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An diesem Morgen verlief, ungeachtet des strahlenden Sommertags draußen, der Dienstbetrieb in dem geräumigen kathedralarti- gen Hauptkontrollraum wie üblich. Das gesamte Kontrollfeld, grö- ßer als ein Fußballplatz, war wie immer gedämpft beleuchtet, damit die mehreren Dutzend Radarschirme unbeeinträchtigt beobachtet werden konnten. Die Radargeräte waren in übereinanderstehenden Reihen angeordnet und wurden von Schutzschirmen überdacht. Das eintönige Geräusch war das erste, was jedem auffiel, der den Kon-trollraum zum erstenmal betrat. Aus dem Bereich der Flugdatenverarbeitung mit langen Reihen von Computern, den verschiedensten elektronischen Geräten und automatischen Fernschreibern stieg ein ununterbrochenes Summen und Maschinengeklapper auf. Von den mehreren Dutzend Arbeitsplätzen der Kontroller, die den Flugverkehr dirigierten, drang unaufhörlich das Summen der Stimmen, die auf zahllosen Frequenzen Funksprüche wechselten. Maschinenlärm und Menschenstimmen verschmolzen zu einem Geräusch, das mit gleichbleibender Lautstärke alles andere übertönte, aber durch schallschluckende Wände und Decken merkwürdig gedämpft klang.

Über den Arbeitsplätzen zog sich durch die ganze Länge des Kontrollraums eine Beobachtungsbrücke, über die gelegentlich Besucher bei Besichtigungen geführt wurden. Von diesem luftigen Platz aus erschien die Tätigkeit in dem Kontrollraum nicht unähnlich dem Treiben an einer Börse. Die Kontroller sahen nur selten zu der Brücke hinauf, da sie geschult waren, alles zu ignorieren, was die Konzentration auf ihre Tätigkeit beeinträchtigen konnte, und da nur wenige bevorzugte Besucher jemals in den Kontrollraum selbst eingelassen wurden, begegneten sich Kontroller und Außenstehende nur selten. Die Tätigkeit war also nicht nur in hohem Maß anstrengend, sondern wurde auch in einer geradezu mönchischen Umgebung verrichtet — ein Umstand, der durch die völlige Abwesenheit von Frauen noch verstärkt wurde.

In einem Anbau des Kontrollraums zog Keith seine Jacke aus und betrat in einem gestärkten weißen Hemd, das für die Flugsicherungskontroller fast schon zur Uniform geworden war, den Raum. Niemand wußte, warum die Kontroller im Dienst weiße Hemden trugen; es war keine Vorschrift, aber die meisten taten es. Als er auf dem Weg zu seinem Arbeitsplatz an anderen vorbeiging, begrüßten ihn verschiedene Kollegen mit einem freundlichen »Guten Morgen«, und auch das war ungewöhnlich. Im allgemeinen hatte es die unmittelbar nach dem Eintreten beginnende Spannung zur Sitte werden lassen, hastig mit dem Kopf zu nicken oder ein knappes »Hallo« zu sagen — manchmal nicht einmal das.

Der Kontrollabschnitt, den Keith regelmäßig bearbeitete, umfaßte einen Abschnitt des Gebiets Pittsburgh-Baltimore. Der Abschnitt wurde von einem Team von drei Mann überwacht. Keith war Radarkontroller. Seine Aufgabe bestand darin, mit den Flugzeugen Kontakt zu halten und über Funk Anweisungen zu geben. Zwei Assistenten bearbeiteten die Flugdaten und hielten die Verbindung zu den Flughäfen. Ein Inspektor koordinierte die Arbeit der drei. Heute gehörte zu dem Team noch ein Kontroller in Ausbildung, den Keith während der vergangenen Wochen regelmäßig geschult hatte.

Andere Kollegen dieser Schicht kamen zur gleichen Zeit wie Keith und stellten sich hinter den Männern auf, die sie ablösen sollten, und ließen sich ein paar Minuten Zeit, um das »Bild« in sich aufzunehmen. An allen Plätzen des Kontrollraums spielte sich das gleiche ab.

Während Keith in seinem Abschnitt hinter dem Radarkontroller stand, der seine Schicht beendete, spürte er bereits, wie sich seine geistige Aufnahmebereitschaft schärfte, und er beschleunigte bewußt sein Denken. Von zwei kurzen Pausen abgesehen, mußte sein Verstand für die nächsten acht Stunden in diesem Tempo weiterarbeiten.

