Während er sprach, dröhnte ein Düsenflugzeug über sie hinweg — eine Ermahnung zur Eile für Joe Patroni.
»Jetzt hören Sie mal zu, Mister.« Das Gesicht des Leutnants nahm ein noch dunkleres Rot an, als Kälte und Wind bereits verursacht hatten. »Machen Sie sich klar, daß ich hier das Kommando führe. Wir sind froh, wenn wir Hilfe finden, einschließlich Ihrer, aber ich bin es, der hier Entscheidungen trifft.«
»Dann treffen Sie jetzt Ihre Entscheidung!«
»Ich werde tun, was ich . . .«
»Nein! Jetzt hören Sie mir mal zu!« Joe Patroni sah den Leutnant mit funkelnden Augen an, ohne sich durch die ihn überragende Gestalt beeindrucken zu lassen. Der beherrschte Zorn und die spürbare Autorität Patronis ließen den Leutnant zögern.
»Auf dem Flughafen herrscht ein Notstand. Das habe ich Ihnen schon auseinandergesetzt. Und auch, weshalb ich dort gebraucht werde.« Patroni fuchtelte mit seiner glühenden Zigarre in der Luft herum, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen. »Vielleicht haben auch noch andere, die hier aufgehalten werden, allen Grund, schnell weiterzukommen, aber mir genügt im Augenblick meiner völlig. Ich habe in meinem Wagen Telefon. Ich kann meine Chefs anrufen, und die rufen dann Ihre an, und ehe Sie es ahnen, wird jemand Sie über Ihr Funkgerät fragen, wie Sie dazu kommen, Ihr Fernseh-Image aufzupolieren, statt die Aufgabe zu erfüllen, für die Sie hier sind. Treffen Sie also Ihre Entscheidung, wie Sie gesagt haben, oder muß ich erst anrufen?«
Der Leutnant funkelte Joe Patroni ebenfalls wütend an. Für einen Augenblick schien es, als ob er seinem Ärger nachgeben würde, besann sich dann aber eines Besseren. Er wandte seine große Gestalt dem Fernsehteam zu. »Schafft diesen ganzen Krempel jetzt hier weg. Ihr Kerle habt lange genug Zeit gehabt.« Einer von den Fernsehleuten rief: »Wir brauchen noch ein paar Minuten, Chef.«
Mit zwei Schritten war der Leutnant neben ihm. »Haben Sie nicht verstanden? Auf der Stelle brechen Sie ab.«
Der Polizist beugte sich herab, sein Gesicht war noch wütend von dem Zusammenstoß mit Joe Patroni, und der Fernsehmann zuckte merklich zurück. »Schon gut, schon gut.« Er winkte den anderen hastig zu, und die Scheinwerfer um die Handkamera erloschen.
»Die beiden Abschleppwagen an die Plätze zurück, wo sie gestanden haben!« Der Leutnant begann, mit Befehlen um sich zu werfen, und seine Untergebenen befolgten sie eilig. Er kam zu Joe Patroni zurück und deutete auf den umgestürzten Lastzug. Sichtlich war er zu der Überzeugung gekommen, daß Patroni als Verbündeter nützlicher war denn als Gegner. »Sind Sie immer noch der Meinung, daß sie den Klotz da beiseite schleppen können, Mister? Glauben Sie nicht, daß wir ihn doch aufrichten sollten?«
»Nur wenn Sie die Straße gesperrt lassen wollen, bis es hell wird. Sie müßten zuerst den Anhänger ausladen, und wenn Sie das tun . . .«
»Ich weiß, ich weiß. Lassen wir's also! Wir ziehen und schieben jetzt, und wenn dabei was kaputtgeht, zerbrechen wir uns den Kopf später darüber.« Der Leutnant deutete auf die wartenden Autoschlangen. »Wenn Sie nachher gleich weiter wollen, holen Sie lieber Ihren Wagen hier nach vorn. Wollen Sie ein Geleit bis zum Flughafen?« Patroni nickte zustimmend. »Ja . . . danke.«
Zehn Minuten später schnappte der Haken des letzten Abschleppseils ein. Schwere Ketten von einem der Abschleppwagen waren an der Achse des Sattelschleppers befestigt worden; ein kräftiges Drahtseil verband die Kette mit der Winde des Abschleppfahrzeugs. Der zweite Abschleppwagen war an dem umgestürzten Anhänger befestigt, das dritte Schleppfahrzeug stand hinter dem Anhänger bereit.
