Hollyday. Mit Leutnant Henry Curtis an der Spitze rückte dann die Mannschaft über die Gangway und betrat das geriffelte Stahldeck der POSEIDON I.
«Das ist ein Kasten!«sagte Obermaat Jimmy Porter. Er wirkte wie ein Bulle in Uniform, dieser Dickschädel, der Beine besaß wie Säulen und Pranken, die einen Granitstein auspressen konnten.»Schlank, rassig und wohlgeformt wie meine Susi!«
«Du kannst dich ja gleich aufs Deck legen und es versuchen!«rief Bill Slingman. Er konnte sich solche Reden leisten. Gegen einen Bill Slingman kam keiner an. Er war fast zwei Meter groß — ein Paket aus Muskeln. Jeder in der Navy kannte ihn als Schwergewichtsboxmeister der Marine. Daß er ein Neger war, kümmerte hier keinen. Hier war er Kamerad, und wenn er seine Paradeuniform anzog, wie heute, machte überhaupt keiner mehr den Mund auf, denn er hatte mehr Ordensbänder angeklemmt als mancher Offizier.»Vietnam«, sagte Bill Slingman dann versonnen, wenn er die Blicke der anderen sah.»Aber keine Silbe davon, bitte! Ich will auch nie mehr davon reden.«
Commander Nicholson blieb auf der Plattform zurück, während seine Mannschaft das Boot bestieg. Neben ihm stand Dr. Paul Blan-dy. Er hatte die Hände in die Uniformtasche gesteckt. In seinem Mundwinkel pendelte eine Zigarette. Er kannte jeden der dreihundert Männer, hatte sie gründlich untersucht und sich als Arzt gewundert, daß es überhaupt noch so kerngesunde Kerle wie diese hier auf der Welt gab.
«Was meinen Sie, Doc?«fragte Nicholson plötzlich.
Dr. Blandy klemmte mit den Zähnen seine Zigarette fester.
«Was soll ich meinen, Commander?«
«Nennen Sie mich Jack. Wir werden bald die besten Freunde sein, weil wir die meiste Arbeit an Bord haben werden. Schielen Sie mich nicht so an, Doc. ich bin kein Hypochonder.«
«Ich weiß, Sie können Nägel fressen und behaupten, es sei Spargel. «Oberarzt Dr. Blandy blickte auf die ins Boot hinabsteigenden Matrosen.»Jeder von ihnen ist eine bestens geölte, durchtrainierte, bis zur letzten Schraube kontrollierte Kampfmaschine. Sie haben wirklich die beste Mannschaft der Welt, Jack.«
«Sie wissen, was unsere Aufgabe ist, Doc?«
«Natürlich. Es klingt so schön, so menschlich, so engelhaft, so gottähnlich — suchen Sie sich aus, was Ihnen paßt, Jack — wenn man sagt: wir sind da, um den Frieden der Welt zu garantieren. Mit Atomraketen und Atomtorpedos an Bord, die — einmal abgefeuert — mondähnliche Zustände auf der Erde hinterlassen. Wie fühlen Sie sich dabei, Jack?«
«Ich bin Soldat, Doc.«
«Auch eine Antwort! Mehr kommt ihnen nicht in den Sinn?«
«Wissen Sie was Besseres?«Nicholson betrachtete den jungen Fähnrich z.S. Herbert Duff, der gerade seinen schweren Seesack mühsam über das Deck des U-Bootes schleppte. Ein lieber, netter Bursche mit einem sanften Kindergesicht. Es war ein Rätsel, wie so etwas aus der härtesten Schule der Welt kommen konnte, aus einer Schule, in der selbst Bullen wie Porter fast zerbrochen wären. Ich kenne sie alle, dachte Nicholson versonnen. Ich habe ihre Akten studiert, ihre psychologischen Tests gelesen, ich weiß von ihrer Stärke und ihren verborgenen Schwächen. Fähnrich Duff, ein Bündel verzweifelten Mutes, der nur des Nachts an seine Mutter schreibt: Mama, ich halte es nicht durch! Das hier ist die Hölle! Ich habe jeden Tag Angst vor dem, was am anderen Tag kommt. Mama, ich zerbreche.
Aber er zerbrach nicht, der kleine Duff. er stieg jetzt ins Luk und verschwand unter Deck der POSEIDON I.
