»Schwanger—S—C—H—W . . .«
Er unterbrach sie gereizt: »Buchstabieren kann ich das auch.« Seine Gedanken tasteten sich noch zurecht. »Bist du auch sicher?«
Gwen lachte — ihr attraktives silbernes Lachen — und nippte an ihrem Tee. Er dachte, sie zöge ihn auf. Nie hatte sie liebenswerter und begehrenswerter ausgesehen als gerade jetzt.
»Dieser Spruch, Liebling, den du da gerade aufgesagt hast, ist eine alte Masche. In jedem Buch, das ich gelesen habe, kam so eine Szene vor; der Mann fragte: >Bist du auch sicher?< «
»Na, verdammt noch mal, Gwen!« Er würde lauter. »Bist du's?«
»Natürlich. Sonst würde ich es dir doch nicht sagen.« Sie beugte sich über seine Tasse. »Noch eine Tasse Tee?«
»Nein!«
»Mir ist ganz klar«, sagte Gwen ruhig, »wie es passiert ist. Bei diesem Zwischenaufenthalt, den wir in San Francisco hatten — erinnerst du dich? —, wir wohnten in dem großartigen Hotel auf dem Nob Hill, das mit dem schönen Ausblick. Wie heißt es doch noch?«
»Das >Fairmont<. Ja, ich erinnere mich. Weiter.«
»Also, ich fürchte, ich war leichtsinnig. Ich gab das Pillenschluk-ken auf, weil ich dadurch zu dick wurde. Damals meinte ich, ich brauchte an dem Tag keine anderen Vorsichtsmaßnahmen, aber es hat sich gezeigt, daß ich mich geirrt habe. Na, jedenfalls habe ich jetzt, weil ich unvorsichtig war, einen winzig kleinen Vernon Demerest in mir, der immer größer und größer wird.«
Es gab eine Pause. Dann sagte er verlegen: »Wahrscheinlich steht mir die Frage nicht zu, ob . . .«
Sie unterbrach ihn. »Doch, das darfst du fragen. Dazu hast du das Recht.« Gwens tiefdunkle Augen sahen ihn mit offener Ehrlichkeit an. »Was du wissen möchtest, ist, ob da irgendjemand anderes war und ob ich sicher bin, daß es von dir ist. Habe ich recht?«
»Sieh mal, Gwen . . .«
Sie streckte ihre Hand nach seiner aus. »Es braucht dir doch nicht peinlich zu sein, danach zu fragen. Ich täte es auch, wenn ich an deiner Stelle wäre.«
Er machte ein paar unglückliche Bewegungen. »Reden wir nicht mehr davon. Es tut mir leid.«
»Aber ich will es dir doch sagen.« Sie sprach nun schneller, eine Spur weniger zuversichtlich.
»Da ist kein anderer gewesen — konnte gar keiner sein. Siehst du — zufällig liebe ich dich nun einmal.« Zum ersten Male hatte sie die Augen gesenkt. Sie fuhr fort: »Ich dachte, ich — ich wußte, ich — liebe dich, ich meine — sogar schon vor dem Erlebnis in San Francisco. Als ich darüber nachdachte, war ich glücklich darüber, weil man doch jemanden lieben sollte, wenn man ein Kind von ihm erwartet — findest du nicht?«
»Hör mal zu, Gwen.« Er legte seine Hand auf ihre. Vernon De-merests Hand war kräftig und feinfühlig, an Verantwortung und Beherrschung gewöhnt, doch auch zu Genauigkeit und Güte fähig. Jetzt waren es zärtliche Hände. Frauen, an denen ihm gelegen war, hatten stets diese Wirkung gespürt, im Gegensatz zu der rauhen, barschen Art, in der er mit Männern umging. »Wir müssen ernsthaft miteinander reden und überlegen.« Nachdem die erste Überraschung vorbei war, kamen seine Gedanken in Ordnung. Es war völlig klar, was zunächst geschehen mußte.
