollen bei Sommerbühnen und im Fernsehen gespielt und später in einem ehrlichen Augenblick bekannt, daß sie in der Ehe eine willkommene Befreiung von der ganzen Geschichte sah.

Jahre später stellte sie die Sache etwas anders dar, und es war ein beliebter Eröffnungszug von Cindy geworden, zu erklären, daß sie ihre Karriere, und wahrscheinlich den Aufstieg zum Star Mel zuliebe geopfert habe. In jüngster Zeit allerdings hörte Cindy es nicht mehr gern, daß ihre Vergangenheit als Schauspielerin überhaupt erwähnt würde, und zwar deshalb, weil sie in Town and Country gelesen hatte, Schauspielerinnen würden selten, wenn überhaupt, in das Social Register aufgenommen; und die Aufnahme ihres Namens in dieses Register war etwas, das sich Cindy sehnlichst wünschte.