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D. O. Guerrero war ein hagerer, spindeldürrer Mann mit leicht hängenden Schultern, gelblicher Gesichtsfarbe und einem schmalen, vorspringenden Kinn. Er hatte tiefliegende Augen, blasse schmale Lippen und einen dünnen sandfarbenen Schnurrbart. Sein Hals war ausgemergelt und zeigte einen vorspringenden Adamsapfel. Sein Haaransatz war zurückgewichen. Er hatte nervöse Hände und hielt seine Finger selten still. Er rauchte ständig und steckte sich im allgemeinen eine frische Zigarette am Stummel der alten an. Im Augenblick hätten ihm eine Rasur und ein frisches Hemd gutgetan. Er schwitzte, obwohl es in dem Zimmer, in das er sich eingeschlossen hatte, kalt war. Er war fünfzig Jahre alt, sah aber um einige Jahre älter aus.

Guerrero war verheiratet schon seit achtzehn Jahren. Die Ehe war, wenn man will, nicht schlecht, wenn auch nicht gerade hervorragend. D. O. — den größten Teil seines Lebens war er unter diesen Initialen bekanntgewesen — und Inez Guerrero nahmen einander als gegeben hin, und der Gedanke, nach einem anderen Partner zu verlangen, schien ihnen nie gekommen zu sein. D. O. Guerrero auf jeden Fall hatte sich für andere Frauen nie besonders interessiert; Geschäft und Finanztransaktionen fesselten seine Aufmerksamkeit weit stärker. Doch in den letzten Jahren hatte sich zwischen den Guerreros eine seelische Kluft aufgetan, die Inez nicht zu überbrücken vermochte, obwohl sie sich darum bemüht hatte. Diese Kluft war die Folge einer Reihe schwerer geschäftlicher Rückschläge, die sie aus verhältnismäßigem Wohlstand an den Rand der Armut gebracht und schließlich zu verschiedenen Umzügen gezwungen hatte — zuerst aus ihrem behaglichen und geräumigen, wenn auch hoch belasteten Haus in einer Vorstadt in eine weniger anspruchsvolle Unterkunft und später dann in ihre gegenwärtige heruntergekommene, zugige, von Ungeziefer verseuchte Zweizimmerwohnung.

Doch wenn Inez Guerrero an ihrer gegenwärtigen Situation auch keine Freude hatte, so hätte sie doch noch das Beste daraus gemacht, wenn ihr Mann nicht ständig mürrischer und im höchsten Maße mißgelaunter geworden wäre, so daß man mitunter nicht einmal mit ihm sprechen konnte. Vor einigen Wochen hatte er in der Wut auf Inez losgeschlagen und ihr das Gesicht böse zerschun-den, und obwohl sie ihm das verziehen hätte, entschuldigte er sich weder für den Vorfall, noch wollte er überhaupt darüber reden. Sie fürchtete sich vor weiteren Gewalttätigkeiten und schickte bald danach ihre beiden Kinder im Teenageralter — einen Jungen und ein Mädchen — zu ihrer verheirateten Schwester nach Cleveland. Inez selbst blieb bei der Stange, nahm eine Stellung als Kellnerin in einem Kaffeehaus an, und wenn die Arbeit auch anstrengend und die Bezahlung gering war, so verdiente sie doch wenigstens das Geld fürs Essen. Ihr Mann schien die Abwesenheit der Kinder kaum zu bemerken und ihre auch nicht. Seine Stimmung war in letzter Zeit eine tiefe, in sich selbst versunkene Mutlosigkeit.

Inez befand sich gegenwärtig bei ihrer Arbeit. D. O. Guerrero war allein in der Wohnung. Er hätte die Tür zu dem kleinen Schlafzimmer, in dem er sich befand, nicht abzuschließen brauchen, es aber als zusätzliche Sicherung, um nicht gestört zu werden, getan, auch wenn er sich dort nicht lange aufhalten wollte.

Wie andere an diesem Abend wollte D. O. Guerrero bald zum Flughafen fahren. Er besaß eine bestätigte Reservation sowie einen gültigen Flugschein für heute abend, für Flug Zwei der Trans America nach Rom. Im Augenblick stak der Flugschein in der Tasche seines Mantels, der ebenfalls in dem abgeschlossenen Zimmer über einem wackligen Stuhl hing.

Inez Guerrero hatte von dem Flugschein nach Rom keine Ahnung, noch hatte sie die geringste Vorstellung davon, aus welchen Motiven ihr Mann ihn gekauft hatte.

Der Flugschein der Trans America galt für den Hin- und Rückflug und kostete normalerweise 474 Dollar; durch Lügen hatte D. O. Guerrero sich aber einen Kredit verschafft. Er hatte 47 Dollar anbezahlt, die er sich besorgt hatte, indem er den letzten Wertgegenstand seiner Frau — den Ring ihrer Mutter, den Inez noch nicht vermißt hatte — verpfändete — und versprochen, die Differenz zuzüglich Zinsen in monatlichen Raten während der nächsten beiden Jahre abzustottern.

