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Floyd Zanetta hieb mit der Hand auf das Pult, hinter dem er stand. »Was tun der Flughafen und die Fluggesellschaften? Ich will Ihnen sagen, was sie tun: Sie tun so, als ob; als ob sie zuhörten. Und während sie so tun, machen sie Versprechungen und wieder Versprechungen, die sie gar nicht zu halten die Absicht haben. Die Flughafenverwaltung, die F.A.A. und die Fluggesellschaften sind Lügner und Betrüger . . .«

Das Wort Betrüger war untergegangen.

Es war von einem unglaublichen Lärmcrescendo verschluckt worden, von einem gewaltigen Aufbrüllen, das das Gebäude zu packen und zu erschüttern schien. Abwehrend hielten sich viele im Saal die Ohren zu. Manche blickten nervös nach oben. Andere, mit wütenden Blicken, redeten hitzig auf neben ihnen Sitzende ein, obgleich höchstens ein Kenner der Taubstummensprache sie hätte verstehen können; Worte waren nicht zu vernehmen. Eine Wasserkaraffe auf dem Rednerpult fing zu tanzen an, und wenn Zanetta sie nicht schnell ergriffen hätte, wäre sie zu Boden gefallen und zerbrochen.

So schnell wie das Brüllen angefangen und sich gesteigert hatte, ließ es auch wieder nach und verklang. Bereits meilenweit fort und Hunderte Fuß hoch, stieg Flug 58 der Pan American durch Sturm und Dunkelheit, strebte größeren, klaren Höhen zu, bog auf den Kurs nach Frankfurt, Deutschland, ein. Nun rollte Continental Airlines 23, Bestimmungsort Denver, Colorado, dem Anfang der Startbahn Zwei-Fünf zu, klar zum Abflug — über Meadowood. Eine lange Reihe weiterer Flugzeuge wartete bereits startklar auf den angrenzenden Taxibahnen darauf, daß sie an die Reihe kämen.

So war es schon den ganzen Abend über gewesen, bereits ehe die Meadwoodo-Versammlung begonnen hatte. Und als sie begann, mußte über die Angelegenheit in den kurzen Intervallen zwischen dem überwältigenden Lärm der Abflüge verhandelt werden.

Zanetta fuhr hastig fort: »Ich sagte, sie sind Lügner und Betrüger. Was jetzt und hier vor sich geht, ist ein schlüssiger Beweis dafür. Schließlich und endlich haben wir doch einen Anspruch auf Maßnahmen zur Lärmbekämpfung, aber heute abend ist selbst das . . .«

»Herr Vorsitzender«, warf hier eine Frauenstimme aus dem Hintergrund des Saales ein, »das alles haben wir ja früher bereits gehört. Wir wissen es alle, und es wieder und wieder durchzukauen, ändert nichts.« Alle Augen wendeten sich der Frau zu, die jetzt stand. Sie hatte ein strenges, intelligentes Gesicht, und das schulterlange braune Haar war ihr ins Gesicht gefallen, so daß sie es ungeduldig zurückwarf. »Was ich gern wissen möchte, und andere auch, ist: Was können wir tatsächlich unternehmen, und was soll unser nächster Schritt sein?«

Spontanes Händeklatschen und Beifallsrufe waren die Antwort.

Gereizt sagte Zanetta: »Wenn Sie mich bitte zu Ende . . .«

Er kam nie zu Ende.

Wieder einmal beherrschte das alles übertönende Dröhnen den Gemeindesaal.

Das zeitliche Zusammenfallen mit der letzten Bemerkung sorgte für das einzige Gelächter an diesem Abend. Selbst der Versammlungsleiter grinste kläglich, als er seine Hand zu einer verzweiflungsvollen Geste hob. Eine Männerstimme rief mürrisch: »Machen Sie endlich weiter!«

Zanetta nickte zustimmend. Er fuhr fort, sich vorsichtig seinen Weg, wie ein Kletterer in den Felsen, zwischen den ständig wiederkehrenden Lärmspitzen über ihnen zu suchen. Was die Gemeinde tun müsse, erklärte er, sei/alle Höflichkeit und alle maßvollen Vorstellungen bei der Flughafenverwaltung und anderen Stellen aufzugeben und statt dessen den Rechtsweg zu beschreiten. Die Einwohner von Meadowood seien doch Bürger mit verfassungsmäßigen Rechten, die jetzt verletzt würden. Daher müßten sie bereit sein, vor Gericht zäh und wenn nötig unbarmherzig zu kämpfen. Was die Form angehe, die ein rechtliches Vorgehen annehmen sollte, so habe zufällig ein namhafter Rechtsanwalt, Mr. Elliott Freemantle, der in der City sein Büro habe, sich bereit erklärt, an der Versammlung teilzunehmen. Mr. Freemantle habe die Gesetze zum Schutz der Privatsphäre gegen Lärmbelästigung durch den Flugverkehr studiert, und gleich würden alle, die dem Sturm getrotzt hätten, um anwesend zu sein, das Vergnügen haben, diesen ausgezeichneten Gentleman zu hören. Er werde in der Tat einen Vorschlag unterbreiten . . .

