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Es war alles unglaublich einfach. Sogar so einfach, dachte Guerrero bei sich, daß die meisten Leute, die nichts von Sprengstoffen verstanden, einfach nicht glauben würden, daß es funktionierte. Aber es würde funktionieren, mit einer zerschmetternden, verheerenden Tödlichkeit.

In das Ende einer der Dynamitpatronen drückte er mit einem Bleistift ein anderthalb Zoll tiefes Loch. In diese Höhlung paßte er die Zündkapsel ein, die den gleichen Durchmesser wie der Bleistift hatte. An der Zündkapsel waren zwei isolierte Drähte befestigt. Jetzt war nur noch erforderlich, elektrischen Strom durch die Drähte zu leiten, um die Zündkapsel und damit die drei Dynamitpatronen zur Explosion zu bringen.

Mit Klebestreifen befestigte er die Kornflakesschachtel mit dem Dynamit sicher im Koffer, daneben die Wäscheklammer und die Batterie. Die Batterie sollte die Ladung zünden. Die Wäscheklammer war der Schalter, der den Stromkreis von der Batterie im richtigen Augenblick schloß.

Er befestigte einen der Drähte von der Zündkapsel am Boden der Batterie.

Seine Hände zitterten dabei. Er spürte, wie ihm der Schweiß in Strömen unter dem Hemd herunterlief. Nachdem die Zündkapsel eingesetzt war, konnte er durch den geringsten Fehler, durch das kleinste Versehen, sich selbst, dieses Zimmer und den größten Teil des Hauses auf der Stelle in die Luft jagen.

Er konzentrierte sich auf die Wäscheklammer.

Auf jeder ihrer beiden Backen befestigte er, innen an den oberen Enden, einen der beiden Reißbrettstifte. Wenn die beiden Reißbrettstifte durch den Druck der Feder der Wäscheklammer zusammengebracht wurden, schlössen sie den Stromkreis. Um das vorläufig zu verhindern, legte er einen Isolator dazwischen — das kleine Stück durchsichtigen Kunststoff.

Mit angehaltenem Atem verband er den zweiten Draht von der Zündkapsel und der Dynamitladung mit dem einen Reißbrettstift an der Wäscheklammer. Beide Leitungen zu den Dynamitpatronen waren jetzt angeschlossen.

Er wartete, bemerkte, wie sein Herz klopfte, wischte sich mit dem Taschentuch die feuchten Handflächen ab. Seine Nerven, sämtliche Sinne, waren aufs höchste angespannt. Er ließ sich auf den Bettrand sinken und spürte unter sich die dünne klumpige Matratze. Die wacklige eiserne Bettstelle quietschte protestierend, als er sich bewegte.

Er nahm seine Arbeit wieder auf. Mit äußerster Vorsicht verband er ein kurzes Stück Draht erst mit dem zweiten Reißbrettstift an der Wäscheklammer, dann das andere Ende mit dem zweiten Pol der Batterie. Jetzt verhinderte nur das kleine Stück Kunststoff, das die beiden Reißbrettstifte voneinander trennte, daß der Stromkreis geschlossen und damit die Explosion ausgelöst wurde.

Das Stück Kunststoff, weniger als ein Sechzehntel Zoll stark, hatte am Rand ein kleines Loch. D. O. Guerrero nahm den letzten Gegenstand vom Bett — die Schnur — und führte ihr eines Ende durch das Loch in dem Kunststoff und machte einen festen Knoten, sorgfältig darauf bedacht, den Kunststoff dabei nicht zu verschieben. Das andere Ende der Schnur schob er durch ein unauffällig unter dem Griff des Aktenkoffers bereits gebohrtes Loch. Die Schnur lag in dem Koffer verhältnismäßig locker. Außen knüpfte er einen Knoten in die Schnur, der dick genug war, daß sie nicht wieder in den Koffer hineinrutschen konnte. Schließlich band er ebenfalls außen eine fingerweite Schlaufe — die Miniatur einer Henkersschlinge — und schnitt die überschüssige Schnur ab.

Damit war es geschafft.

Einen Finger durch die Schlinge, ein Ruck an der Schnur! Im Koffer würde dadurch das Stück Kunststoff aus den Backen der Wäscheklammer herausgezogen und die beiden Reißbrettstifte den Kontakt schließen. Der Strom würde fließen und sofort die Explosion auslösen, vernichtend und endgültig für alles und jeden, der in unmittelbarer Nähe war.

