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»Ich komme zu dir in die Stadt, sobald ich es schaffen kann«, antwortete Mel.

»Das genügt mir nicht«, erwiderte Cindy scharf. »Du hättest schon längst hier sein müssen. Du weißt ganz genau, daß der heutige Abend für mich wichtig ist, und schon vor einer Woche hast du es mir fest versprochen.«

»Vor einer Woche wußte ich noch nicht, daß wir heute den stärksten Schneesturm seit sechs Jahren haben würden. Im Augenblick ist eine unserer Startbahnen blockiert, und es geht um die Sicherheit des Flughafens . . .«

»Du hast doch Leute, die für dich arbeiten, oder nicht? Oder sind die Leute, die du dir ausgesucht hast, so unfähig, daß man sie nicht alleinlassen kann?«

Gereizt erwiderte Meclass="underline" »Sie sind sehr tüchtig und zuverlässig. Aber ich werde dafür bezahlt, daß ich auch einen Teil der Verantwortung übernehme.«

»Ein Jammer, daß du mir gegenüber keine Verantwortung zeigst. Immer wieder treffe ich wichtige gesellschaftliche Verabredungen, und du machst dir ein Vergnügen daraus, sie zunichte zu machen.«

Während Mel dem Wortschwall zuhörte, spürte er, daß Cindy dicht vor dem Siedepunkt stand. Jetzt konnte er sie sich ohne jede Mühe vorstellen, ein Meter fünfundsechzig herrschsüchtige Energie auf ihren höchsten Absätzen, mit funkelnden hellblauen Augen, den blonden, sorgfältig frisierten Kopf etwas in den Nacken geworfen, und das in dieser verflucht anziehenden Weise, die sie immer hatte, wenn sie wütend war. Das war einer der Gründe, nahm Mel an, weshalb die Temperamentsausbrüche seiner Frau ihn in den ersten Jahren ihrer Ehe nur selten gestört hatten. Je hitziger sie wurde, schien es immer, desto begehrenswerter war sie. In solchen Augenblicken hatte er seinen Blick unweigerlich an ihr heraufwandern lassen, bei den Knöcheln beginnend — nicht überhastet, denn Cindy besaß außergewöhnlich hübsche Knöchel und Beine, wirklich hübschere als die meisten anderen Frauen, die Mel kannte —, dann über alles andere an ihr, was ebenso wohlproportioniert und physisch anziehend war.

Wenn seine Augen diese wohlgefällige Bestandsaufnahme machten, war früher ein gegenseitiger physischer Kontakt geschlossen worden, der sie beide veranlaßte, die Hände auszustrecken und impulsiv und begierig nacheinander zu greifen. Das Ergebnis war vorauszusehen. Unweigerlich wurde der Grund für Cindys Ärger unter einer Woge von Sinnlichkeit, die sie beide überschwemmte, vergessen. Cindy war von einer erregenden, gierigen Wildheit, und wenn sie sich liebten, verlangte sie: »Tu mir weh, verdammt noch mal, tu mir doch weh!« Am Ende waren sie erschöpft und ausgelaugt, so daß keiner von beiden den Wunsch oder die Kraft besaß, den Streit von neuem aufzugreifen.

Selbstverständlich war das eher eine Methode, Differenzen, die — wie Mel schon frühzeitig erkannte — grundsätzlicher Natur waren, vor sich herzuschieben, statt sie zu bereinigen. Im Lauf der Jahre und bei schwindender Leidenschaft begannen sich die angesammelten Differenzen schärfer abzuzeichnen. Schließlich unterließen sie es völlig, Sex als Allheilmittel zu benutzen, und im letzten Jahr waren körperliche Intimitäten jeder Art mehr und mehr sporadisch geworden. Tatsächlich schien Cindy, deren physischer Appetit immer der Befriedigung bedurfte, in welcher Gemütsverfassung sie sich auch befand, in den letzten Monaten völlig gleichgültig geworden zu sein. Mel hatte darüber nachgedacht. Hatte seine Frau sich einen Liebhaber genommen? Es war nicht unmöglich, und Mel dachte, darüber sollte er eigentlich beunruhigt sein. Das Traurige bei der Geschichte aber war, daß es einfacher zu sein schien, sich keine Sorgen darüber zu machen.

Doch noch gab es Augenblicke, in denen der Anblick oder das Hören von Cindys Wutanfällen ihn physisch erregte, alte Begierden weckte. Diese Empfindung überkam ihn jetzt, als er auf ihren verletzenden Ton am Telefon lauschte.