Als die Gemeinplätze so weiterrollten, wurde Elliott Freemantle nervös. Er fuhr sich mit der Hand über sein gepflegtes, angegrautes Haar, fingerte über die Glätte seines Kinns und seiner Wange — er hatte sich eine Stunde vor der Versammlung frisch rasiert —, und sein scharfer Geruchssinn bestätigte ihm, daß das exklusive Gesichtswasser, das er nach dem Rasieren und den Rotlichtbestrahlungen stets gebrauchte, immer noch vorhielt. Er schlug seine Beine wieder übereinander, bemerkte, daß seine Zweihundert-Dollar-Krokodilleder-Schuhe noch spiegelblank waren, und bemühte sich, die Bügelfalten seines Maßanzugs nicht zu zerknittern. Elliott Freemantle hatte bereits vor langer Zeit die Entdeckung gemacht, daß die Leute es lieber hatten, wenn ihre Rechtsanwälte — im Gegensatz zu ihren Ärzten — wohlhabend aussahen. Wohlhabenheit vermittelte bei einem Anwalt eine Aura von Erfolg vor Gericht, von Erfolg, den Leute, die einen Prozeß führen wollen, sich wünschen.

Elliott Freemantle hoffte, daß die meisten der im Saal Anwesenden seine Klienten werden würden und er ihr Rechtsberater. Indessen wünschte er auch, der alte Quasseier Zanetta würde, zum Teufel noch mal, sich endlich hinsetzen, damit er selbst an die Reihe kam. Denn es gab keinen sichereren Weg, das Vertrauen einer Zuhörerschaft oder einer Geschworenenbank zu verlieren, als sie schneller denken zu lassen, als man es selbst tat, so daß sie im voraus wußten, was man sagen würde, noch ehe man es ausgesprochen hatte. Freemantles hochentwickelte Intuition sagte ihm, daß dies gerade jetzt der Fall war. Das bedeutete, daß er, wenn jetzt die Reihe an ihn kam, sich um so mehr anstrengen mußte, seine Kompetenz und seine höhere Intelligenz zu dokumentieren.

Einige unter seinen juristischen Kollegen hätten vielleicht in Frage gestellt, ob Freemantles Intelligenz tatsächlich überlegen war. Ja, vielleicht hätten sie sogar gegen die Definition des Versammlungsleiters, er sei ein Gentleman, etwas einzuwenden gehabt. Kollegen betrachteten Freemantle als einen Exhibitionisten, der hohe Honorare forderte, hauptsächlich aus Reklamegründen, wie ein Showmann. Zugegeben wurde aber auch, daß er ein beneidenswertes Geschick hatte, rechtzeitig in Prozesse einzusteigen, die sich später als sensationell und einträglich erwiesen.

Für Elliott Freemantle schien die Situation im Fall Meadowood wie geschaffen.

Er hatte von dem Problem der Gemeinde gelesen und sorgte durch Beziehungen prompt dafür, daß einigen Hausbesitzern sein Name als der des einzigen Anwalts vorgeschlagen wurde, der hier helfen konnte. Das Ergebnis war, daß ein Komitee der Hausbesitzer schließlich mit ihm in Verbindung trat, und die Tatsache, daß sie es waren, die sich an ihn wandten, und nicht umgekehrt, gab ihm ein psychologisches Übergewicht, das er von Anfang an eingeplant hatte. Inzwischen hatte er sich über das Gesetz und die neueste Rechtsprechung in Sachen Lärmbelästigung und Privatsphäre orientiert — ein Gebiet, das für ihn gänzlich neu war. Und als das Komitee nun erschien, trat er ihm mit der Sicherheit eines langjährigen Experten gegenüber.

Später machte er dem Komitee einen entsprechenden Vorschlag, der ihm die heutige Versammlung und seine eigene Anwesenheit eingebracht hatte.

Na, Gott sei Dank. Es sah so aus, als ob Zanetta mit seiner windigen Vorrede endlich fertig wäre. Phrasenhaft bis zum letzten Satz, leierte er: ». . . und somit habe ich die Ehre und das Vergnügen, Ihnen hier . . .«

Freemantle wartete kaum, bis sein Name gefallen war, als er schon von seinem Stuhl aufstand. Er fing zu reden an, noch ehe Zanettas Hinterteil Kontakt mit dem Stuhl gefunden hatte. Wie üblich verzichtete er auf alle Präliminarien.