Es war im höchsten Maß unwahrscheinlich, daß er dies Versprechen je einlösen würde.

Kein respektables Kreditinstitut und keine Bank würde D. O. Guerrero auch nur den Preis für ein Busbillett nach Peoria geliehen haben, geschweige denn den Flugpreis nach Rom. Sie hätten gründlich seinen Verhältnissen nachgeforscht und entdeckt, daß er seit langem in Zahlungsschwierigkeiten steckte, ein Paket längst fälliger persönlicher Schulden hatte, und daß sein Bauunternehmen, die Guerrero Contracting Inc., bereits vor einem Jahr den Konkurs hatte anmelden müssen.

Eine noch gründlichere Überprüfung von Guerreros undurchsichtigen Finanzen hätte ergeben, daß er während der vergangenen acht Monate — unter Verwendung des Namens seiner Frau — versucht hatte, das Kapital für eine Grundstücksspekulation aufzubringen, was ihm aber mißlungen war. Dieser Fehlschlag hatte ihn noch tiefer in Schulden gebracht. Jetzt mußte eine Aufdeckung, die unmittelbar bevorzustehen schien, wegen gewisser betrügerischer Behauptungen, aber auch wegen des nicht abgewickelten Konkurses, eine strafrechtliche Verfolgung und so gut wie sicher eine Freiheitsstrafe nach sich ziehen. Nicht ganz so bedrohlich, aber ebenso bedrückend war die Tatsache, daß die Miete für die gegenwärtige Wohnung, so miserabel sie auch war, seit drei Wochen überfällig war und der Wirt für morgen mit der Ausweisung gedroht hatte. Wenn sie aus der Wohnung rausgesetzt wurden, wußte er nicht, wohin sie sich wenden sollten.

D. O. Guerrero war verzweifelt. Sein finanzieller Status lag weit unter Null.

Fluggesellschaften allerdings waren bemerkenswert entgegenkommend bei der Gewährung von Krediten. Sie waren auch bei der Eintreibung fälliger Zahlungen im allgemeinen weniger scharf als andere Institutionen. Das war eine wohlüberlegte Geschäftspolitik.

Sie beruhte auf der Tatsache, daß die zahlenden Flugreisenden sich im Lauf der Jahre als ein ungewöhnlich ehrlicher Durchschnitt der menschlichen Gesellschaft erwiesen hatten, und die Verluste der Gesellschaften durch dubiose Guthaben waren bemerkenswert gering. »Nassauer« wie D. O. Guerrero belästigten sie selten. Deshalb waren sie nicht darauf eingestellt, weil es sich nicht lohnte, Schliche, wie er sie benutzt hatte, aufzudecken.

Durch zwei einfache Mittel vermied er eine mehr als flüchtige Überprüfung seiner Kreditwürdigkeit. Erstens legte er eine »Arbeitgeberempfehlung« vor, die er selbst auf den Geschäftsbogen einer eingegangenen Firma tippte, die er einmal geführt hatte — aber nicht jener, die in Konkurs gegangen war — und deren Geschäftsadresse sein eigenes Postfach war. Zweitens schrieb er seinen Namen vorsätzlich falsch, als er den Brief tippte, und vertauschte den Anfangsbuchstaben »G« mit »B«, so daß eine Routineüberprüfung der Kreditwürdigkeit eines »Buerrero« keinerlei Informationen ergeben hätte, etwa die belastenden Angaben, die unter seinem richtigen Namen verzeichnet waren. Als weitere Ausweise hatte er seine Sozialversicherungskarte und seinen Führerschein vorgelegt und auf beiden vorher den Anfangsbuchstaben sorgfältig verändert, eine Veränderung, die er inzwischen wieder rückgängig gemacht hatte.

Ein anderer Punkt, den er nicht vergaß, war darauf zu achten, daß seine Unterschrift auf dem Kreditvertrag unleserlich und nicht klar zu erkennen war, ob er seinen Namen mit »G« oder mit »B« geschrieben hatte.

Diese falsche Schreibweise war gestern von dem Angestellten der Fluggesellschaft übernommen worden, der den Flugschein für »D. O. Buerrero« ausstellte, und das hatte D. O. Guerrero im Licht seiner unmittelbaren Pläne sorgfältig erwogen. Falls später jemals Nachforschungen angestellt werden sollten, würde die Verwechslung eines einzigen Buchstabens sowohl auf dem »Empfehlungsschreiben« als auch auf dem Flugschein als echtes Versehen erscheinen. Durch nichts konnte bewiesen werden, daß er die Verwechslung vorsätzlich herbeigeführt hatte. Auf jeden Fall wollte er, wenn er nachher auf dem Flughafen ankam, den Fehler berichtigen lassen — sowohl auf der Passagierliste der Trans America als auch auf seinem Flugschein. Wichtig war, daß es keine Unklarheit über seine korrekte Identität gab, wenn er erst an Bord des Flugzeugs war. Auch das war ein Teil seines Plans.