»Du brauchst überhaupt nichts zu tun.« Gwens Kopf richtete sich auf, ihre Stimme war beherrscht. »Und du kannst beruhigt aufhören, dich zu fragen, ob ich dir Schwierigkeiten oder Unannehmlichkeiten machen werde. Das werde ich nicht. Ich habe gewußt, auf was ich mich einließ; daß dies womöglich passieren könnte. Ich habe es nicht direkt erwartet, aber es ist nun einmal geschehen. Ich mußte es dir heute abend sagen, weil das Kind doch von dir ist; ein Teil von dir ist; deshalb mußt du es wissen. Da du es nun weißt, sage ich dir auch, daß du dir keine Sorgen zu machen brauchst. Ich habe mir vorgenommen, die Sache allein auszubaden.«
»Sei doch nicht lächerlich. Ich werde dir selbstverständlich helfen. Du denkst doch nicht, ich würde kneifen und von der ganzen Geschichte nichts wissen wollen?« Die Hauptsache, machte er sich klar, war Eile; der Trick bei unerwünschten Fötussen war, die kleinen Dinger frühzeitig zu erwischen. Er fragte sich, ob Gwen religiöse Bedenken gegen Abtreibung habe. Sie hatte nie über Religion gesprochen, doch manchmal waren plötzlich die unwahrscheinlichsten Menschen fromm. Er fragte sie: »Bist du katholisch?«
»Nein.«
Na, dachte er, dann war es schon leichter. Vielleicht war ein kurzer Flug nach Schweden das richtige; ein paar Tage dort waren alles, was Gwen brauchte. Die Trans America würde mithelfen, wie es alle Linien taten, vorausgesetzt, sie waren nicht offiziell verwickelt — »Abtreibung« konnte angedeutet, das Wort durfte aber nicht ausgesprochen werden. Gwen könnte kostenlos mit einem Trans-America-Flug nach Paris und dann mit einem Freiflugschein, den die Luftlinien für ihre Angestellten untereinander austauschten, durch die Air France nach Stockholm gelangen. Wenn sie allerdings nach Schweden flog, würden die Arztkosten verdammt hoch werden. Beim Personal der Fluggesellschaften kursierte der Witz, daß die Schweden ihre überseeischen Abtreibungspatienten gleichzeitig von unerwünschtem Nachwuchs und von ihrem Geld befreiten. In Japan würde die ganze Sache natürlich viel billiger. Stewardessen flogen nach Tokio und hatten Abtreibungen für fünfzig Dollar. Die Abtreibungen galten als medizinisch einwandfrei, aber Demerest mißtraute ihnen; Schweden — oder die Schweiz — waren zuverlässiger. Er hatte einmal erklärt: Wenn von ihm eine Stewardess schwanger würde, dann nur erster Klasse.
Von seinem Gesichtspunkt aus war es verdammt lästig, daß Gwen ausgerechnet jetzt ein Brot im Backofen hatte, wo er einen Anbau an seinem Haus ausführen ließ und, wie er sich erinnerte, sein Budget bereits überschritten hatte. Na schön, dann mußten eben ein paar Aktien verkauft werden — General Dynamics wahrscheinlich; da hatte er einen netten Kapitalgewinn erzielt, und es war allmählich an der Zeit, diesen Gewinn flüssig zu machen. Er würde seinen Makler gleich nach seiner Rückkehr von Rom — und Neapel — anrufen. Er fragte: »Kommst du trotzdem noch mit mir nach Neapel?«
»Selbstverständlich. Ich habe mich so darauf gefreut. Außerdem habe ich mir ein neues Neglige gekauft. Du wirst es morgen nacht sehen.«
Er stand auf und grinste. »Du bist ein schamloses Frauenzimmer.«
»Ein schamloses schwangeres Frauenzimmer, das dich schamlos liebt. Liebst du mich?«
Sie kam zu ihm, und er küßte sie auf den Mund, auf das Gesicht und auf ein Ohr. Er strich mit der Zunge durch ihre Ohrmuschel und spürte, wie sich ihre Arme daraufhin fester um ihn schlössen, und flüsterte: »Ja, ich liebe dich.« In diesem Augenblick, ging es ihm durch den Kopf, stimmte es.
»Vernon, Liebster.«
»Ja?« Ihre Wange war an die seine geschmiegt. Ihre Stimme wurde durch seine Schulter gedämpft. »Das war mein Ernst, was ich sagte. Du mußt mir nicht helfen. Wenn du es wirklich willst, ist es etwas anderes.«
»Ich will es.« Er beschloß, auf dem Weg zum Flughafen aus ihr herauszubringen, wie sie sich zu einer Abtreibung stellte.
Gwen löste sich und sah auf ihre Uhr; es war 8.20 Uhr. »Es ist Zeit, Herr Kapitän. Wir müssen wohl gehen.«
»Ich hoffe, du weißt, daß du dir wirklich keine Sorgen zu machen brauchst«, sagte Vernon Demerest zu Gwen, als sie unterwegs waren. »Fluggesellschaften sind es gewöhnt, daß ihre unverheirateten Stewardessen schwanger werden. Das kommt alle Tage vor. Nach dem letzten Bericht, den ich sah, waren es bei den amerikanischen Gesellschaften im Durchschnitt zehn Prozent jährlich.«
Ihre Unterhaltung wurde, wie er zufrieden feststellte, immer sachlicher. Gut so! Es war wichtig, Gwen von der Gefühlsduselei wegen dieses Kindes abzulenken. Wenn sie gefühlvoll wurde, wußte Demerest, konnten alle möglichen Dummheiten passieren und dem gesunden Menschenverstand in die Quere kommen.
Er fuhr den Mercedes vorsichtig, mit dem zarten, aber festen Griff, der seine zweite Natur war, wenn er irgendeine Maschine, ob Auto oder Flugzeug, unter den Händen hatte. Die Vorstadtstraßen, die frisch geräumt waren, als er vom Flughafen zu Gwens Apartment fuhr, waren wieder von hohem Schnee bedeckt. Es schneite ununterbrochen weiter, und an windigen, von Gebäuden nicht geschützten Stellen gab es Verwehungen. Kapitän Demerest umfuhr vorsichtig die höheren Verwehungen. Er hatte keine Lust steckenzubleiben oder auszusteigen, ehe der Schutz des überdachten Parkplatzes der Trans America erreicht war.