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Gwen, die in den Ledersitz gekuschelt neben ihm saß, sagte ungläubig: »Stimmt es wirklich, daß jedes Jahr zehn von hundert Stewardessen schwanger werden?«

Er versicherte ihr: »Es schwankt natürlich etwas mit den Jahren, aber in der Regel bleibt es ziemlich gleich. Na ja, die Pille hat die Dinge etwas geändert, aber, wie ich hörte, nicht in dem Maß, wie zu erwarten war. Als Funktionär meiner Berufsorganisation habe ich ja Zugang zu derlei Informationen.«

Er wartete auf Gwens Antwort. Als sie ausblieb, fuhr er fort: »Was du nicht vergessen darfst, ist, daß Stewardessen meistens junge Mädchen vom Lande oder aus kleineren Städten oder aus bescheidenen städtischen Verhältnissen sind. Sie hatten eine ruhige Erziehung und ein durchschnittliches Leben. Plötzlich haben sie einen glanzvollen Beruf, sie reisen, lernen interessante Menschen kennen, steigen in den erstklassigsten Hotels ab. Es ist ihre erste Kostprobe von la dolce vita.« Er grinste. »Gelegentlich hinterläßt diese erste Probe einen Bodensatz im Glas.«

»Ich finde es einfach geschmacklos von dir, so zu reden!« Zum erstenmal, seit er sie kannte, zeigte sich Gwen gekränkt. Empört fuhr sie fort: »Du hast einen so herablassenden Ton — eben typisch Mann. Wenn ich einen Bodensatz in meinem Glas oder in mir habe, dann laß dich daran erinnern, daß er von dir stammt, und wenn wir es wirklich nicht dabei belassen wollen, würde ich wenigstens eine bessere Bezeichnung dafür finden. Auch daß du mich mit all diesen Mädchen vom Land und aus bescheidenen Verhältnissen, von denen du gesprochen hast, in einen Topf wirfst, paßt mir, verdammt noch mal, gar nicht!«

Gwens Wangen hatten sich gerötet. Ihre Augen funkelten wütend.

»Hoppla«, sagte er. »Dein Feuer gefällt mir.«

»Mach nur so weiter, dann kannst du noch ganz was anderes erleben.«

»War es denn so schlimm?«

»Du warst unerträglich.«

»Das tut mir leid.« Demerest verlangsamte das Tempo und hielt vor einer Verkehrsampel an, die mit unzähligen Reflexen durch den fallenden Schnee schimmerte. Sie warteten schweigend, bis die Ampel mit Weihnachtskarteneffekt auf Grün wechselte. Als sie wieder fuhren, sagte er behutsam: »Ich wollte dich mit niemand in einen Topf werfen, weil du doch eine Ausnahme bist. Du bist ein aufgeklärtes Mädchen, das unvorsichtig war. Das hast du selbst zugegeben. Wahrscheinlich waren wir beide unvorsichtig.«

»Also gut.« Gwens Ärger verflog. »Aber wirf mich nie mehr mit anderen in einen Topf. Ich bin ich und niemand anderes.«

Sie schwiegen ein paar Minuten lang, dann sagte Gwen nachdenklich: »Ich glaube, so könnten wir es nennen.«

»Wie was nennen?«

»Du hast mich wieder auf das gebracht, was ich vorhin gesagt habe — über den kleinen Vernon Demerest in mir. Wenn es ein Junge wird, könnten wir ihn Vernon Demerest den Zweiten nennen, wie das die Amerikaner tun.«

Sein Name hatte ihm nie besonders zugesagt. Zögernd begann er: »Ich möchte nicht, daß mein Sohn . . .« Dann hielt er inne. Dies war ein gefährlicher Boden.

»Was ich vorhin sagen wollte, Gwen: Die Gesellschaften sind solche Sachen ja gewöhnt. Du hast doch schon von dem >Dreipunkte-Schwangerschaftsprogramm< gehört?«

Einsilbig antwortete sie: »Ja.«

Ihre Einsilbigkeit war nur natürlich. Den meisten Stewardessen war bekannt, was die Gesellschaften für sie tun würden, sollten sie schwanger werden, vorausgesetzt, die Stewardessen waren mit gewissen Bedingungen einverstanden. Innerhalb der Trans America wurde von dem System vertraulich als »3-PPP« gesprochen. Andere Gesellschaften gebrauchten andere Namen, doch die Vorkehrungen unterschieden sich nur geringfügig, waren aber im Prinzip gleich.