Nachdem alles fertig war, entspannte Guerrero sich und steckte sich eine Zigarette an. Er lächelte düster, als er wieder daran dachte, um wieviel schwieriger und komplizierter man sich allgemein — und das galt auch für die Verfasser von Kriminalromanen — die Anfertigung einer Bombe vorstellte. In Geschichten hatte er immer gelesen, daß komplizierte Mechanismen dazu gehörten, mit Uhrwerken und Zündern, die tickten oder zischten oder sprühten und die unschädlich gemacht werden konnten, wenn man sie in Wasser tauchte. In Wirklichkeit waren gar keine komplizierten Vorrichtungen notwendig — nur die einfachen, wohlbekannten Bestandteile, die er gerade zusammengebaut hatte. Die Explosion dieser Bombe konnte nicht verhindert werden — weder durch Wasser noch Kugeln noch Tapferkeit —, sobald die Schnur einmal abgezogen war.

Mit der Zigarette zwischen den Lippen blinzelte D. O. Guerrero durch den Rauch, während er vorsichtig einige Papiere in den Aktenkoffer legte und damit das Dynamit, die Wäscheklammer, die Drähte, die Batterie und die Schnur verdeckte. Er vergewisserte sich, daß die Papiere nicht verrutschen konnten, die Schnur aber freien Lauf unter ihnen hatte. Selbst wenn er den Koffer aus irgendeinem Grund öffnete, würde sein Inhalt harmlos erscheinen. Er klappte ihn zu und schloß ihn ab.

Er sah auf den billigen Wecker neben dem Bett. Seine eigene Uhr war schon seit langem bei einem Pfandleiher verschwunden. Es war fünf Minuten nach acht. In nicht ganz zwei Stunden sollte die Maschine fliegen. Es war Zeit, sich auf den Weg zu machen. Mit der Untergrundbahn wollte er in die Stadt fahren, dann den Bus zum Flughafen nehmen. Dafür hatte er gerade noch genug Geld übrig, und um eine Flugversicherung abzuschließen. Dies erinnerte ihn daran, daß er auf dem Flughafen dazu noch genügend Zeit haben mußte. Er zog schnell seinen Mantel an und vergewisserte sich noch einmal, daß der Flugschein in der Innentasche steckte.

Er schloß die Schlafzimmertür auf und trat in das dürftige, schäbige Wohnzimmer. Den Aktenkoffer trug er dabei vorsichtig in der Hand.

Noch ein Letztes blieb zu tun! Eine Nachricht an Inez. Er fand ein Stück Papier und einen Bleistift und schrieb nach kurzem Überlegen:

»Ich komme für ein paar Tage nicht nach Hause. Ich fahre fort. Ich hoffe, daß ich bald gute Nachrichten habe, die dich überraschen werden.«

Er unterschrieb mit D. O.

Einen Augenblick zögerte er unter einer weichen Regung. Als das Ende einer achtzehnjährigen Ehe war dieser Zettel nicht sehr viel. Aber er entschloß sich, es dabei bewenden zu lassen. Es wäre ein Fehler, wenn er zuviel sagte. Später, auch wenn die Untersuchungskommission keine Wrackteile der Maschine von Flug Zwei nach Rom fand, würden sie die Passagierliste scharf unter die Lupe nehmen. Dieser Zettel würde so gut wie jedes andere Papier, das er hinterließ, genau und sorgfältig überprüft werden.

Er legte den Zettel auf den Tisch, wo Inez ihn finden mußte.

Als D. O. Guerrero die Treppe hinunterging, hörte er aus dem Selbstbedienungsrestaurant Stimmen und die Musikbox spielen. Er schlug seinen Mantelkragen hoch und umklammerte mit der anderen Hand fest den Griff des Aktenkoffers. Die Schlaufe an der Schnur, die der Schlinge eines Henkerstricks glich, befand sich dicht unter seinen gekrümmten Fingern.

Als er das Haus durch den Ausgang nach Süden verließ, schneite es draußen immer noch.

20 Uhr 30 bis 23 Uhr 00

1

Noch einmal kehrte Joe Patroni in die Wärme seines Wagens zurück und rief den Flughafen an. Der Wartungschef der TWA berichtete, daß die Straße zwischen ihm und dem Flughafen immer noch durch den Verkehrsunfall blockiert war, aber die Aussichten, bald durchzukommen, ständen günstig. Er erkundigte sich, ob die 707 der Aereo Mexican immer noch im Schlamm auf dem Flugfeld feststak. Ja, lautete die Antwort. Darüber hinaus riefe jeder, der betroffen sei, alle paar Minuten bei TWA an, um zu fragen, wie lange er noch brauche, da seine Hilfe dringend benötigt werde.

Ohne zu warten, bis er sich richtig aufgewärmt hatte, verließ Patroni wieder seinen Wagen und eilte über die Straße durch den dicht fallenden Schnee und den tiefen Matsch zum Schauplatz des Unfalls zurück.