Als er sie schließlich unterbrechen konnte, sagte er: »Es ist nicht wahr, daß es mir Vergnügen macht, deine Verabredungen zu boykottieren. Meistens füge ich mich allem, was du willst, obwohl ich die Veranstaltungen, zu denen wir gehen, nicht für so wichtig halte.

Was mir Spaß machen würde, wäre öfter abends mit den Kindern zu Hause zu sein.« Cindy erwiderte: »Das ist dummes Zeug, das weißt du selbst.«

Er spürte, wie sich alles in ihm spannte, und er umfaßte den Hörer fester. Dann gestand er sich selbst ein: Vielleicht ist ihre letzte Bemerkung in gewissem Sinn wahr. Vor ein paar Stunden hatte er sich an die Abende erinnert, an denen er auf dem Flughafen geblieben war, obwohl er hätte nach Hause gehen können — nur weil er einem neuen Streit mit Cindy aus dem Weg gehen wollte. Roberta und Libby hatte er aus seinen Überlegungen ausgeschaltet, wie man es vermutlich mit Kindern immer tat, wenn eine Ehe gespannt wurde. Er hätte die beiden nicht erwähnen sollen.

Doch von dem allem abgesehen: Heute abend war die Situation anders. Er mußte auf dem Flughafen bleiben, wenigstens bis Gewißheit darüber bestand, was aus der blockierten Startbahn wurde.

»Hör mal«, sagte Mel. »Eines wollen wir doch klarstellen: Ich habe dir noch nichts davon gesagt, aber ich habe mir im vergangenen Jahr ein paar Notizen gemacht. Du hast von mir verlangt, daß ich mit dir auf siebenundfünfzig deiner Wohltätigkeitszirkusse gehe. Bei fünfundvierzig ist mir das gelungen; das sind erheblich mehr, als ich freiwillig mitgemacht hätte, aber als Tabellenstand ist das nicht schlecht.«

»Du Schuft! Ich bin keine Fußballiga, bei der man Tabellen führt. Ich bin deine Frau.«

Mel erwiderte scharf: »Nimm dich zusammen!« Er wurde selbst wütend. »Falls du es nicht gemerkt hast: Du bist laut geworden. Willst du, daß alle diese netten Leute in deiner Umgebung erfahren, was für einen Schuft du zum Mann hast?«

»Das ist mir verflucht gleichgültig!« Aber das sagte sie doch leiser.

»Ich weiß, daß du meine Frau bist, und deshalb beabsichtige ich, in die Stadt zu kommen, sobald ich es schaffen kann.« Was würde geschehen, wenn er jetzt die Hand ausstrecken und Cindy berühren könnte, fragte sich Mel. Würde der alte Zauber wirken? Er war überzeugt, daß er nicht mehr wirkte. »Reserviere mir also einen Platz, und sage dem Kellner, er soll mir die Suppe warm stellen. Entschuldige mich auch bei den anderen, und erkläre ihnen, warum ich zu spät komme. Ich möchte annehmen, daß ein paar dieser Leute davon gehört haben, daß es hier einen Flughafen gibt.« Dann kam ihm plötzlich ein Gedanke. »Was ist übrigens heute abend der Anlaß des Festes.«

»Das habe ich dir vorige Woche erklärt.«

»Sag es mir noch einmal.«

»Es ist eine vorbereitende Party — Cocktails und Abendessen —, um für einen Kostümball zu werben, der nächsten Monat für den Unterstützungsfonds für die Kinder von Archidona gegeben wird. Die Presse ist da, und es wird fotografiert.«

Jetzt wußte Mel, warum Cindy von ihm verlangte, daß er sich beeile. Wenn er anwesend war, hatte sie größere Aussichten, fotografiert zu werden und auf den Gesellschaftsseiten der morgigen Zeitung zu erscheinen.

»Die Männer der meisten anderen Damen des Festausschusses sind bereits hier.«

»Aber alle noch nicht.«

»Ich habe gesagt: die meisten.«

»Und du hast gesagt, für den Unterstützungsfonds für die Kinder von Archidona?«

»Ja.«

»Welches Archidona? Es gibt zwei. Das eine ist in Ekuador, das andere in Spanien.« Auf dem College hatten Landkarten und Geographie Mel fasziniert, und er besaß ein gutes Gedächtnis.

Zum erstenmal zögerte Cindy. Dann antwortete sie unwillig: »Was spielt das für eine Rolle? Ich habe jetzt keine Zeit für alberne Fragen.«

Mel lachte beinahe laut heraus. Cindy wußte es nicht. Wie üblich hatte sie sich entschlossen, für eine Wohltätigkeitsveranstaltung zu arbeiten, weil ihr wichtig war, wer sich daran beteiligte, nicht das, worum es ging.