»Ich habe Mädchen gekannt, die das >3-PPP< benutzt haben«, sagte Gwen. »Ich habe nie gedacht, daß ich es auch einmal nötig haben würde.«

»Die meisten anderen wohl auch nicht, nehme ich an.« Er fügte hinzu: »Aber du brauchtest dir keine Sorgen zu machen. Die Gesellschaften hängen das nicht an die große Glocke, und alles geht ganz diskret vor sich. Wie steht es mit unserer Zeit?«

Gwen hielt ihre Armbanduhr unter das Licht des Armaturenbretts. »Wir sind zeitig dran.«

Er lenkte seinen Wagen vorsichtig auf die mittlere Fahrbahn, achtete auf die Bodenhaftung auf der feuchten, schneebedeckten Straßendecke und überholte einen rumpelnden Müllwagen. Mehrere Männer auf den Trittbrettern des fahrenden Lkws, wahrscheinlich eine Räummannschaft, hielten sich an den Seiten fest. Sie sahen müde, naß und erbärmlich aus. Demerest fragte sich, wie es auf die Männer wirken würde, wenn sie erführen, daß er und Gwen in ein paar Stunden unter der warmen Sonne von Neapel sein würden.

»Ich weiß nicht«, sagte Gwen, »ich weiß nicht, ob ich das je tun könnte.«

Wie Demerest, kannte Gwen die Überlegungen der Verwaltung, die hinter dem Schwangerschaftsprogramm der Fluggesellschaft steckten. Keine Linie verlor gern, aus welchem Grund auch immer, Stewardessen. Deren Ausbildung war teuer; eine qualifizierte Stewardess stellte eine hohe Investition dar. Und noch etwas kam hinzu. Die richtige Art Mädchen — sie mußten gut aussehen, elegant sein und Persönlichkeit besitzen — war schwer zu finden.

Die Abwicklung des Programms war praktisch und einfach. Wenn eine Stewardess schwanger wurde und nicht zu heiraten beabsichtigte, könnt* sie natürlich ihre Arbeit wieder antreten, sobald ihre Schwangerschaft vorüber war, und gewöhnlich war ihre Gesellschaft froh, sie zurückzubekommen. So erhielt sie dem Programm entsprechend offiziell Urlaub, bei dem ihr Dienstalter berücksichtigt wurde. Für ihr persönliches Wohlergehen unterhielten die Personalabteilungen der Gesellschaften besondere Ressorts, die unter anderem dabei behilflich waren, Abmachungen mit Ärzten oder Entbindungsheimen zu treffen, entweder am Wohnort der Stewardess oder in einem entfernten Ort, ganz wie sie es wünschte. Die Gesellschaft half auch psychologisch, indem sie den Mädchen zeigte, daß sich jemand um sie kümmerte und ihre Interessen wahrnahm. Ein Darlehen könnte ebenfalls vereinbart werden. War es einer Stewardess, die ein Kind gehabt hatte, peinlich, an ihren ursprünglichen Standort zurückzukehren, wurde sie stillschweigend zu einem anderen ihrer Wahl versetzt.

Als Gegenleistung für all dies verlangte die Gesellschaft von den Stewardessen drei Zusicherungen — daher das »DreipunkteSchwangerschaftsprogramm«.

Erstens: Die Stewardess mußte die Personalabteilung der Gesellschaft während der ganzen Zeit der Schwangerschaft über ihren Aufenthalt auf dem laufenden halten.

Zweitens: Sie mußte damit einverstanden sein, daß ihr Kind unmittelbar nach der Geburt adoptiert wurde, und darauf verzichten, den Namen der Adoptiveltern jemals zu erfahren. Damit verschwand das Kind völlig aus dem Leben der Mutter. Auf jeden Fall bürgte die Gesellschaft dafür, daß ein korrektes Adoptionsverfahren erfolgte und das Kind in einem guten Heim untergebracht wurde.

Drittens: Zu Beginn des Programms mußte die Stewardess der Gesellschaft den Namen des Kindesvaters mitteilen. Danach suchte ein in solchen Fällen erfahrener Vertreter der Personalabteilung den Vater auf, um bei ihm eine finanzielle Unterstützung für die Mutter durchzusetzen. Was der Vertreter zu erreichen versuchte, war eine schriftliche Verpflichtung, die Kosten für die ärztliche Betreuung und die Auslagen für ein Pflegeheim und, wenn möglich, einen Teil oder das ganze eingebüßte Gehalt der Stewardess zu übernehmen. Die Gesellschaften sahen es gern, wenn solche Vereinbarungen freundschaftlich und diskret erfolgten. Mußte es sein, konnten sie aber auch unangenehm werden und ihren beträchtlichen wirtschaftlichen Einfluß dazu benutzen, sich sträubende Individuen unter Druck zu setzen.