Es herrschte der für diese Tageszeit übliche Verkehr, wenn man das weitverbreitete gute Wetter berücksichtigte, stellte er fest. Auf der dunklen Fläche des Radarschirms bezeichneten etwa fünfzehn hellgrüne Lichtpunkte — oder »Ziele«, wie die Radarleute sie nannten — Flugzeuge in der Luft. Allegheny hatte eine Convair 440 in achttausend Fuß Höhe, die sich Pittsburgh näherte. Hinter der Allegheny-Maschine befanden sich auf verschiedener Höhe eine stattliche DC-8, eine American Airlines 727, zwei Privatmaschinen — eine Jet-Lear und eine Fairchild F-27 — und eine weitere stattliche Maschine, diesmal eine Turbo-Prop Electra. Verschiedene andere Maschinen, bemerkte Keith, mußten jeden Augenblick auf dem Schirm erscheinen, teils aus anderen Abschnitten, teils durch startende Maschinen von Friendship Airport bei Baltimore. In entgegengesetzter Richtung flog eine Delta DC-9 auf Baltimore zu und würde bald von der Anflugkontrolle Friendship übernommen werden. Hinter dieser Maschine folgten eine TWA, eine Piedmont Airlines Martin, eine weitere Privatmaschine, zwei Uniteds und eine Mohawk. Die Abstände aller Maschinen nach Höhe und Entfernung voneinander waren zufriedenstellend, bemerkte Keith, außer den beiden Uniteds in Richtung Baltimore, die etwas dicht beieinander waren. Als ob der Kontroller am Radarschirm Keiths Gedanken gelesen hätte, gab er der zweiten United eine verzögernde Kursänderung an.

»Ich bin im Bild«, sagte Keith ruhig. Der andere Kontroller nickte und räumte seinen Platz.

Keiths Inspektor, Perry Yount, schloß über Keiths Schulter hinweg seinen Kopfhörer an, beugte sich vor und bildete sich sein eigenes Urteil über die Verkehrslage. Perry war ein großer schlanker Neger und einige Jahre jünger als Keith. Er besaß ein schnell auffassendes, zuverlässiges Gedächtnis, das eine Menge Flugdaten aufnehmen und mit der Genauigkeit eines Computers wiedergeben konnte, alle zusammen oder auch einzelne Teile. Wenn Schwierigkeiten auftauchten, war es beruhigend, Perry in der Nähe zu wissen.

Keith hatte bereits mehrere neue Flüge übernommen und andere weitergegeben, als der Inspektor ihn an der Schulter berührte. »Keith, ich muß in dieser Schicht zwei Stationen bedienen — diese und die nächste. Uns fehlt ein Mann. Schaffen Sie es für eine Weile auch so?«

Keith nickte. »Klar.« Er gab eine Kursberichtigung an eine Eastern 727 durch, deutete dann auf den Kontroller in Ausbildung, George Wallace, der auf dem Sitz neben ihm Platz genommen hatte. »George ist ja da, um ein Auge auf mich zu haben.«

»Okay.« Perry Yount schaltete seine Kopfhörer wieder ab und trat an das nächste Kontrollpult. So etwas war gelegentlich schon früher vorgekommen und ohne Schwierigkeiten abgelaufen. Perry Yount und Keith arbeiteten schon seit einigen Jahren zusammen, und beide wußten, daß sie sich aufeinander verlassen konnten.

Keith sagte zu dem Kontroller in Ausbildung an seiner Seite: »George, machen Sie sich mit dem Bild vertraut.«

George Wallace nickte und rückte näher an den Radarschirm heran. Er war Mitte Zwanzig und befand sich seit annähernd zwei Jahren in Ausbildung. Vorher hatte er in der US Air Force gedient. Wallace hatte sich bereits als ein Mann mit wachem, raschem Verstand erwiesen, der auch die Fähigkeit besaß, bei Nervenanspannung nicht die Fassung zu verlieren. In einer Woche würde er als fertig ausgebildeter Kontroller gelten, obwohl seine Ausbildung praktisch schon jetzt abgeschlossen war.

Absichtlich ließ Keith es zu, daß der Abstand zwischen einer American Airlines BAC-400 und einer stattlichen 727 geringer wurde, als er sein sollte. Er war bereit, eine kurze Anweisung durchzugeben, falls die Annäherung kritisch würde. George Wallace bemerkte den Mangel sofort und machte Keith darauf aufmerksam, der ihn gleich berichtigte.

Die praktische Übung war die einzig zuverlässige Methode, mit der die Fähigkeiten eines neuen Kontrollers beurteilt werden konnten. Ebenso wichtig war auch, daß einem in Ausbildung befindlichen Mann, der am Radarschirm saß und in eine schwierige Situation geriet, die Möglichkeit geboten wurde, seine Wendigkeit zu zeigen und die Lage ohne Hilfe zu bereinigen. In solchen Augenblicken war der Lehrer verpflichtet sich zurückzuhalten, mit geballten Fäusten abzuwarten und zu schwitzen. Einer hatte es einmal so formuliert: »Man hängt nur mit den Fingernägeln an der Ritze einer Ziegelmauer.« Es war eine kritische Entscheidung, wann man sich einmischen und den Befehl an sich reißen sollte. Sie durfte weder zu früh noch zu spät getroffen werden. Wenn der Lehrer eingriff, konnte das Selbstvertrauen des Schülers für immer untergraben werden und damit ein seinen Anlagen nach guter künftiger Kontroller verlorengehen. Andererseits, wenn ein Lehrer versäumte einzugreifen, als er hätte eingreifen müssen, konnte ein schrecklicher Zusammenstoß in der Luft die Folge sein.