«Lassen wir einmal das Geschwätz vom ewigen Frieden!«sagte Nicholson hart.»Da haben Sie recht, Doc! Mich bedrückt etwas anderes. Da gehen dreihundert Kerle wie doppelt geeiste Stahlfedern an Bord, jeder von ihnen überzeugt, daß auch dieses Jahr vorbeigeht. Das denken sie heute noch, weil sie gerade von ihren Frauen und Bräuten kommen oder gestern abend das Puff auf den Kopf gestellt haben. Auch der disziplinierteste Mann bleibt ein Mann, Doc.«
«Das meinen Sie?«Dr. Blandy lachte ungeniert.»Ist das Ihre einzige Sorge, Jack?«
«Es sollte Ihre Sorge sein, Doc! Auch Sie sind nicht jenseits von Gut und Böse. Sie stehen da wie ein Fels. Wie schwer sind Sie?«
«Gestern gewogen. Einhundertdreiundneunzig Pfund.«
«Auch Sie werden nach zwei Monaten Unterwasserfahrt von Weibern träumen. Nach sechs Monaten klemmen Sie ein Kissen zwischen die Beine, nach zwölf Monaten muß man alle Türen offen lassen, weil Sie sonst mit dem Kopf durch die Wand — «
«Jack!«Dr. Blandy lächelte nachsichtig.»Ich kenne Ihren blutigen Sarkasmus. Ich fahre seit zwölf Jahren zur See, und Sie noch länger.«
«Wir hatten immer Landgang, und überall gab es Weiber. Sie und ich haben noch nie ein Jahr — und das fast ausschließlich unter Wasser — ohne eine Frau hinter uns gebracht.«
«Ich habe Tabletten mit. «Dr. Blandy spuckte den Stummel seiner Zigarette aus.»Eine ganze Kiste voll. Tabletten, die dämpfend wirken auf das Zentrum im Gehirn, das befiehlt: Eine Frau her, und ran! Täglich eine Tablette ins Essen. das hilft.«
«Und nach einem Jahr sind wir Eunuchen, was? Wenn wir jemals Alaska nach der Untereisfahrt erreichen sollten, will ich mit meiner Mannschaft von Bord gehen, wie ich an Bord gegangen bin.«
«Für den Frieden in der Welt sollte man Opfer bringen, Jack«, sagte Dr. Blandy ruhig. Nicholson starrte ihn voller Bewunderung an. Auch er kann sarkastisch sein, dachte er. Ich glaube, wir zwei werden uns gut verstehen.
«Wie sieht das Opfer aus?«
«Das Präparat enthält Östrogene.«
«Doc, sprechen Sie zu mir bitte wie zu einem Idioten! Was heißt das?«
«Es heißt, daß wir die männlichen Gelüste ein wenig dämpfen werden mit einem Schuß weiblicher Hormone.«
«Und nach einem Jahr tanzt mein Torpedomaat Spitze, und Fähnrich Duff bekommt seine erste Menstruation.«
«Jack, auch ich kann solche Witze reißen.«»Ich weiß, Doc. «Commander Nicholson blickte wieder hinüber zu seinem Boot. Die Mannschaft war jetzt unter Deck, nur drei Offiziere standen noch auf der Plattform im Turm und starrten hinüber zu ihrem >Alten<.
«Ich werde es den Männern freistellen, ob sie Ihre geschlechtsakrobatischen Pillen nehmen wollen oder nicht. Ich nehme sie nicht, Doc! Ich kann das auch nicht befehlen! Es ist ein zu großer Eingriff in die Persönlichkeit.«
«Aber Sie können befehlen, daß unter Umständen gestorben wird! Das trifft die Persönlichkeit nicht, was?«
«Sterben ist eine Abart der Pflicht!«
«Eine Perversion der Pflicht, sollten Sie sagen, Jack!«Dr. Blandy zündete sich eine neue Zigarette an.»Ich war in Vietnam Truppenarzt… bei den Ledernacken.«
«Ich weiß, ich kenne Ihre Personalakte, Doc. Sie sind ein Bursche, aus dem man einen Rammbock machen kann. Sie haben sogar einen General in den Arsch getreten, weil er Verwundete wieder an die Front holen wollte.«
«Hoffentlich brauche ich das nie bei Ihnen, Jack!«
«Und wenn — ich trete zurück!«
Sie tauschten ein Lächeln und wußten, daß ihre Freundschaft besiegelt war. So etwas braucht einer, der unter das ewige Eis des Nordpols hinwegtauchen will und nicht weiß, ob er bei Alaska wieder hochkommt. Ein Mensch allein ist die traurigste Kreatur, die unser Herrgott ins Leben geschickt hat.
«Gehen wir!«sagte Nicholson.»Sie zuerst, Doc. Ich komme als Letzter an Bord und gehe als Letzter. Wie's sich gehört.«
Dr. Blandy nickte, warf seine Zigarette weg, zertrat den Stummel und wuchtete seinen massigen Körper über die Gangway auf das Deck des Bootes. Er kletterte zum Turm hinauf und stellte sich neben Oberleutnant Bernis Cornell, der mit der Trillerpfeife in der Hand auf seinen Kommandanten wartete.
«Was meint er?«fragte er leise.»Was ist er für ein Bursche, Doc?«
«Ihr werdet eure Freude an ihm haben, Boys.«»Das kann man auslegen, wie man will, Doc.«
«So ist's auch gemeint, Bernie. Jetzt kommt er! Für ihn muß es jetzt ein Gefühl sein, als ob er eine Jungfrau besteigt.«