Der Fahrer des großen Lastzugs, welcher trotz des Umstürzens nur geringfügig beschädigt war, stöhnte, als er beobachtete, was vor sich ging. »Das wird meinem Chef wenig gefallen! Der Lastzug ist fast neu. Sie zerreißen ihn so doch in Stücke.«
»Wenn schon«, erwiderte ein junger Polizist. »Wir vollenden dann nur, was Sie angefangen haben.«
»Ihnen kann's ja gleichgültig sein«, antwortete der Fahrer mürrisch. »Stört Sie ja nicht, wenn ich einen guten Job verliere. Das nächste Mal suche ich mir dann was Leichteres — werde auch ein fauler Polizist.«
Der Beamte grinste. »Warum nicht? Ein miserabler Fahrer sind Sie ja schon.«
»Sind wir soweit?« fragte der Leutnant Patroni.
Joe Patroni nickte. Er hatte sich geduckt und kontrollierte die Spannung der Ketten und Drahtseile. Er warnte: »Jetzt schön langsam und vorsichtig. Bringt erst den Sattelschlepper ins Rutschen.«
An dem ersten Abschleppwagen begann die Winde zu laufen. Seine Räder rutschten auf dem Schnee. Der Fahrer steigerte das Tempo und hielt die Schleppkette straff gespannt. Der auf der Seite liegende Sattelschlepper knarrte und glitt mit einem protestierenden Kreischen des Metalls ein oder zwei Fuß weit und hielt dann wieder an.
Patroni winkte: »Weiter, weiter! Und fangt mit dem Anhänger an!«
Die Ketten und Drahtseile zwischen dem zweiten Abschleppwagen und dem Anhänger strafften sich. Der dritte Abschlepper drückte gegen das Dach des Anhängers. Die Räder aller drei Fahrzeuge drehten durch, da sie in dem nassen hohen Schnee kaum Halt fanden. Sattelschlepper und Anhänger, noch aneinandergekoppelt, wie sie umgestürzt waren, bewegten sich von dünnen Beifallsrufen der Zuschauer begleitet, seitlich über die Fahrbahn. Die Fernsehkamera war wieder in Betrieb, ihre Scheinwerfer gaben dem Schauplatz zusätzliches Licht.
Eine breite tiefe Lücke im hohen Schnee zeigte die Stelle an, wo der große Lastzug gelegen hatte. Der Sattelschlepper und der Anhänger erlitten starke zusätzliche Schäden. Das Dach des Anhängers verschob sich, während das Fahrzeug über die Fahrbahn geschleift wurde. Der Preis, der für die Räumung der Straße bezahlt werden mußte — zweifellos von einer Versicherung —, stieg steil an.
Vor und hinter der Straßensperre versuchten zwei Schneepflüge — die wie angriffsbereite Kampfwagen zu beiden Seiten bereitstanden — so gut wie möglich den Schnee zu räumen, der sich seit dem Augenblick des Unfalls angehäuft hatte. Alles und jeder waren inzwischen von Schnee bedeckt, auch Patroni, der Leutnant, die Polizisten und alles, was im Freien war.
Die Motoren der Abschleppfahrzeuge dröhnten wieder auf. Von den Reifen, die in dem nassen, festgefahrenen Schnee durchdrehten, stieg Rauch auf. Langsam und schwerfällig bewegte sich der umgestürzte Lastzug um ein paar Zoll, einige Fuß, und glitt dann über die Fahrbahn zur anderen Straßenseite. Sekunden später war an Stelle der vier Fahrbahnen nur noch eine versperrt. Für die Abschleppwagen war es jetzt einfach, den Lastzug völlig von der Straße herunter und auf die abschüssige Böschung zu schieben.
Polizisten winkten bereits mit Fackeln und machten sich daran, die ungeheuerliche Verkehrsstauung aufzulösen, die voraussichtlich noch mehrere Stunden anhalten würde. Wieder erinnerte das Dröhnen einer Düsenmaschine in der Luft Joe Patroni daran, daß die Hauptaufgabe für diese Nacht noch woanders auf ihn wartete.
Der Polizeileutnant nahm seine Mütze ab und schüttelte den Schnee herunter. Er nickte Patroni zu. »Jetzt sind Sie an der Reihe, Mister.«
Ein Streifenwagen, der auf dem Bankett parkte, rollte behutsam auf die Fahrbahn. Der Leutnant zeigte darauf. »Halten Sie sich dicht hinter diesem Wagen. Ich habe den Leuten gesagt, daß Sie ihnen folgen, und sie haben Befehl, Sie schnell zum Flughafen zu bringen.«
Joe Patroni nickte. Als er in seinen Buick Wildcat kletterte, rief der Leutnant ihm nach: »Und noch eins, Mister . . . Danke!«
2
Kapitän Vernon Demerest trat einen Schritt von der geöffneten Schranktür zurück und stieß einen leisen Pfiff aus.